II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 130

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10. Das Vernaechtnis
Deine Fru#
.— zu wilnien und dous I nommen wird.


geben diesem Wunsche nach. Nach dem Tode Hugos bleiben denn
nehmen wollten, die .. ..“, denn Tony Weber bleibt trotz ihrer
auch Mutter und Kind bei den Eltern, geduldet nicht nur, sondern
Mutterschaft ein „solches Weib“.
Die Berechtigung eines Aus¬
von Franzi, der Schwester des Verstorbenen, von seiner Cousine
nahmeschicksals bei ihr ist uns der Verfasser schuldig ge¬
Agnes, die ihn liebte, und deren Mutter geradezu verehrt. Das
blieben.
alles wird als ganz selbstverständlich hingestellt. Nun stirbt auch das
Kind; damit reißt für die Großeltern und für die Coufine das Band,
Schiller=Theater.
das sie nur lose mit seiner Mutter verbunden hatte. Tony Weber
wird aus der Mutter in ihren Augen wieder nur die Geliebte, mit
„Bartel Turaser“, das wirksame Drama Philipp!
der die „Familie“ nichts mehr zu thun hat. Man sorgt für sie —
[Langmanns machte am Sonnabend im Schiller=Theater einen
das genügt. Stutzig gemacht durch das abweisende Benehmen ihrer
ebenso starken Eindruck auf die Luhörerschaft, wie einst im Lessing¬
Bekannten, lassen sich der Professor und seine Frau durch ihren Haus¬
Theater. Die treffliche Darstellung verdient volles Lob. Herr
arzt, den Zukünftigen der Franzi und gleichzeitig den Vertreter des
Max Pategg verstand es, die rührende Figur des durch
kaltherzigen Verstandes, bestimmen, dem vereinsamten Weibe den Lauf¬
Noth verblendeten Mannes glaubhaft hinzustellen; nur zu¬
H.
paß zu geben. Tony, unfähig ihre Einsamkeit zu ertragen, sucht noch
weilen waren Ton und Geberde gar zu heftig, so daß man
am gleichen Tage den Tod.
geradezu glaubte, er sei von Sinnen und werde nicht
*
wieder zur Ruhe und Klarheit kommen. Erschütternd war es
Hugo, Tonys Geliebter, betont ein paar Mal, daß Tony ihm
am Schluß des zweiten Aktes. Neben ihm interessirte besonders
mehr als eine Gattin gewesen sei, aber er sagt nicht inwiefern. Hat
Fräulein Bottstein als Kind; Fräulein Bottstein blieb
sie ihn gepflegt? schweres Leid, Noth, Elend mit ihm getragen?
immer natürlich und anmuthig, ohne
in Geziertheit
ihn zum Schaffen begeistert? ihn sittlich gehoben? Sie hat bei dem
oder Weinerlichkeit zu verfallen; besonders im zweiten Akt
reichen Jungen all das nicht nöthig gehabt. Worin also besteht
verstand sie es, den fieberischen Zustand des kränkelnden Kindes bei
ihre Größe, dasjenige, was sie berechtigt, der Sitte zu trotzen, sich
aller Einfachheit sehr realistisch zu schildern. Alle übrigen Darsteller
in die Geschlossenheit der Familie zu drängen? Der Gedanke
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boten, geleitet von einer sehr sorgfältigen Regie, zum mindesten Ge¬
an eine Heirath scheint übrigens dem lustigen Hugo nie gekommen
nügendes; besondere Erwähnung verdient der Meixner des Herrn
zu sein, und er würde, wie sein Vater sehr richtig meint,
für
[Olmar, der Kleppl des Herrn Thurner und der alte Adolf des
mit der Zeit wahrscheinlich selbst das Verhältniß gelöst haben,
Herrn Eyben.
wäre er am Leben geblieben. Dieser Vater ist eine Meisterschöpfung
M. M.
des Autors. Kleinlich, voll hochtönender Phrasen, fremd dem
Innersten der Seinen, stets sich selbst in den Vordergrund schiebend,
Sa Die junge Geigerin Leonora Jackson gilt mit Recht als
ist er ein typischer Vertreter der billigen Liberalität ohne tiefere
eine der besten Schülerinnen Joachims. Die helle Frühlingssonne, diessonst
Sittlichkeit. Er fand in Herrn Reicher einen Vertreter von höchster
auf ihre Leistungen fällt, drach jedoch wider Erwarten bei ihrem Auf¬

