II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 131

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10. Das Vermaechtnis
... belungt wie wir voreimne=inzugetreten.
benten Her, weicher Mitglied 2.
Zei mittheilten die diesjährige Preisaufgabe i Der Nord=Süd= (Brenner=Expreß) Luxus= der Stifkung ist; darauf hielt der Vorsitzende
aus der Rohr=Stiftung, welche die Akademie der“ zug ab Berlin, dessen Endziel bis jetzt Verona des Kuratoriums, Wirkliche Geheime Rath und
Künste ausgeschrieben hat. Die Lösung der Auf= war, wird in Zukunft einmal in der Woche über] Präsident der Seehandlung, Herr von Burchardt
gabe ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft, Mailand—Genna-Pisa—Rom nach Neapel weiter= über die Entwickelung der im Jahre 1840 auf

nicht genug thun konnten und von den Schwächen
en dune din ineserste seten uen
fidele Richard von Brick, dem aber, wie er mit
des Werkes keine Ahnung zu haben schienen. Der
Stückes, die ist vielmehr das wackere Ober¬
wehmüthigem Humor ausführt, alles „daneben“
Dichter nahm natürlich in Person nach jedem Akt
haupt der Familie, der Herr Professor des
geht, liebt die kleine Käthe. Den Korb erhält er
die Huldigungen entgegen.
Nationalökonomie Adolf Losatti,
ein alte:
aber nicht von ihr, sondern von ihrem Vater.
Schnitzler ist ein starkes und vornehmes Talent,
Poseur, der sich selbst und den Andern Komödie
Und um diese Figur gruppirt sich alles, was
das hat er auch in diesem neuen Schauspiel be¬
vorspielt, an dem jedes Wort und jedes Gefühl
„moralische Tendenz“ des Stückes heißt. Der
wiesen. Wieder ist's eine „Verhältniß=Komödie“;
unecht und dessen einzige wahre Empfindung der
alte Wulkow ist trotz seines Reichthums, dem
aber der Verfasser hat es verstanden, auch diesem
Egoismus ist. Wie er für und wider Toni
Richard von Brick so wenig widerstehen kann,
von unseren Modernen so arg gemißbrauchten
redet, wie er sie duldet, als Vater“ liebt
daß er Hof= und Hausmarschall des Hauses wird,
Thema eine neue Seite abzugewinnen. Er schildert
und bald darauf herzlos verstößt, wie er
ein kerniger, ehrlicher Bürger, dem das feine
uns das „Verhältniß“ als ein Vermächtniß
den Tod des Sohnes und des Enkels auf¬
Gethue“ für das seine Frau schwärmt, ein Gräuel
an die Familie des betreffenden Jünglings. Vier
nimmt — das bildet die interessantesten
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ist. Dieses gesunde, arbeitsfreudige Bürgerthum
Jahre hat der junge Dr. jur. Losatti hinter dem
Momente und den hauptsächlichsten Inhalt des
em
wirkt auf die aristokratischen Virtuosen des Nichts¬
Rücken seiner höchst ehrenwerthen Familie ein
Stückes. Daraus erhellt wohl zur Genüge, in
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thuns sehr heilsam. Baron Sandorf lernt arbeiten,
inniges Familienleben mit seinem Fräulein Frau
welcher Art Schnitzler seinen in den Grundzügen
ster
läßt sich als Modellzeichner beschäftigen und ist
und dem Bübchen geführt. Da verunglückt er
so stark dramatischen Stoff behandelt. Darunter
hen,
selig, als er den ersten blauen Schein verdient.
eines Tages mit dem Pferde und wird sterbend
leidet auch die Glaubwürdigkeit der Handlung.
ach¬
Jetzt erkennt er, daß auf der Sonnenseite des
ins Haus seiner Eltern gebracht. Von Todesahnen
Die volle und skrupellose Hingabe der Familien¬
Lelt
Lebens auch die Freude an der Arbeit glänzt.
