II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 287

box 16/5
10. Das Vernaechtnis
P
#sausmanlam
lich dargestellt. Else Maltana als Frau
Losatti, eine tüchtige, vornehme Sprecherin,
Theater And Kunst.
Kamilla Gerzhofer als Franziska, ein jun¬
ges und, wie es scheint, bedeutendes Talent.
k. s. Lustspieltheate. Gestern sah man hier
Fräulein Neuwirth als kleine Aques von
„Das Vermächtnis“, jenes Schauspiel von
entzückender Mädchenhaftigkeit, Herr Forster
Artur Schnitzler, das vor etwa zehn Jahren
als Dr. Schmidt einfach ein Typus, Herr
zum ersm Burgtheater erschienen ist.
Lucas ebenfalls einer: der junge Mann aus
Wieder hat gestern dieser meisterhaft aufgebaute
guter Familie, Herr Kurt Lessen in der
Expositionsakt alle Hörer bis zu Tränen er¬
Exisode des Arztes einfach burgtheaterfähig.
schüttert, und wieder verließ man zuletzt mit
Und die ganze Aufführung in einem so natür¬
einem Gefühl des Niedergeschmettertseins, mit
lichen, so diskreten und feinen Sprechton voll
einem Gefühl der Verstörtheit das Theater.
intimster Reize, daß kein einziges Wort auch
Dieser Angriff gegen eine bürgerliche Welt,
nur entfernt störte, keine einzige Note falsch
unter deren Lüge und Verrottung wir alle
klang. Mit solch einem Personal und mit solch
seufzen, diese Demaskierung einer feigen, in
einer Regie ließe sich vieles ausführen; und
ihren Wurzeln angefaulten, elenden Gesell¬
es scheint, als habe Herr Jarno heimlich ge¬
schaft, in deren Atmosphäre jede zartere Blüte
rüstet, um einen neuen künstlerischen Feldzug
des Menschentums hinwelkt, dieses ganze
zu führen. Um so besser, wenn er's wirklich tun
erbarmungslose, vollkommen in grauen Zorn
will. Herr Maran hat den Losatti gespielt
gehüllte Schauspiel wird seine Wirkung nie¬
und Frau Niese die Toni Weber. Wie weit
mals verfehlen, solange alle seine Voraus¬
ist dieser Maran, der glanzvolle Charakter¬
setzungen noch gegeben sind. Und die dürften
*
darsteller, von dem Maran der franzosischen
noch lange bestehen. Mag sein, daß manche
Posse, den wir nun schon kennen. Diesen aber
dramatische Schwäche an dieser Arbeit
kennen wir noch nicht, jedenfalls noch nicht
mehr und mehr zutage tritt, daß sich manche
Konstruiertheit mehr und mehr fühlbar macht
genug. Daß er mit einer Silbe, mit einer
Handbewegung, mit einem Blick eine ganze
die Menschen, die Artur Schnitzler hier ge¬
formt hat, werden dafür immer lebendiger.
Seele zu enthüllen vermag, haben wir noch
nicht gewußt; wenigstens lange nicht mehr
Was für plastische, was für wahrhafte, wunder¬
wissen können. Und wie herrlich die tragische
voll angeschaute und anschaulich gezeichnete Ge¬
Gewalt der Niese ist, wie viel menschliche Fülle
stalten sind das! Dieser freisinnige Schwätzer
ihr Ton birgt, wie viel Tiefe und Anmut und
Losatti, dieser proletarische Dr. Schmidt, diese
Reichtum ihr Wesen besitzt. Das ist freilich
Franziska, diese kluge Frau Winter und der
seit ihrer Rose Bernd noch unvergessen, aber
arme Hugo, den man im ersten Akt sterben
wie lange mag das schon her sein, seit wir
sieht, dessen Chiratter sich aber dann so deut¬
daran erinnert wurden. Wenn dieser gestrige
lich aufrollt, als gehe er noch leibhaftig durch
Abend einen neuen Anfang bedeutet, dann
das Stück bis ans Ende. Die Darstellung, die
haben wir wieder zwei große Künstler mehr in
man gestern sah, war ungefähr das Beste, was
Wien. Wenn aber dieser gestrige Abend nur
die Jarnoschen Bühnen bisher geleistet haben.
vereinzelt bleibt, dann wissen wir wenigstens,
Alle kleinen, auch alle kleinsten Rollen vortreff¬
daß zwei große Künstler ihren edelsten Wert
in der Posse vergenden müssen. Und unsere
Teilnahme begleitet sie, von ferne, bei ihrer
Robött.