Vollkommenheit; nur wenige aus der modernen Darstellung verstehen
treten am Sonnabend nicht überall durch. Uns erscheint die junge
so wie er zu unterstreichen und dennoch sich der Karrikatur fern zu
Dame ein wenig überstudirt; hierfür spricht besonders ihre große Un¬
und
halten. Sein prächtiges Spiel schuf ihn zum Mittelpunkt des Stückes,
ruhe beim Vortrage des Bachschen Violinkonzertes in E-dur, der
den eigentlich Frau Else Lehmann als Tony Weber hätte bilden
wahl
infolge dessen unter unmotivirten Schwankungen im Tempo,
kann:
müssen. Frau Lehmann ist ihrer an und für sich nicht farbigen Rolle
Er¬
Mattheit des Toues und einem Gedächtnißfehler litt.
noch manches schuldig geblieben; auch sollte sie sich abgewöhnen, statt
schwert wurde der Künstlerin ihre Aufgabe dadurch, daß das
„dann“ — „denn“ zu sagen; das ist doch zu Berlinerisch für ein
begleitende Streich= Orchester sich eine Bedeutung beimaß, die
Wiener Millen, wenn am Deutschen Theater auch eigeutlich niemand
ihm in Bachschen Werken noch nicht zukommt. Orchester und Solist
außer Frl. Elsinger (als Schulbube Lulu) und Herru Reicher
stehen sich hierin noch nicht im Wettstreit gegenüber, vielmehr laufen
Wienerisch sprach. Die unverständlichste Figur des Stückes ist
ihre Wege meist parallel. Das Orchester, das uns weder in der
Schwester Franzi, die sich aus einem Alltagsmädel ganz plötzlich durch
Zeichnung, noch in den Klangfarben etwas Besonderes bietet, kann
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den Tod des Bruders zu tragischer, aber
aber getrost zurücktreten; sonst erreicht es weiter nichts als die
unverstan¬
dener Größe auswächst
und
ohne ersichtliche
Seelen¬
Solostimmen zuzudecken. Frei und sicher fühlte sich Fräulein
ger.
metamorphosen Vertheidigerin der fortgewiesenen Geliebten, d. h. der
Jackson dagegen im D - moll=Konzert ve
Vienxtemps;
Dien
besonders
in ihr verkörperten Tendenz des überflüssigen Standesamtes, wird
der erste,
rhapsodisch gehaltene Satz gelang
und dem glatten Cyniker Dr. Schmidt (Herr Sauer) mehr
ihr vortrefflich. In
langsamen Sätzen fühlt
tan den
straß
schneidig, als herzvoll „absagt“. Frl. Sarrow that nichts, uns die
veredelnden Einfluß ihres Meisters stets durch; nur wünscht man sich
Franzi näher zu bringen. Frau v. Pöllnitz, Frl. Lux und Frl.] den süßen, schlackenfreien Ton noch voller und wärmer. Am Schluß
Dumont setzten ihr volles Können ein.
Die glänzende spielte die Geigerin die Variationen von Paganiui mit vortrefflicher
Dialektik Schnitzlers, die köstlichen satirischen Streiflichter, die Technik, aber zu „auständig". Da man mit solcher Musik Menschen
z. B. in den Aerztescenen den Dialog erhellen, die ehrliche
von Geschmack keine Freude mehr macht, so verlangen wir von der
Herzenswärme, mit der er seine Lieblingstheorie versicht und die im
Künstlerin auch nicht, daß sie noch lerut, durch musilalische Purzel¬
and
allgemeinen recht geschickte Scenenführung verdienen Lob. Ueber diese
bäume zu verblüffen, hoffen vielmehr von ihr einmal wieder, wie im
Lieblingstheorie selbst können wir nur mit dem Wiener Professor ur¬
vorigen Winter, ein vornehmes Kammermusikwerk zu hören.
in
theilen: „Wohin sollte es führen, wenn wir alle Weiber ins Haus
Verantwortlicher Redaktur: Dr. H. Kropatscheck, Verlin. — Verleger: Graf