II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 37

10. Das Vermaechtnis box 16/2
THEATER.
MaB
Zwei Premièren. Unlängst hat
der Vorstellung aber beginnen sie sich
Hermann Bahr sich in einem Zuge mit
zu recken und wenn wir acht Tage
Arthur Schnitzler beinahe wegwerfend ge¬
von ihnen entfernt sind, lassen wir die
nannt: er meinte, beide seien ganz nette
Schnitzler’schen Gestalten ganz andere Ver¬
Theaterleute. Wir aber stellen sie neben¬
bindungen in unseren Gedanken eingehen,
einander, damit es keinem Zweifel unter¬
die uns weit mehr interessieren, als es der
liege, dass in der That etwas Gemeinsames
Dichter imstande war. Schnitzler ist ein
zwische. ihnen nicht bestcht. Schnitzler
immerhin ernst zu nehmender Wiener Dra¬
ist eine strebsame Künstlernatur, Bahr
matiker, Bahr dagegen arbeitet, ohne dass
dagegen ein Lieferant von Dutzendware.
er sich es klar zu machen im Stande wäre
Schnitzlers Gestalten wachsen — aller¬
am literarischen Niedergang unserer Stadt:
dings in der Regel auf schlechtem Erdreich
er verwirrt die Kunstregeln. Er gilt in
organiech heran, Bahr flickt seine
Deutschland als Standarte der schrift¬
Figuren aus allerlei Material zusammen und
stellerischen Lächerlichkeit, die über Wien
überlackiert die Ritzen zum Zwecke der
flattert.
Irreführung des Publicums. Die Kunst
Schnitzlers vollendet sich mehr und mehr,
nur sein Gesichtsfeld will sich nicht
erweitern. Die grosse Einsicht bei der
Wahl des Themas, welche die grossen
Dichter an den Tag legten, war gewiss
keine unkünstlerische Findigkeit. Der Stoff
flog ihnen zu wie jeder andere grosse
Gedanke. Bei den Bahr’schen Erzeugnissen,
auch im Stare, spielen seine Zettelkasten¬
Notizen die Hauptrolle. Auf den Schein ober¬
flächlicher Natürlichkeit ist sein ganzes
Streben gerichtet. Er stellt lebendig gemalte
Puppen hin, aber innen sind sie mit Säge¬
spänen oder Werg gefüllt. Dramatische
Gestaltungskraft besitzt er keine. Im
Schnitzler’schenVermächtnise gibt es
fast durchwegs wirkliche Menschen, aus¬
gerüstet für weite, innere und äussere
Handlungswanderungen, aber Schnitzler
lässt sie nur auf einem kleinen Fleck
herumtrippeln — also auch Luppenschritte
machen. Während wir sie auf der Bühne
sehen, wirken sie oft recht langweilig,
weil sie unsere Phantasie knebeln, nach