10. Das Vernaechtnis box 16/4
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschmn
„OBSERVER“ Nr. 72
105
österr. behördi. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personaluschrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeld“
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Saneischer
Ausschnitt aus:
Atsue
vom’7¼ 77.
hörer schonungslos zieht. Es wird en masse ge¬ Diese mitunter staunenswerthe Leichucer der ein¬
des Rruisiui.
storben, zuerst der Vater, dann das Kind, dann die zelnen Charaktere, diese köstliche Beobachtungsgabe
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Mutter. Der Vater auf der Chaiselongue auf
und Schilderungsfähigkeit.#lles das wird und
der Bühne, das Kind im Bettchen, die Mutter un¬
Ss. Das Münchener Schauspielhaus eröffnete
muß wirken. Es hat #lch gestern das Publikum
bestimmt wo und wie. Alles das von einem aus
mächtig ergriffen, trotz einer, sagen wir es gleich,
gestern unter den günstigsten Auspicien seine neue
Thränen, Liebschaft und Rücksichtslosigkeit bestehenden
durchaus nicht mustergiltigen, ja nur halbwegs
Saison. Das Haus war laut Anschlag an der
Milieu umrahmt. Eine Attaque auf die Thränen= guten Darstellung. Zu loben an der Aufführung
Kasse „ausverkauft“ und das Publikum zollte
brüsen, wobei der Zuschauer leider die Zwiebel war die Regie des Herrn Stollberg. Er traf den
der Eröffnungsvorstellung warmen, wenn auch nicht
begeisterten Beifall.
mitbringen muß. Das macht die von Schnitzler] Ton des Schnitzler'schen Stückes ungemein charakter¬
istisch. Nur eine ausgesprochen wienerischere Färbung
Die Direktion hatte zum Beginne des Spiel¬
aufgeworfene These, ob es für eine Familie eine
hätte das Ganze haben müssen, auch in der Sprache
Pflicht gegenüber der Mutter eines unehelichen
jahres eine Novität von Schnitzler gewählt, der
fast aller Darsteller, ausgenommen Frl. v. Kroll
Kindes eines Sohnes, der auf dem Sterbebette
sich in München durch seine „Liebelei“, sein „Freiwild“.
und Herrn Lang. Die Darstellung selbst war
Kind und Mutter seinen Eltern als letztes Ver¬
und seinen mit dem „Grünen Kakadu“ gekrönten
wenig befriedigend. Echte, warme Herzenstöne
mächtniß an's Herz legt, gebe, etwas unerquicklich.
Einaktercyklus einen außerordentlich wohlklingenden
brachten nur Fräulein Bré, Herr Rübsam
Dazu kommt die störende Unwahrscheinlichkeit
Namen gemacht hat. „Das Vermächtniß“ ist das
und Herr Lang. Fräulein Lange hatte man¬
mancher Situation. Ich habe da ganz besonders
schwächste Stück, das er geschrieben, allerdings nicht
chen hübschen Moment, sie war aber nicht
die Szenen im Auge, die sich am Sterbebette
im Eutferntesten so schwach oder literarisch unbe¬
an der richtigen Stelle. Die Toni Weber fordert
Hugo's abspielen. Das, was da vorgeht, ist mehr
deutend, daß es nicht die Konkurrenz mit einer Reihe
ein ganz anderes Talent. Diese Rolle müßte Frl.
als unwahrscheinlich,
detaillirt angesehen,
Novitäten, welche unsere Hofbühne in letzter Saison
Müller spielen. Frl. Lange sah bildschön aus,
sogar ünmöglich. Das Stück enthält zur Steiger¬
ihrem immer spärlicher werdenden Publikum vor¬
aber wie im „Cyrano“, man vermißte das Herz
zusetzen beliebte, aushielte. Der Dramaturg der
ung der Unerquicklichkeit eine ganz und gar ab¬
und den Verstand. Man applandirte ihr, als sie
stoßende Figur, das ist die Person des Dr. Schmidt.