ergriffen, gesteht er alles, dringt darauf, daß man
mitglieder an Toni erscheint ebenso bedenklich wie
Beg
Und da Freund Richard sich in die Schwester des
die Geliebte und ihr Kindlein hole, und nimmt den
der rasche und brutale Umschlag in den Em¬
cius
Barons verliebt hat, die ihm die Wahrheit gesagt
Eltern das Versprechen ab, Mutter und Sohn
pfindungen der Personen und die schleunige, lieb¬
und
und ihn zu einem neuen Menschen gemacht hat,
dauernd in ihr Haus nehmen und für sie sorgen
lose Verabschiedung des Mädchens, das sich
des
so endigt alles so gut, wie man es von einem
zu wollen, als gehöre sie zur Fumilie. Man er¬
eben erst durch seinen längeren Aufenthalt
und
anständigen Lustspiel verlangt, das nicht aus der
füllt den Wunsch des Sterbenden, und im nächsten
im Hause als gut und würdig erwiesen.
: den
Schule des Naturalismus hervorgegangen ist.
Akt sehen wir die arme Toni und ihr von allen
Betrachtet man aber das Schauspiel Schnitzlers
füges
Es war ein ehrlicher Erfolg auf der Bühne und
verhätscheltes Kind gewissermaßen als Mittel¬
auf seinen Werth als dramatisches Stimmungs¬
lerisch
eine ehrliche Heiterkeit im Publikum. Wenn die
punkt der trauernden Familie. Aber noch hat
bild, auf Gehalt an warmer Empfindung und
auch
Autoren=Dioskuren nach jedem Akt wiederholt gerufen
Toni Schlimmeres zu erdulden. Auch ihr Kind
schönen Worten, dann wird man den gestern
rberen
wurden, so hatten sie diesen Ruf nicht einer gefälligen
wird ihr genommen, und durch dessen Tod
gespendeten Beifall einigermaßen begreiflich finden.
mag.
Freundeschaar, sondern ihrem redlichen Verdienst
wendet
sich ihr Geschick. Alles, was an
Mit vornehm abgetönter Realistik schildert der
Hälfte
um das Behagen des Publikums zu verdanken.
Gerechtigkeitsgefühl, Milde und Edelmuth sich in
Autor Menschen und Dinge erade in den kleinsten
#t. So
Getragen wurde das Stück allerdings durch drei
den Familienmitgliedern regt, wird durch den
und intimsten Zügen ungemein scharf und
onnen¬
besonders kräftige Stützen des theatralischen Hu¬
Wortführer der Opposition, den geschraubt
lebensvoll, und
einige Charaktere,
be¬
un der
mors. Die Darstellung des alten Wulkow durch
moralischen Hausarzt, in Grund und Boden ge¬
sonders der alte Herr Professor, sind in ihrer
Emil Thomas gab ein köstliches Genreporträt.
redet, und so giebt man schließlich zu, daß dieser
breiten, prächtig nüancirten Ausgestaltung wahre
guen
Wie das Lustspiel durch keinerlei aufdringlichen
wackere Herr dem um Geliebten und Sohn trauernden
Meisterwerke dramatischer Charakteristik. Die
e über¬
Wortwitz, sondern durch komische und zuweilen
Mädchen gerade heraus sagt, daß es das Haus
Sprache ist schlicht und natürlich, wird aber nie¬
„Lust¬
recht geistvolle Pointen ergötzen will, so zeichnete
verlassen müsse. Durch allerlei freundliche
mals absichtlich trivial und hält sich von der
denken.
auch Thomas die lebenswahre Gestalt einer Alt¬
Redensarten und materielle Versprechungen sucht
brutalen Effekthascherei des modernen Naturalis¬
#en ihr
berliner Kernnatur ohne Uebertreibung mit den
man dann der Bedauernswerthen die bittere
mus völlig fern. Wer im Theater nur echte
ldnichts
Pille
diskreten Mitteln gediegener Charakterkomik. Eine
etwas zu versüßen, aber
Toni
Stimmung und treffliche Reden sucht und empfind¬
bei der
seiner erfreulichsten Leistungen bot Herr Vollmer
versteht, wie das im Grunde gemeint ist.
same Frauen, die gern weinen — der wird in
ssichten
als Richard von Brick. Die Szene, in der er die
zweifelt verläßt sie das Haus, und aus einem
dem „Vermächtniß" Schnitzlers mit seiner tiefen
Sonnen¬
entwürdigende Rolle erkennt, in die ihn seine Nei¬
zurückgelassenen Zettel geht hervor, daß sie bestimmt
Sentimentalität und seinem warmen Empfinden
tel und
gung zum Schmarotzen gebracht, spielte der
entschlossen sei, dem Geliebten und ihrem Kinde
ein wahrhaft erhebendes Drama erblicken.
