II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 62

10. Das Vernaechtnis
lieben ihren Sohn in einem Maße, daß sie dem Sterbenden
die Bitte, Mutter und Kind in ihr Haus aufzunehmen, so¬
fort gewähren. Würden sie nicht auch dem Lebenden die
Bitte gewährt haben, die Geliebte als Frau heimzuführen,
da es doch weniger schwer ist, ein natürliches Verhältniß zu
legitimiren, als ein illegitimes anzuerkennen? Wenn die freie
Liebe nun einmal vorhanden ist, sollte doch der Dichter für
die Menschen, die so leben, mehr thun, als Schnitzler gethan
hat. Sie treten uns nicht als erkennbare Individuen, die
nur zu lieben gezwungen wären, entgegen. Er liebt — das
erschöpft die Persönlichkeit Hugo Losatti's, und was ist
Toni Weber? Sie liebt, liebt, liebt! Das =ist für den, der
nicht mitliebt, sehr langweilig. Es spricht für sie, daß Hugo's
Schwester Francisca mit vollem Pathos für sie eintritt.
Auf das hingeworfene Schlagwort „Sünde“ antwortet sie:
„Kann das die Sünde sein, was (gute) Menschen so glücklich
macht?“ Sie, „die Unschuld“, welche die Welt nicht kennt,
tritt mit begeisterten Worten für die freie Liebe, wenigstens
für die freie Liebe ihres Bruders ein. Mit dem Gefühle
stehen wir Alle auf ihrer Seite, obgleich wir die Gegen¬
argumente ihrer sonst unausstehlichen Widersacher wohl zu
würdigen wissen. Dieser Widerspruch in unserem Innern
wehrt uns die volle Theilnahme an den Gefühls¬
vorgängen des Schauspieles. Daß Toni Weber, nachdem
sie den Tod des Geliebten und des Kindes leidlich
gesund überdauert, in den Tod geht, rührt nur von der
Verlegenheit des Dichters her. Stolz zum Weiterleben
hätte sie genug, wenn sie nicht zu feig dazu wäre. Für die
freie Liebe, für die Berechtigung der Liebe, in den Natur¬
stand zurückzukehren, wird in dem „Vermächtniß“ nichts
bewiesen. Liebe lehrt die Natur, Treue aber nicht. Im All¬
gemeinen ist Liebe ein so flüchtiges Ding, mit Flügeln nicht
blos zum Herfliegen, sondern auch zum Fortfliegen versehen,
daß es nothwendig ist, ihr mehr oder minder starke gesetz¬
liche Fesseln anzulegen. So lange es eine bürgerliche Gesell¬
schaft und einen Staat gibt, also überhaupt ein menschliches
Zusammenleben, wird auch diese Nothwendigkeit bestehen.
Freilich wird es auch glänzende Einzelfälle freier Liebe immer
geben; aber das Glück darin steht unter tragischen Gesetzen.
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keine Scomitntp.
dies erst aus den Mittheilungen der Journate. Es erscheint
darum als eine trügerische Hoffnung, daß ihn die Kundgebung
des Abgeordnetenhauses in seinem Entschlusse wankend
machen könnte. Die Vorstände der oppositionellen Parteien
suchten heute den zurückgetretenen Präsidenten auf, um ihm
auch persönlich das Bedauern und die Bitte auszusprechen,
daß er sich durch den einmüthigen Beschluß des Hauses
en ven Träger der Krone i
bewegen lassen möge auf seinem Platze zu ver¬
Präsident Szilagyi (den Red
v.
Szilagy; gab eine verbindliche
harren. Herr
Person des Monarchen muß außer
Antwort, die aber einen klaren Rückschluß auf seine
werden. Das ist eine gute, alte ungarisch
letzte Entscheidung nicht gestattet. Der von der
Geza Polonyi (Unabhängigkeit
Opposition ausgegangene Antrag, sagte er, habe ihm sehr
Ich begrüße die heutigen Ausführungen
wohl gethan, der Beschluß des Abgeordnetenhauses aber hätte
zu Thaten gekommen, and die Unabh
ihn in eine sehr schwierige Lage versetzt. Nicht minder
diesem Falle auf ihn anbedingt rechnen.
schwierig aber sei die Situation angesichts der bereits erfolgten
Kubinyi (liberale Partei) erklä
Maßregel zustimmen würde, die mit sei
Demission. Was er nach dem heutigen Beschlusse des Hauses
wäre, aber er appellirt an den Patriotis
zu thun gedenke, darüber werde er erst nach reiflicher Er¬
daß er die Dinge nicht dahin treibe,
wägung die Entscheidung treffen.
außerhalb des Gesetzes gerathen.
Von den opposi ionellen Parteien hat bis¬
Arpad Szentivanyi (Nation
her nur die Unabhängigkeitspartei formell zu
der Opposition sei genügend documentin
dem Tisza'schen Vorschlage Stellung genommen. Aus ihrer
Baron Bauffy zweimal aus der Klemm
heutigen Abendsitzung wurde ein Communiaué veröffentlicht,
Präsident hat die Nationalpartei beidem
mischer Beifall links.)
welches dem Wesen nach Folgendes besagt: Die Unab¬
Präsident Szilagyi ruft den R
hängigkeitspartei unterzog das neueste Product der Majoritäts¬
zur Ordnung und bezeichnet das
Action gegen die Verfassung einer eingehenden Berathung.
zulössig.
Die Partei wird diesen Vorschlag, wenn derselbe wirklich auf
zentivanyi (fortfahrend):
den Tisch des Hauses gelegt werden sollte, als einen bei¬
sich auf die vom Grafen Apponyi bei der P
spiellos dastehenden Fall der Revolution
treuga Dei bezüglich der Unterbreitung
gegen die Verfassung behandeln und hat bereits die Gerichtsbarkeit der königlichen Curt
für die Varbereitung aller Mittel gesorgt, um eine Gegen¬
und auf das vorjährige Provisoriums¬
action gegen dieses Attentat auf die Verfassung als möglich den Platz, auf dem sich
einzuleiten und dasselbe zu verhindern Die Partei hat ferner
findet, ein Mann von Treu' und Glau
würde die Opposition sofort mit i
beschlossen, mit aller Energie und mit allen ihr zu Gebote
Desider Szilagyi (stürmischer Apx
stehenden Mitteln zu verhindern, daß die tausendjährige Ver¬
Bänken der Opposition: Eljenz
fassung Ungarns, lediglich um die Macht und die Herrschaft
Csaky, oder Koloman Szell, oder
der Majorität zu erhalten, vernichtet werde. Es wurde den
Die Nationalpartei will sich nicht weite
Mitgliedern der Partei zur Pflicht gemacht, dauernd in der
lassen, der sie hintergangen hat, dessen
Hauptstadt zu verweilen und sich an dem Kampfe zu be= und Umtriebe gerichtet ist.
theiligen.
Minister=Präsident Baron Bauf
Der Ministerrath war ebenfalls in den Abend= der Sache habe er sich entschlossen,
„„ Dinister w
annhen horiommolt ### G