Hofbühne erklärte es als dummes Stück, also für
Abschied nahm, wohl nur, weil sie im Augenver¬
jeden Vernünftigen eine der denkbar günstigsten Em¬
Wo in aller Welt läßt sich eine Familie, deren
drehen anatomisch Verwunderliches leistete. Frl.
drei weibliche Glieder so davon überzeugt sind,
# „pfehlungen. Wir sind hier wieder veraulaßt, zu
v. Kroll ist eine gute Schauspielerin mit einem
daß man der Mutter des Kindes ihres lieben
bedauern, daß man dieses Dichterwerk, denn ein
100
weniger hübschen Sprachfehler. Frl. Zunzer
Bruders und Neffen ein Heim zu bieten habe, solche
Dichter, einguter, ganzer Dichter spricht aus dem
200
sprach sehr hübsch, spielte keck wie ein Bub — aber
Taktlosigkeiten gefallen, wie sie der Verlobte Fran¬
Werke zu uns, nicht an der Höfbühne zur Dar¬
500
mit der Figur im Sacco — das geht nicht. Herr
ziskas Dr. Schmidt, vorbringt!
stellung brachte zumal gerade sie in der Lage ge¬
„ 1000
Schnitzler, der sein „Vermächtniß“ nach Wien ver¬
Schwartze hatte eine ungemein undankbare
wesen wäre durch eine glänzende Besetzung die
Im
Aufgabe. Den Doktor kann nur ein erster Künstler
legt hat, hat sich in diesem Stücke trotz aller
Adonnen zweifellosen Schwächen=des Stückes künstlerisch aus¬
Schwächen als echter Dichter erwiesen. Die Er¬
spielen. Das ist Herr Schwartze nicht. Ein Routinier
Abonnent zugleichen. Wie hätte das Stück mit Frau Ramlo
ist noch kein Künstler. Herr Lind vergriff seine
findung ist eine echt dichterische, das Anschneiden einer
als Emma Winter, mit Häusser als Professor
unsere Gesellschaft auf's Innigste berührenden und
Rolle fast völlig. Unfreiwillig komisch zu wirken
Losatti, Frl. =Swoboda als Toni Weber und
ist gefährlich. Man lachte auch gestern bei den
sie charakterisirenden Frage, die Durchführung der
Lützenkirchen als Doktor Schmidt gewirkt!
Es hat nicht sollen sein — im Hause des Majors
Handlung, die Detailmalerei verrathen die starke ernstesten Worten dieses Professors. Am schlimmsten
war's um die beiden Mütterrollen bestellt. Weder
Begabung und das ausgesprochene Talent des
und Schlafwagenkontroleurs!
Autors. Dazu kommt für den relativ jungen Frau de Scheirder noch weniger Frau Fischer
Schnitzler hat in seinem „Vermächtniß“ einen
Bühnenschriftsteller eine ungewöhnliche Vertrautheit genügten bescheidensten Ansprüchen. Man vermißte
Irrweg betreten. Wir finden ihn, modern auf¬
mit dem, was bühnenwirksam ist. Ich kann mich Betty L'Arronge und hätte sie für zwei Rollen ge¬
gepützt, zu unserem Erstaunen auf dem Pfade der
des Ausdruckes nicht enthalten, Schnitzler ist im braucht. Ein Wort der Anerkennung gebührt Herrn
seligen Birch=Pfeiffer. Das Stück trieft vor
Rührung, ein dießbezüglicher Tric löst den anderen
„Vermächtniß“, wie in keinem seiner anderen Stücke, Heller. Eine schwache Vorstellung, die dem
ab. Verzeihen, vergessen, vergeben, lieb haben, das ein Virtuos der Mache. Diese Aktschlüsse mit all' Rufe des Schauspielhauses schaden kann, wenn sie
sind die Register, welche Schnitzler für seine Zu¬ dem zu Ahnenden, Ungesagten und dech Gesagten! sich wiederholt.
