II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 247

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vom2%
Sch. Die „Münchener Volksbühne“ veranstaltete
gestern ihre erste Theatervorstellung für Mitglieder des
Vereins, d. h. man ließ im Schauspielhaus Schnitzlers
„Vermächtniß“ in der neulich besprochenen Besetzung auf¬
führen. Neues über die Vorstellung, in der nur Fräulein
Berneck für Frl. Bré die Franziska übernommen hatte, gibt
es nicht zu sagen. Nach den Ankündigungen gehen die Be¬
strebungen des Vereins dahin, dem Volke künstlerische Dar¬
bietungen zugänglich zu machen ohne große pekuniäre Opfer,
ein Streben, das gewiß zu loben ist, solange auf dem Pro¬
gramm nur Werke von anerkanntem Werth sich finden.
Stücke die, nicht erprobt, ihre Feuertaufe erst erhalten sollen,
gehören vor ein anderes Forum. Der Gedanke, den einst
Victor Naumann im Deutschen Theater verwirklichte, als er
für die Gewerkschaften „Maria Magdalena“ gab, war gewiß
glücklich und anerkennenswerth, rein aber sollte sich jede ernste
Bühne halten von Cliquenwirthschaft und politischer Propa¬
ganda, welcher Art sie auch sei. Wo hinaus man im vor¬
liegenden Falle will, ist jetzt noch nicht abzusehen, man wird
weitere Veranstaltungen abwarten müssen. „An ihren Früchten
werdet ihr sie erkennen." Das Theater war merk dürdiger¬
weise recht schlecht besetzt, doch folgte das Publikum den Vor¬
gängen auf der Bühne mit gespannter Aufmerksamkeit.
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Münchener Volksbühne.
Erste Vorstellung: „Das Vermächtniß“, Schau¬
spiel von Arthur Schnitzler.
Es mag als günstiges Omen für die Zukunft des neu¬
begründeten Vereins gelten, daß er als erste seiner vielver¬
sprechenden Veranstaltungen dem Publikum ein dramat¬
isches Kunstwerk vor Augen führte, das mit der Behand¬
lung eines sozialen Problems alle Kreise des Volkes
im gleichen Maße interesurt. Wir leben in einer
Zeit, da die Gegensätze zwischen der besitzenden und der er¬
werbenden Klasse in das Gemuthsleben der Menschheit
Anschauungen hineingetragen haben, die mit der gesunden
Vernunft und den Gesetzen, die uns die Natur geschenkt
hat, in herbem Widerspruche stehen. Der Bekämpfung
einer solchen Anschauung widmet sich Schnitzlers „Ver¬
mächtniß". Das Schauspiel behandelt die schon oft er¬
örterte Frage, ob das Weib, das sich, unbekümmert um
Pfarrer und Standesamt. um Rang und Geld, einzig und
allein aus dem Drange seines Herzens heraus dem Manne,
den es liebt, gibt, — ob ein solches Weib etwa weniger die
Tugendrose der Sittlichkeit verdiene, als die den staatlichen
und lirchlichen Anforderungen sich beugende „gesetzmäßig
copulirte" Frau. Es ist leicht tugendhaft zu sein, wohl¬
gemerkt tugendhaft in dem verschrobenen Sinne unserer
modernen Gesellschaft, wenn das Geld im Kasten klingt.
Die Versuchung, in freier Liebe dem Manne seiner Wahl
Für 50 fanzugehören, wird demnach vornehmlich an das Mädchen ho
inclusive
100 aus dem Volke herantreten. Von diesem Gesichtspunkte be¬ —
200 trachtet, ist das Drama Schnitzlers eine rührende Dichtung —
Zahlbar
500 aus dem Leben des Volkes, ein Sang vom Liebesglück und .
" 1000 Liebesleid eines armen Mädchens, kurz: ein Volksstück —] i Verau¬
im besten, im edelsten Sinne dieses Wortes.
Im
Wenn anders die Erfahrung die beste Richterin ist, bschnitte ist da
Abonneniso scheint deshalb Niemand mehr berufen, die uns gestern ##uch stcht es de
Abonnentvorgestellte Dichtung mit den Augen unbefangener Kritik su ändern
zu prüfen, als ein Publikum, das sich aus der erwerbenden
Klasse zusammensetzt. Die Zuschauer, die gestern in Feier¬
tagskleidung und in Feiertagsstimmung den Worten des
Dichters folgten, waren größtentheils Angehörige des
Kleinbürger= und Arbeiterstandes. Für diese Klassen ist es
ein geistiges Bedürfniß, eine Bühne zu besitzen, die ihnen
frei von jeder Tendenz — einen Blick in das soziale
Leben der Gegenwart eröffnet. Sie brauchen ein Theater,
das ihnen zu einem Jedem erschwinglichen, ge¬
ringen Eintrittspreise Darbietungen entgegen¬
bringt, die dem modernen Leben entnommen sind. Die
warme Aufnahme, die der Aufführung zutheil wurde,
war der Dank des Publikums für den ihm gebotenen
Kunstgenuß. Sie möge der Münchener Volksbühne die
Direktive für das in Zukunft zu wählende Repertoir geben.
Die Darstellung des interessanten Bühnenwerkes hat
schon vor einiger Zeit, als es seine erste Aaufführung am
hiesigen Schauspielhause erfuhr, eine eingehende Besprech¬
ung gefunden. Neu war Fräulein Berneck in der sym¬
pathischen Rolle der Franziska. Das Können der jungen
Künstlerin vermochte leider nicht durchweg mit ihrem
Wollen gleichen Schritt zu halten. Denn hätte es dieses
gekount, so wäre das Wollen nicht so scharf zu Tage ge¬
treten. Man sah dem Spiel des Fräuleins Berneck zu sehr
das Theater an. Ihre Mimik hatte etwas Manierirtes und
in dem Tone ihrer Stimme vermißte man die Herzlichkeit,
die ganze seelische Größe der Empfindung, mit welcher der
Dichter diese Gestalt seines Dramas beschenkt hat. — Die
übrigen Künstler und Künstlerinnen bewiesen durch ihr in
Wahrheit musterhaft zu nennendes Spiel auf's Neue, daß
sie des Renomées, dessen sich die Stollberg'sche Direktion
erfreut, durchaus würdig sind. Noch eine kurze Bemerk¬
sung. Das Spiel des Herrn Lind, der den Professor
Losatti gab, verlor im letzten Akte dadurch, daß der Dar¬
steller von seinem Rechte, einen Phrasenhelden darzustellen,
nach der Effekt heischenden Seite der feingezeichneten Charake
ter=Partie allzu sehr Gebrauch machte. Es liegt jedenfalls
nicht in der Absicht des Dichters, aus der Phrase eine
Fratze zu machen, und so wäre Weniger hier Mehr ge¬
wesen. — Abgesehen von diesen Kleinigkeiten gab es nur
zu loben. So hat denn die Münchner Volksbühne ihren
Eintritt in das dramatische Leben der Isarstadt unter
günstigsten Auspizien gefeiert. Wir wünschen ihr ein
wirkensreiches Gedeihen.
R-f.