II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 134

d
Spanien und Amerika.
Washington, 8. Oktober. (Eig. Ber. d. „W. a. M.“) Laut
„Daily Telegraph“ telegraphirte Mc. Kinley an die amerikanischen
Militärkommissare, Besitz von Porto Rico zu ergreifen, falls die
Spanier die Insel nicht bis zum 18. Oktober geräumt hätten. In
einer Kabinetssitzung am Freitag wurde gleichzeitig der 1. Dezember
als letzte Frist der Räumung Kubas festgesetzt.
Paris, 9. Oktober. (Privat=Telegramm.) Der „New=York
Herald“ meldet aus Manila, die Insurgenten weigerten sich, die ge¬
fangenen spanischen Priester freizugeben, wenn Spanien nicht ein
Lösegeld von 100000 Dollars bezahle.
Madrid, 9. Oktober. Das Gerücht, daß England bei der
spanischen Regierung in der Angelegenheit der Befestigungen in der
Nähe von Gibraltar dringende Vorstellungen erhoben habe, wird für
unrichtig erktärt.
Die Unruhen in Kreta.
Kanea. Der Präsident der kretischen Nationalversammlung,
Sphakianakis, dem von den Admiralen die Ueberreichung des Ultima¬
tums an den Sultan offiziell mitgeteilt wurde, ließ den „Daily News“
zufolge in Tausenden von Exemplaren ein Cirkular unter die christ¬
liche Bevölkerung Kretas verteilen, worin er zur Geduld und Ruhe
mahnt. Allgemein herrscht unter den Christen große Befriedigung
über den Schritt der Mächte, während man von den Mohamedanern
bei Abzug der türkischen Truppen neue Unruhen erwartet.
Kanea, 9. Oktober. (Meldung des Wiener k. k. Telegr.=Korr.=
Bureaus.) Da für den Fall, daß die türkischen Truppen die
Räumung Kretas nicht binnen vier Wochen bewerkstelligen sollten,
nach einem hier umlaufenden Gerücht von den vier Mächten eine
eventuelle Beschießung einzelner Städte Kretas in Aussicht genommen
ist, reisen auf Wunsch der Admirale die Familien der Konsuln ab.
Auch andere fremde Unterthanen verlassen aus diesem Grunde die
Insel. Ein russisches Kriegsschiff erbot sich, das Konsularkorps an
Bord zu nehmen.
Der Indianer=Aufstand.
New=York, 8. Oktober. (Eig. Ber. d. „W. a. M.*) Hiesige
Zeitungen bringen noch die nachstehenden interessanten Einzelheiten
über den Indianer=Aufstand in Walker (Minnesota). Als Ursache
wird engegeben, daß vor wenigen Tagen ein Regierungsbeamter den
Häuptling Bushear wegen unerlaubter Herstellung von
Branntwein verhaften wollte. Die Indianer überwältigten jedoch
den Beamten und retteten den Gefangenen. Darauf wurden 100
Mann des 3. Infanteriebataillons unter General Bacon abgesandt,
die sich auf dem Leech=See in zwei Dampfern nach dem Lager der
300 Mann starken Chippewäs, die auf der sogenannten Bäreninsel
ihr Lager aufgeschlagen hatten, begaben. Die Soldaten langten am
letzten Mittwoch um 8 Uhr morgens auf der Insel an und begaben
sich an Land, während ihre Offiziere mit den Häuptlingen verhan¬
delten. Plötzlich eröffneten die Indianer aus dem Gehölz heraus
Feuer auf die Amerikaner. Letztere blieben die Antwort nicht schuldig
und fochten brei Stunden lang, bis sie die Indianer zum Rückzug
zwangen. Die Verwundeten und Toten auf amerikanischer Seite
wurden darauf an Bord der Dampfer zurückgeschafft, währenb sich
die übrigen Solbaten zur Verfolgung der Indianer aufmachten. Sie
wurden jedoch zurückgeschlagen und gezwungen, sich zu verschanzen.
Ein Anzahl von Indianern war unterdessen an das Ufer zurück¬
gekehrt und feuerte auf die Dampfer. Ueber das Schicksal der
Landungsmannschaften ist man noch im Unklaren. Verstärkungen sind
unterwegs.
New=York, den 8. Okober. (Eig Ber. der „W. a. M.“.)
Spätere Depeschen aus Walker melden, daß General Bacon und seine
Leute dort von der Bäreninsel am Freitag Morgen wieder einge¬
troffen sind. General Bacon berichtet, an verschiedenen Stellen des
Leechsees wären weiße Flaggen gehißt zum Zeichen der vollständigen
Unterwersung der Indianer. Weitere amerikanische Verstärkungen
seien nicht nötig. Getötet wurden auf amerikanischer Seite, wie jetzt
festgestellt, Major Wilkinson und sechs Soldaten, verwundet elf
Soldaten und fünf Civilpersonen.
(Letzte Telegramme siehe Seite 5.)
Theater.
Deutsches Theater. Das Vermächtnis. Schauspiel in
brei Akten von Arthur Schnitzler.