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschmn
„OBSERVER“ Nr. 72
105
österr. behördi. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personaluschrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeld“
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Saneischer
Ausschnitt aus:
Atsue
vom’7¼ 77.
hörer schonungslos zieht. Es wird en masse ge¬ Diese mitunter staunenswerthe Leichucer der ein¬
des Rruisiui.
storben, zuerst der Vater, dann das Kind, dann die zelnen Charaktere, diese köstliche Beobachtungsgabe
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Mutter. Der Vater auf der Chaiselongue auf
und Schilderungsfähigkeit.#lles das wird und
der Bühne, das Kind im Bettchen, die Mutter un¬
Ss. Das Münchener Schauspielhaus eröffnete
muß wirken. Es hat #lch gestern das Publikum
bestimmt wo und wie. Alles das von einem aus
mächtig ergriffen, trotz einer, sagen wir es gleich,
gestern unter den günstigsten Auspicien seine neue
Thränen, Liebschaft und Rücksichtslosigkeit bestehenden
durchaus nicht mustergiltigen, ja nur halbwegs
Saison. Das Haus war laut Anschlag an der
Milieu umrahmt. Eine Attaque auf die Thränen= guten Darstellung. Zu loben an der Aufführung
Kasse „ausverkauft“ und das Publikum zollte
brüsen, wobei der Zuschauer leider die Zwiebel war die Regie des Herrn Stollberg. Er traf den
der Eröffnungsvorstellung warmen, wenn auch nicht
begeisterten Beifall.
mitbringen muß. Das macht die von Schnitzler] Ton des Schnitzler'schen Stückes ungemein charakter¬
istisch. Nur eine ausgesprochen wienerischere Färbung
Die Direktion hatte zum Beginne des Spiel¬
aufgeworfene These, ob es für eine Familie eine
hätte das Ganze haben müssen, auch in der Sprache
Pflicht gegenüber der Mutter eines unehelichen
jahres eine Novität von Schnitzler gewählt, der
fast aller Darsteller, ausgenommen Frl. v. Kroll
Kindes eines Sohnes, der auf dem Sterbebette
sich in München durch seine „Liebelei“, sein „Freiwild“.
und Herrn Lang. Die Darstellung selbst war
Kind und Mutter seinen Eltern als letztes Ver¬
und seinen mit dem „Grünen Kakadu“ gekrönten
wenig befriedigend. Echte, warme Herzenstöne
mächtniß an's Herz legt, gebe, etwas unerquicklich.
Einaktercyklus einen außerordentlich wohlklingenden
brachten nur Fräulein Bré, Herr Rübsam
Dazu kommt die störende Unwahrscheinlichkeit
Namen gemacht hat. „Das Vermächtniß“ ist das
und Herr Lang. Fräulein Lange hatte man¬
mancher Situation. Ich habe da ganz besonders
schwächste Stück, das er geschrieben, allerdings nicht
chen hübschen Moment, sie war aber nicht
die Szenen im Auge, die sich am Sterbebette
im Eutferntesten so schwach oder literarisch unbe¬
an der richtigen Stelle. Die Toni Weber fordert
Hugo's abspielen. Das, was da vorgeht, ist mehr
deutend, daß es nicht die Konkurrenz mit einer Reihe
ein ganz anderes Talent. Diese Rolle müßte Frl.
als unwahrscheinlich,
detaillirt angesehen,
Novitäten, welche unsere Hofbühne in letzter Saison
Müller spielen. Frl. Lange sah bildschön aus,
sogar ünmöglich. Das Stück enthält zur Steiger¬
ihrem immer spärlicher werdenden Publikum vor¬
aber wie im „Cyrano“, man vermißte das Herz
zusetzen beliebte, aushielte. Der Dramaturg der
ung der Unerquicklichkeit eine ganz und gar ab¬
und den Verstand. Man applandirte ihr, als sie
stoßende Figur, das ist die Person des Dr. Schmidt.
