II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 276

10. Das Vernaechtnis box 16/5
—2 Kotl, San Praneisto, Rioch.
(Quellenangabe ohns Gewahr.)
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6 Ausschnitt ausWIENER ABENDPOST
14, NGV. 100R
E vom:
Theater und Kunst.
Im Lustspieltheater kam gestern an einem
literarischen Abend das Schauspiel „Das Ver¬
mächtnis“ von Artur Schnitzler zur Auffüh¬
rung: das schmerzvollste Dra Tod und Ein¬
samkeit in der modernen Literatur; es ist eine Verklä=,
rung des Schmerzes. Der Tod, der nicht bloß Verlust,
sondern Vernichter von Liebe und Leben ist, wird hier
an glücklichen jungen Menschen gezeigt. Drei Akte,
drei Tote. Außerordentlich ist die Durchbildung der
Charaktere. Professor Losatti in seinem Pathos des
aufgeklärten Liberalismus wie der kalte, starre
Pflichtenmensch Dr. Schmidt, der lebenslustige Hugo,
wie die einzelnen Frauenfiguren fließen zu einer künstlerisch
und kulturell ungemein echten Gesellschaftsschilderung zu¬
sammen. Ist die „Liebelei“ noch völlig Gefühls= und Hand¬
lungsdrama, so haben wir hier schon deutlich ein Problem;
der Dichter im Dienste einer Idee. — Das Lustspiel¬
theater ist einer solchen Aufgabe jetzt nicht gewachsen.
Herrn Maran hätte man nicht in die Verlegenheit
bringen sollen, die durchaus wahre, nicht karikierte
Gestalt des Professors spielen zu lassen. Zwei Emp¬
findungen beherrschen ihn: Selbstgesühl und Mannes¬
größe. Herr Maran bekommt den kleinen, ironischen
Ton nicht weg. Auch die Toni der Frau Niese ist
ein Irrtum. Tiefe der Empfindung besitzt sie; wer
weiß es nicht! Aber ihre ganze robuste Lebenskraft
liegt von der Psyche des süßen Mädels weit, weit
ab. Das Ensemble, das sonst noch mittut, ist eine
mit mehr oder weniger Glück verhüllte Verlegenheit.
Sehr sein war indes Herr Lessen und eine gute
Hr.
Figur machte Herr Lukas.
Wun
in Ausschnstblaus: Allgerneine Geitueng, Wricn
vom:

—1908
(Lustspiel=Theatek.) Literarischer Abend. „Das
Vermächtnis.“ Das Proszenium ist schwarz drapiert. Ein
schwarz gekleideter Mann steht da, breitspurig, in unerschütter¬
licher Ruhe. Auf seinem Kopf sitzt ein schwarzer Zweispitz, in
der rechten Hand hält er einen schweren Stab, dessen silber¬
glänzender Knopf mit schwarzem Flor dicht verhüllt ist.
Dreimal hebt er den Arm und ebenso oft wird ein Sarg
vorbeigetragen. Der Mann wendet kaum den Kopf; auch dann
nicht, als der Zug der Leidtragenden an ihm vorüberdefiliert.
Wenn das Klagen und Jammern gar zu arg wird, dann
gähnt er tüchtig ... Unter dieses imaginierte Vorspiel wären
die Worte zu setzen: Die Stellung des Dichters zu seinem
Weike
Man hat gestern im Rahmen eines „literarischen
Abends“ Arthur Schnitzlers „Vermächtnis“ zur Auf¬
führung gebracht. Diese vrer=Akte, die der Dichter gleichsam
in eine riesige Faust gebenet hat, deren grausam
harte Finger sich unerbinlich schließen; immer mehr, immer
fester, bis sie ganz geschlossen sind und dabei drei Menschen
zerdrückt, drei Schicksale zerbrochen haben. Unaufhörlich fließen
die Tränen, die Trauer, die durch dieses Stück wie eine große
schwarze Fahne wehl, ist ohne Ende. Während die Klagen um
den toten Sohn langsam verstummen wollen, senkt sich bereits
der Schatten über das Kind. Als der Vorhang zu letztenmal
hochgeht und der namenlose Schmerz über das t###ind nock
alle bedrückt, zieht der Dichter die unerbittliche letzte Konsequen,
und die Mutter kommt an die Reihe; nichts bleibt uns er¬
spart. Kaum Einer, der in diesem Stück auch nur eine graue
Kravatte trüge; alles in Schwarz. Man fröstelt ordentlich
Keiner tut einen ordentlichen Schritt, alles schleicht; eine
schiebt sich am anderen vorbei: keiner spricht, es wird aus
nahmslos geflüstert, stets schwebt die Regiebemerkung: (mit
tränenerstickter Stimme) in der Luft. Der Dichter ist mitleids¬
los bis zum Ende; die Sonne tritt nicht einmal für einen
Augenblick hinter den Wolken hervor. Zu all dem noch ein
übriges: die Niese spielt die Toni Weber. Diese unver¬
gleichliche Schausvielerin, deren Stimme ein Wunder ist. Die
Siese war erschütternd; sie riß einem das Herz aus der Brust.
Wie sie die ganze Skala des Frohsinnes beherrscht, so ist es
auch mit der Trauer. Für die leiseste Rührung bis zum
wildesten Schmerz stehen ihr Mittel des Ausdruckes zur Ver¬
fügung, die unbeschreiblich sind. Und so gaben Stimme,
Blick und Bewegung dieser seltenen Frau einen Akkord namen¬
losesten Wehs, den man, einmal gehört, nicht mehr vergessen
kann. Herr Maran als Professor Losatti. Dort, wo die Rolle
leise parodistische Töne zuließ, von bester Wirkung. Sonst wohl
etwas zu wenig würdig. Fräulein Gerzhofer verfügt über
einen einfachen, warmen Ton und hatte hübsche Momente.
Herr Forster etwas zu fahrig; auch mag er sich vor zu
raschem Tempo und damit verbundenen Undeutlichkeiten im
Affekt in acht nehmen. Die übrigen Leidtragenden taten ver¬
dienstlich mit.
p. f.