II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 252

m a
box 16//4
10. baschtnis

106
Beiblatt.
lern dem Verein zur Verfügung stellt, ein
an Schnitzler zu schäßzen ist wird nicht ge¬
Entgegenkommen, das — wenn man der
Uinger, went man sich gegen diese so ober¬
Schwierigkeiten an anderen Orten um das
flächliche Behandlung eines so verzwickten
Erlangen guter Darsteller zu solchem Zwecke
Problems: die verwitwete Geliebte und
gedenkt — durchaus anerkannt werden
ihre Stellung zur gutbürgerlichen Familie
muß. Allerdings treten ja auch hier im
ihres Liebhabers energisch wehrt. Es
Süden die sozialen Gegensätze nicht
ist ein Ruf an unser gutes Herz, eine Bitte
scharf und spinnefeind einander gegenüber,
um Mitleid, die Schnitzler da in seinem
und so hat auch Max Halbe ohne weiteres
Schauspiel in dramatische Form gebracht
Bedenken und ohne daß man es ihm ver¬
hat. Aber die böse Blendlaterne der
dacht, den Vorsitz dieses Vereins über¬
Tendenz wirft in seine Welt so eiteln Glanz
nommen, dessen Publikum zu vier Fünfteln
und so viel schweren Schatten, daß der
aus „Genossen“, aus Mitgliedern der
naive Sinn in seinen trüben Vorurteilen
hiesigen Gewerkschaften besteht. Der erste
nur bestärkt wird, statt daß ihm ein reines
Paragraph besagt, es wird bezweckt, den
Licht der Erkenntnis, wenn auch nur ge¬
Mitgliedern „Kunstwerke aller Gattungen,
fühlsmäßig zunächst, aufginge über alles
insbesondere dramatische, sowie sonstige
Zwiefache der Welt. Und darum hätte ich
Dichtungen und Musikwerke vorzuführen
herzlich gewünscht und hoffe es für die
und zu erläutern". Dieses Programm
Folge, daß man in unserer Volksbühne
liest sich ja so leicht, leuchtet ohne weiteres
mehr und mehr die reinen Kunstwerke,
ein. Aber die Ausführung ist schwer, und
und seien sie immerhin älteren Ursprungs,
schwerer als man denkt. Schon am Grün¬
zum Gewinn weiterer Horizonte, tieferer
dungsabend war deutlich zu spüren, daß
Herzensbildung unter das Volk bringe.
die Mitglieder einer allzu litterarischen
Mit einiger geschickter Kunstpolitik wird sich
Auffassung des Begriffes Kunstwerk ent¬
das, nach und nach, schon machen lassen.
schieden abgeneigt sind, daß sie für ihr
Unser Gärtnerplatztheater, das in den
gutes Geld mit Werken bedacht werden
letzten Jahren unter dem pfiffigen Geschäfts¬
wollen, die gut sind nach ihrem, der Arbeiter
mann und Operettentenor Brackl arg ver¬
Sinn. Ja, es hätte nicht viel gefehlt, s
lumpt ist, wird nun wohl unter Stollbergs
wäre beschlossen worden, daß nicht etwa
Leitung auch wieder hie und da mit An¬
die sieben Männer des Vorstandes, sondern
stand nach Kunst gehen, statt wie bisher
der ganze Verein das Recht der Auswahl
ausschließlich nach Brot. Es wurde mit
üben sollte. Das ist, Gottlob! — verhindert
Rostands langnäsigem Cyrano, wie man
worden. Aber es ist klar, daß nun der
sagt, nicht übel eröffnet.
Vorstand mit dieser Stimmung rechnen
Von einem neuen Theater ist allerhand
muß und der sozialen Anklage=Litteratur
Märchenhaftes zu hören und sogar schwarz
nicht entraten kann. Das ist zu bedauern,
auf weiß zu lesen. Hinter der Prinz¬
denn auch der Arbeiter muß sich daran
regentenbrücke, —
wenn man von ihr als
gewöhnen, vor der Kunst die Parteigefühle
von einem Dinge, das eigentlich nicht da
und =Gesinnungen ganz und gar aus¬
konkret sprechen darf
auf dem
zuschalten, er muß sich als reiner Mensch,
hohen Isarufer, wo Stuck seine neue,
das Dargestellte als rein menschlich empfin¬
unbehaglich kalte, aber antike Villa hin¬
den lernen. Ich sage wohlweislich: er
gebaut hat, wo dem, der München ein
muß das lernen, denn er kann es noch
paar Jahre nicht mehr sah, ein ganzes
nicht, und unsere Freien Bühnen, so ver¬
modern aber geschmackvoll aufgefuhrtes
dienstlich sie gewirkt haben und noch wirken,
Villenviertel freudig aufstoßen wird, dort
haben doch in tausend Köpfen die Irr¬
soll unser Theater zu stehen kommen. Nach
meinung großgezogen, als gäbe es eine
Bayreuther Art, mit Amphitheater ohne
Kunst des vierten Standes, als zöge diese
Ränge, verdecktem Orchester und so weiter
gemeinsam mit der Politik der armen
solls als eine dritte große Hofbühne erbaut
Teufel hinaus in die Zukunft. Diese Mei¬
werden. Nicht als Eigentum der Krone,
nung muß überwunden werden, und tröst¬
Possart pachtet es nur, um Opern und
liche Anfänge dazu sind ja auch schon da.
„große“
Schauspiele darin zu geben,
Bei uns zwar noch nicht, denn Arthur
namentlich an Sonntag=Nachmittagen zu
Schnitzlers „Vermächtnis“ das man
Volkspreisen. Der Plan ist gut, wir wollen
als Eröffnungsvorstellung gab, ist grade
uns seiner freuen. Aber Possart und
eines von den Tendenzstucken, wie ich sie
Volkspreise — es klingt doch gar zu
zur geistigen Erweckung des arbeitenden
märchenhaft.
Volkes lieber nicht verwendet sähe. Was
Eugen Kalkschmidt.