II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 290

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10. Das Verngechtnis
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Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Aussehnitte
„OBSERYEP“
Nr. 92
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Ausschnitt aus: Dar A UI., C800, Ded han
vomi ##/1 (905
in Plagiat?
Im ersten Aprilheft des „Litterarischen Echos“
(Sp. 941) wird der Verdacht ausgesprochen, daß das
—Drama „La Vedova“
(„Die Witwe“) von Renato
Simoni, das in Mailand und anderen großen italieni¬
schen Städten einen starken Erfolg errungen hat, ein
Plagiat von Arthur Schnitzlers „Vermächtnis“ sei.
Dieser Verdacht wird damit begründet, daß sich der In¬
halt des italienischen Stückes auffallend genau, den
Schluß ausgenommen, mit dem des deutschen Stückes
decke. „La Vedova“ liegt nun in den Heften 4 und 5
der von G. Giacosa herausgegebenen Zeitschrift „In
Lettura“ gedruckt vor. Ein Vergleich der beiden Stücke
ist also leicht und macht den Nachweis mühelos, daß
von einem Plagiat absolut nicht die Rede sein kann.
Der Inhalt von Simonis Stück ist kurz folgender: Nach
clusive

dem Tode des Soynes, der gegen den Willen der Eltern
Porto.
auswärts geheiratet he“ kommt die Witwe in das Haus
Zahlbar
der Schwiegereltern, die sie ungern und nur aus Pflicht¬
im Voraus.
gefühl aufnehmen, da sie in dürftigen Verhältnissen
zurückgeblieben ist. Die Unwillkommene gewinnt bald
ätte ist das
durch ihr heiteres Wesen das Herz des Schwiegervaters,
steht es den
während die Schwiegermutter sich hartnäckig gegen sie
indern.
Ab
ithaltend die
Morgen¬
verschließt in stillem Groll der Eifersucht auf das An¬
Inl
ner Zeitung)
denken des Toten. Unter dem Einfluß der jungen Frau
Irthschaftliche
verändert sich die Atmosphäre im Hause, das sie mit
1. Diese Mit¬
ihrer frischen Jugend erhellt. Im Gegensatz zu der
starren freudlosen Natur der Schwiegermutter beginnt
1n0
sie ein neues Leben in den stillen Räumen der alten
Leute hervorzurufen, diese zu pflegen und ihre Einsam¬
keit durch geselligen Verkehr zu zerstreuen. Aber während
der Schwiegervater sich willig aufrichten läßt, beharrt
seine Frau in ihrer mißtranischen Abneigung gegen die
junge Frau, der sie es nicht verzeihen kann, daß der
Sohn sie mehr liebte als das Elternhaus. Ein Freund
bewirbt sich um die junge Witwe, und als sie nach drei
Jahren ihm folgt, klagt der Vater über ihren Undank,
die Mutter dagegen triumphiert, daß die Trauer um
den Sohn ihr hinfort allein gehöre. — Sehen wir nun
das schnitzlersche Schauspiel an, so ist die Fabel wesentlich
verschieden. Der Sohn stürzt vom Pferde, wird sterbend
in das Vaterhaus gebracht und hinterläßt als „Ver¬
mächtnis“ den Eltern die Fürsorge um die Geliebte und
sein uneheliches Kind. Dieser letzte Wunsch des Sohnes
wird erfallt, die Verlassene ausgenommen, und man
gönnt ihr einen Platz, solange das Kind da ist, auf
das die Familie alle Liebe für den Verstorbenen über¬
trägt. Als es plötzlich stirbt, fühlen die Eltern jedes
Band mit der jungen Frau zerrissen, und die gesell¬
schaftlichen Opfer erwägend, die ihnen das ungewöhnliche
Verhältnis auferlegt, vergessen sie das Versprechen an
den Toten, ziehen sich zurück und drängen dadurch die
Verlassene in den Tod. —
Charaktere, Sitnationen und
psochologische Auffassung weichen in beiden Stücken ganz
von einander ab, nur die oberflächlichen Umrisse haben
eine entfernte Aehnlichkeit. „Lu Vedlova“ ist in venetia¬
nischem Dialekt geschrieben, und der große Erfolg des
Stückes beruht zumeist auf der ausgezeichneten Milien¬
schilderung und dem meisterhaft durchgeführten letzten Akt.
Dresden.
E Locella.—