Arthur Schnitzler gehört zu dem halben Dutzend von Hohen¬
priestern, von denen jene Gemeinde, die um jeden Preis die deutsche
Kunst bedeuten möchte, allemal etwas ganz Besondern erwartet. Aus dem
(Nachdruck verboten.)
dick unterstrichenen Beifall zu schließen, der seinem neuen Stück am] Franziska und Schmidt? Braucht ein
Sonnabend gespendet wurde, ist die Gemeinde diesmal mit ihrem
Schnitzler sehr zufrieden gewesen. Nach dem ersten Akt konnteer
Franziska? Wäre es nicht konseg
zweimal, nach dem letzten etwa ein Dutzend Mal vor dem Vor¬
esen, wenn dieser brutale Anstand
hang erscheinen. Man darf indessen die Zahl der Hervorrufe im
Dosatti'sche Waschlappengesellschaft ger
Deutschen Theater nicht zum absoluten Maßstab für die Bedeutung unglücklichen Toni schließlich den Sche
eines Stückes machen. Die Gemeinde thut für die Ihrigen gern ein
des britten Akts schlechtweg als
Uebriges, und Schnitzlers Schauspiel hätte getrost ein gut Teil schwächer
herrschenden Moral dagestanden hätte,
sein können — seine Ovation wäre ihm doch zu teil geworden.
iner Angelobten das Feld räumt?
Aber Schnitzlers Stück ist wirklich interessant, auch für die Außen= Vieles aber, sehr vieles muß S
stehenden, wie er überhaupt in seinen Dichtungen stets etwas zu sagen seines, Papa Losatti willen. Dieser
weiß, das auch ohne den Aichstempel der Schule Geltung behält. Er# ### liberale Abgeorbnete wird leben u
zeigt sich diesmal von keiner neuen Seite und behandelt auch nicht spiel noch zu vielen Aufführungen ver
einmal ein neues Problem. Immer noch ist's die Liebe zur Uinkenchkeit, Inkonsequenz und Hohlheit
Hand, die ihn reizt, und für die er uns zu-intereffiren sücht. Das älterer Linie hal in dieser Figur eine
Liebesverhättnts irgend eines verwöhnten Bourgeoissprößlings mit Das ist gesehen, ist wirklich, ist arist
einen Figur willen verdiente Schnitzler
einem Mädchen aus dem Volke, jene Art Vorehe, die unsere niedere
Sollen wir von der Tarstellung
jeunesse dorée bis zum Ladenschwengel hinunter für die „wirkliche“
Künstler vom Range eines Reiche
Ehe reif macht, — das ist nun einmal bis dato Schnitzlers Spezial¬
Rittner (Hugo Losatti), einer Frau
domäne. Es ist diesem talintvollen Dichter hoch anzurechnen, daß er
alle heißen, kaum nötig. Die Auffüh
sich mit seinem Herzen von vornherein auf die Seite jener armen
jeder Hinsicht auf der Höhe.
Dinger stellt, die in ihrem Bemühen, aus dem grauen Elend ihres
Proletentums herauszukommen, sich an solch einen verliebten grünen
Königliches Schauspielhaus.
Jungen hängen und wie die Fliegen am Gift zu Tausenden drauf¬
gleicht das Leben. Kalt und unfreun
gehen, während kaum Einer per mille der Traum des romantischen,
Erdenbürger, und im Finstern müssen
mit schlechter Lektüre überfütterten Köpfchens in Erfüllung geht. Aller¬
täppen, immer ins Dunkle hinein ol
dings, nicht alle jene Dämchen gleichen der Schnitzler'schen Christine
torgige Tag schon sie der elendigen
oder Toni — aber Schnitzler liebt und bevorzugt nun einmal diesen
aber gelang, sich einen Weg durch die
honorigen, für das ernste soziale Drama wohl verwertbaren Typus.
öffnet sich jenseits des Dunkels die „
Während er nun in „Liebelei“ sich mehr mit der piychologischen
lachender Prächtigkeit. Zu diesen Glüch
Seite seines Problems, dem „Verhältnis an sich“ beschäftigt, geht er
Töpfermeister Wulckow, den uns die
diesmal insofern einen Schritt weiter als er seine brave Toni in
thal und Kadelburg am Sonnaben
Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Milieu ihres geliebten Hugo bringt —
geschwärzten Chausseestraße ist er
eines jungen Professorensöhnchens und Dr. jur., mit dem sie durch vier
der Sonnenseite Berlin W. gezogen um
Jahre in glücklicher Unehe gelebt und ein Kindchen gehabt hat. Hugo
Heim mit vornehmen Gästen zu füllen.
bricht sich bei einem Sturz vom Pferde das Genick und überant¬
unser biederer Mitbürger weiß sich zu
worlet auf dem Sterbebett seiner ahnungslosen Familie Geliebte und
Annahme, daß die Träger der vollste
Kind als ein heiliges Vermächtnis: sie sollen sie lieben wie ihn selbst,
lersten Portemonnaies sind, kauft er
sie halten wie seine legitime Gattin und seinen legitimen Sohn, bei
von Sandorf auf, in der Hoffnung
Leibe nicht schlechter.