der
Künstler mit jener Naturwahrheit, die den Ernst
in den Tod zu folgen. Dem Hausarzt aber bringt
Schauspielerisch brachte der gestrige Abend dem
eiden
dicht neben die Heiterkeit zu setzen weiß.
sein herzloses Handeln keinen Segen, entrüstet und
Deutschen Theater wieder reiche Ehren. An erster
muß
Leider hatte Frau Schramm nur wenig Gelegen¬
erkältet wendet die älteste Tochter des Hauses, Tonis
Stelle unter den Darstellern ist diesmal Herr
ern
heit, in ihrer Rolle als Frau Wulkow die unver¬
warme Fürsprecherin, sich von ihm und schließt
Reicher zu nennen, der die wunderbar ge¬
wüstliche Kraft ihrer drolligen Komik zu zeigen,
mit vielen warmherzigen und trefflichen Worten
zeichnete Figur des Professors dem Dichter meister¬
aber das Wenige war echt. Frl. v. Mayburg als
über das an Toni begangene Unrecht das Schau¬
haft nachcharakterisirte und die Gestalt zum
spiel ab.
Käthe war frisch und natürlich. Das Letztere
traurigen Helden des Stückes machte. Frau
kann man von Hrn. Christians nicht sagen. Der
Schnitzler hat in dieser Handlung, die ich hier
Lehmann weinte und schluchzte als unglückselige
leichtlebige Baron sprach in einem so tragischen
nur in großen Zügen andeutete, ein Thema an¬
Toni mit hingebender Leidenschaft, Herr Rittner
Ton, als ob er es beklagte, daß man ihm diese
geschlagen, das wohl den Vorwurf zu einem
starb als ihr Geliebter eines sehr natürlichen
*
Rolle gegeben hatte. Gewandter wußte sich Frl.
großen und bedeutsamen Bühnenwerk bilden konnte.
Todes. Den Moral predigenden Hausarzt stellte
Poppe als Baronin Thessa mit ihrer Aufgabe ab¬
Aber der Stoff ist unter seinen Händon kein
Herr Sauer in trefflich gelungener Haltung dar,
zufinden, obwohl auch ihr der Kothurn vertrauter
Drama, sondern ein dreiaktiges Stimmungs¬
seine Gegnerin, eine enragirte Vertheidigerin
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ist als die leichten Salonschuhe.
bild geworden. Die Stellung der vom Sohn
Tonis, gab Fräul. Dumont mit warmem Ton
t zu
.K. Im Deutschen Theater bereitete gestern
der Familie als Vermächtniß hinterlassenen
und lebhafter Beredtsamkeit. Zwei empfindsame
lows
Geliebten und ihres Kindes — dieser eigenartige
(Sonnabend) das stark mit Freunden des Autors
Mädchenseelen fanden in den Damen Sarrot und
ihren
Vorwurf gab Schnitzler nicht die Gelegenheit zu
durchsetzte Publikum dem neuen dreiaktigen Schau¬
Lux sehr geeignete Vertreterinnen, ein kecker
umen
einer bewegten dramatischen Entwicklung. Er
spiel Arthur Schnitzlers: „Das Vermächt¬
Gymnasiast in Frl. Elsinger eine recht muntere
Leute,
nahm sie nur als Anregung und Hintergrund zu
niß“ einen sehr lebhaften Erfolg. Der leise
Vertreterin. In den übrigen hervortretenden Rollen
ldfisch,
Widerspruch, der sich bemerkbar machte, galt wohl
breiter Stimmungsmalerei und liefdringender
zeichneten sich Frau Pöllnitz, sowie die Herrn von
schon
hauptsächlich dem Ueberschwang der Beifallspender,
Charakteristit einiger Figuren. Toni, die leidet
Winterstein und Reinhardt aus.
Die sich die sich in lauten Zeichen der Zustimmung gar und duldet, ist wohl die eigentliche Heldin, (Fortsetzung von „Kunst und Wissenschaft“ im 3. Beiblatt.)
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