II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 143

Fer
10
A
Abont
1
Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a. —
Ausschnitt aus; Staafsbürgor-Zoitung, Derlt¬
# 1.7.79
Theater, Concerte, Vergnügungen.
Deutsches Theater. Ein neues Schauspiel in drei
Acten von Arthur Schnitzler: „Das Vermächtnis“, hat gestern
Abend bei der hiesigen Erstaufführung dem Wiener Antor, welcher
persönlich anwesend war, eine erkleckliche Anzahl von Hervor¬
rufen eingebracht. Sein bedeutendes Bühnentalent, die drama¬
tische Gestaltungskraft und den scharfen Blick für das moderne
Leben hat der Autor schon früher zweimal in größeren Schau¬
spielen bekundet. Dem feineren Talente des Realisten, der
sehr anziehende Stimmungsbilder vorzuführen wusste, waren
auch warme Gemütstöne eigen, die unmittelbar das Herz be¬
rühren konnten und tiefere menschliche Empfindungen weckten.
Das neue Werk begegnete offenbar, wie das voll¬
besuchte Haus darlegte, großen Erwartungen, welchen der
Verfasser auch ziemlich weit entsprochen hat. Aller¬
dings ist „Das Vermächtnis“
ein eigenartiges,
fast
im Trauerflor
ausschließlich
einherschreitendes Stück
Leben oder besser gesagt: Familienleben. Jeder der drei
spannungsvoll gearbeiteten Acte führt an ein neues Grab.
Der Tod fordert allmählich drei Opfer aus der Familie des
höchst ehrenwerten, aber etwas doctrinären National=Oekonomie¬
Professors und Abgeordneten Dx. Losatti; im ersten Acte
stirbt der hoffnungsvolle ältere Sohn Hugo am Hufschlage
eines Pferdes. Er ist. das Opfer seines Reitsports, wird,
nachdem die Handlung im freundlichsten Wiener Sonnenschein
der Familie Losatti und weiterer Verwandten und Hausfreunde
begonnen, als tragische Verdüsterung sterbend in die Wohnung
zurückgebracht, um noch kurz vor dem Verscheiden seinen su¬
letzten Willen aussprechen zu können. Dieses Vermächtuis
betrifft die Fürsorge für ein vierjähriges Kind und dessen
der
junge Mutter, von deren Beziehungen zu Hugo weder Vater
noch Mutter eine Ahnung hatten. Das Familienbild, welches
der Verfasser hier aufrollt, die Stellung der einzelnen
Familienangehörigen zu der überraschenden Offenbarung des
Sterbenden, das liebevolle Einverständnis der Mutter und
der Schwester, das etwas kopflose und vom gesellschaftlichen
Vorurteil beherrschte Benehmen des Vaters und des
als zukünftiger
Schwiegersohn geltenden Hausarztes,
der vornehme und vorurteilslose Charakter der ver¬
Schwägerin
des
witweten Tante Hugo's und
Herrn Professors — alles das ist mit seiner, intimer Lebens¬
farbe durchgeführt und der ganze Vorgang von ergreifendster
Art, da auch die Geliebte und das Kind an das Sterbelager
Hugo's citirt werden. Ein wirklich organischer Zusammenhang
dieses ersten Actes mit den beiden andern Acten, in welchen
das Drama der schicksalsschwer geprüften Geliebten, Toni
Weber, eines mittellosen Wiener Bürgermädchens, weiter und
zum Abschluss geführt wird, ist nicht recht erkennbar.
im zweiten Acte zugunsten der
Alles neigt sich
armen Toni, man will das Vermächtnis Hugo's ehrlich
erfüllen und das Enkelkind besonders bildet die liebliche Brücke
zur Besiegung aller Vorurteile, die man sonst dem Aufenthalt
der Geliebten des verstorbenen Hugo entgegengebracht hätte.
In voller Liebe steht zu der Unglücklichen Losatti's Tochter
Franziska, während der Hausarzt, Franziska's Verlobter, nach
wie vor zelotisch gegen die ehemalige „Maitresse“ eifert.
Der Act gipfelt in dem plötzlichen, freilich nicht besonders
motivirten Tode des Kindes, und so ergibt sich für
den Schlufsact von selbst der allmähliche Rückzug der
Familie Losatti und die herzlose Isolirung und Vereinsamung
der trauernden Mutter Toni Weber, die in ihrer seelischen
Trostlosigkeit aus dem Hause der Herzlosigkeit scheidet, um
den Tod aufzusuchen. Nur Hugo's Schwester hatte in ihrer
Liebe zu der Unglücklichen nicht gewankt, aber ihre Inter¬
vention kommt zu spät, sie führt nur zur Entlobung, da in
diesem mit großer Schärfe und dramatischer Logik gezeichneten
Märtyrerschauspiele der Erbarmungslosigkeit und egoistischen
Familienstolzes der eifernde Hausarzt selbst die er¬
bärmlichste Rolle spielt. Ein Glück, dass sie in der Dar¬
stellung von unserem künstlerisch stets anziehenden Hrn. Sauer
gespielt wurde. Auch die Charakteristik, die Herr Reicher
in der Rolle des Professors durch alle Stadien entfaltete,
war von köstlicher Lebenswahrheit. Frl. Else Lehmann als
Toni, Frl. Sarro als Franziska, Frau v. Pöllnitz und Frl.
Dumont in der schwesterlichen Mutterrolle und Frl. Elsinger
in einer munnteren Knabenrolle hatten die volle Sympathie
des Hauses, auch Herr Rittner verdient für die discrete Be¬
handlung seiner Sterberolle gerühmt zu werden.!
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Arsschnitte
Ausschnitt
Nr. 86
M 105 „OBSERVER“
I. österr. behördl. concess. Bureau“für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.
Ausschnitt aus: Nationalzeitung, Berlin
7%
P. G. ArthurSchnstzler's neuestes Drama „Das
Vermachtniß“, das gestern Abend im Deutschen Theater
gegeben wurde, bedeutet insofern einen Fortschritt für den Ver¬
fasser, als er sich dies Mal in der Hauptsache nicht
nur auf intime Milienschilderung beschränkt, sondern
einen wirklich dramatischen Stoff
lebendig behandelt
hat. Der Autor hat wieder in ein ihn besonders
#neiendes sozial=moralisches Gebiet gegriffen und eine begeisterte
oft allerdings selbst ein mildes Urtheil aufs stärkste heraus¬
fordere Apologie der freien Liebe geschrieben, für die er vollste
und bedingungsloseste Gleichberechtigung mit dem legitimer
Liebesbündniß verlangt. Hierauf besonders werden wir nock
zurückzukommen haben. Der Verfasser glaubt seinen Anschauungen
durch die allerstärksten dramatischen Effekte zum Siege verhelfen
zu müssen und läßt dieserhalb mit jedem Schluß der drei Akte
pünktlich eine seiner Personen mit Tod abgehen. Die Dar¬
stellung war im Ganzen genommen vorzüglich und damit wohl
auch der überaus lebhafte Beifall zu erklären, der den im Hause
anwesenden Antor wiederholt vor die Gardine nöthigte — ein
Beifall, der nicht ganz im Einklang mit dem literarischen Werth
des Dramas und seiner einzelnen Theile stand.
Bezugs-Bedingungen.
Für 50 Zeitungsausschnitte (Artikel oder Notizen).
fl. 7.50
inclusive
Port
" 25.—
200
Zahlbar
55.—
500
im Voraus
„ 100.—
„ 1000
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist das
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt; — auch steht es den
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.