zu verpflichten. Dieser „Edelmann“
Der gut exponirte erste Akt stellt haarscharf das Problem, und
von Brick auch auf der Sonnenseite
die beiden folgenden Akte bringen die Lösung. Das Exempel ist im
harter Kampf erspart geblieben,
Grunde genommen sehr einfach — so einfach, daß auch ein mittel¬
heimnis entdeckt, daß es sich
mäßiger Rechner schon nach dem ersten Akt die Weiterführung errät:
Leute viel bequemer lebt, und so
Akt zwei gehört dem Kinde, Akt drei der Geliebten. Von dem Können
haut und spotten derer, die „mit der
des Autors hängt es ab, was aus der Sache wird.
Das Angebot des biederen Töpfermeist##
Da hat denn Schnitzler zunächst den Hintergrund, auf dem sich
Freunde wohlgefälliger Aufnahme, er
die im Einzelnen belanglosen Vorgänge abspielen, gut gewählt: eine
für Wohnungseinrichtung und dekorati
weichliche, rückgratlose, von liberaler Nekrose angefressene Gesellschaft,
braven Weißbierphilisters. Der Andere
die in der ersten Aufwallung des Schmerzes um den geliebten Toten
mit der Faust auf den Tisch und wird
seinem ketzerischen Wunsche willfahrt, dann aber in erbärmlicher
den Verfassern mit der Tochter des A
Heuchelei sich der feierlich übernommenen Verpflichtung entzieht und
legenheit zu einer beißenden P
die eben im Nest warm gewordene arme Sünderin Toni in Schmach
gekommenen Abel, der auf seine Fah
und Tod hinausstößt.
geschrieben hat, war günstig. D
Welche Aufgabe hätte hier ein Dichter gefunden, der, über seinem
sorgsam aus dem Wege gegangen
Stoffe stehend mit Schnitzlers Talent eine genügende Portion an
sagen. Hinter einem eleganten Dialog
satirischer Kraft besessen hätte, um dieser durch und durch putriden
Akten. Mit den Witzen wurde sein Mas
Gesellschaft — die man nicht bloß in Wien antrifft — einen Spiegel
zeigte selbst für die ältesten Witzelei
vorzuhalten! Aber der Sozialkritiker Schnitzler steht einmal, so leb¬
Im Uebrigen soll nicht verschwiegen
haft er vielleicht auch das Gegenteil versichern mag, nicht frei über,
vorteilhaft vor den anderen auszeichnet
sondern noch ziemlich unfrei innerhalb dieser Gesellschaft. Not¬
eine flottere Auffassung auch nicht gesche
wendig muß das die Perspektive seiner Auffassung beein¬
fand in Herrn Thomas eine sehr am
flussen, und so wird das Bild, das er entwirft, trotz der
Christians als „edler“ Edelmann
zahlreichen seinen Details verschwommen, die Zeichnung der
Vollmar gab seinen skrupellosen Ku#
Gestalten bis auf einige wenige unbestimmt oder schablonenhaft und
plicissimus gegriffen. Die Damen S
das Ganze unausgeglichen, mosaikartig — immerhin ein Kunstwerk,
verdienen ebenfalls Erwähnung.
aber keines ersten Ranges. Schwächlich und unsicher ist namentlich
die Charakteristik der weiblichen Gestalten des Professor Losatti'schen
Neue freie Volksbühne.
Kreises geraten — hier hätte ein wirklich aristophanischer Stift ganz
Bauernkomödie in 3 Akten von
anders gezeichnet. Der Edelmut, den Franziska, die Schwester des
von dessen Armut die Lande klingen,
verunglückten Hugo Losatti, am Schluß des letzten Akts entwickelt,
mission, in der guten Absicht, der Not
ist auch nur Surrogat. Ich vermag einem Mädchen, das im Stande
Die Bauern aber trauen dem plötzlichen
ist, sich mit einem Schubbiak wie Dr. Schmidt zu verloben, einen
nicht recht. Sie haben um einen
solchen Edelmut einmal nicht zu glauben. Freilich, der Dichter be¬
petitionirt und fürchten, daß die Regie
durfte jemandes, dem er seine These, daß man gegen Geschöpfe wie
ringen Produktivität ihres Gemeinwesens
die arme Toni nicht bloß gnädig, sondern schlechtweg gut sein müsse,
nutzlos hält. In Folge dessen besch
in den Mund legen konnte — und dazu eignete sich Franziska noch
leugnen, und lügen der Dreimännerkom
am besten. Aber wozu überhaupt diese Plakatirung einer so selbst¬
herunter. Als die Sache aber ans T#
verständlichen Wahrheit? Wozu diese überflüssige Verlobung zwischen Geh. Oberregierungsrat den guten Be
een
—. 5ch auf diesch
Für einen Philosophen, besonders aus Ner