Hofbühne erklärte es als dummes Stück, also für
Abschied nahm, wohl nur, weil sie im Augenver¬
jeden Vernünftigen eine der denkbar günstigsten Em¬
Wo in aller Welt läßt sich eine Familie, deren
drehen anatomisch Verwunderliches leistete. Frl.
drei weibliche Glieder so davon überzeugt sind,
# „pfehlungen. Wir sind hier wieder veraulaßt, zu
v. Kroll ist eine gute Schauspielerin mit einem
daß man der Mutter des Kindes ihres lieben
bedauern, daß man dieses Dichterwerk, denn ein
100
weniger hübschen Sprachfehler. Frl. Zunzer
Bruders und Neffen ein Heim zu bieten habe, solche
Dichter, einguter, ganzer Dichter spricht aus dem
200
sprach sehr hübsch, spielte keck wie ein Bub — aber
Taktlosigkeiten gefallen, wie sie der Verlobte Fran¬
Werke zu uns, nicht an der Höfbühne zur Dar¬
500
mit der Figur im Sacco — das geht nicht. Herr
ziskas Dr. Schmidt, vorbringt!
stellung brachte zumal gerade sie in der Lage ge¬
„ 1000
Schnitzler, der sein „Vermächtniß“ nach Wien ver¬
Schwartze hatte eine ungemein undankbare
wesen wäre durch eine glänzende Besetzung die
Im
Aufgabe. Den Doktor kann nur ein erster Künstler
legt hat, hat sich in diesem Stücke trotz aller
Adonnen zweifellosen Schwächen=des Stückes künstlerisch aus¬
Schwächen als echter Dichter erwiesen. Die Er¬
spielen. Das ist Herr Schwartze nicht. Ein Routinier
Abonnent zugleichen. Wie hätte das Stück mit Frau Ramlo
ist noch kein Künstler. Herr Lind vergriff seine
findung ist eine echt dichterische, das Anschneiden einer
als Emma Winter, mit Häusser als Professor
unsere Gesellschaft auf's Innigste berührenden und
Rolle fast völlig. Unfreiwillig komisch zu wirken
Losatti, Frl. =Swoboda als Toni Weber und
ist gefährlich. Man lachte auch gestern bei den
sie charakterisirenden Frage, die Durchführung der
Lützenkirchen als Doktor Schmidt gewirkt!
Es hat nicht sollen sein — im Hause des Majors
Handlung, die Detailmalerei verrathen die starke ernstesten Worten dieses Professors. Am schlimmsten
war's um die beiden Mütterrollen bestellt. Weder
Begabung und das ausgesprochene Talent des
und Schlafwagenkontroleurs!
Autors. Dazu kommt für den relativ jungen Frau de Scheirder noch weniger Frau Fischer
Schnitzler hat in seinem „Vermächtniß“ einen
Bühnenschriftsteller eine ungewöhnliche Vertrautheit genügten bescheidensten Ansprüchen. Man vermißte
Irrweg betreten. Wir finden ihn, modern auf¬
mit dem, was bühnenwirksam ist. Ich kann mich Betty L'Arronge und hätte sie für zwei Rollen ge¬
gepützt, zu unserem Erstaunen auf dem Pfade der
des Ausdruckes nicht enthalten, Schnitzler ist im braucht. Ein Wort der Anerkennung gebührt Herrn
seligen Birch=Pfeiffer. Das Stück trieft vor
Rührung, ein dießbezüglicher Tric löst den anderen
„Vermächtniß“, wie in keinem seiner anderen Stücke, Heller. Eine schwache Vorstellung, die dem
ab. Verzeihen, vergessen, vergeben, lieb haben, das ein Virtuos der Mache. Diese Aktschlüsse mit all' Rufe des Schauspielhauses schaden kann, wenn sie
sind die Register, welche Schnitzler für seine Zu¬ dem zu Ahnenden, Ungesagten und dech Gesagten! sich wiederholt.