II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 305

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10. Das Vernaechtris
Telephon 12.801.
„ODSEIVEN
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungz¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christlania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
Qnellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Agliche Hundschau, Berlin
16.001.1011
vom:
Theater und Musik.
Neuee Volke-Cheater.
Es wurde wieder vortrefflich gespielt. Nichtsdesto¬
weniger bleibt es fraglich, ob die Mitglieder der Neuen
Freien Volksbühne durch die Wahl von Schnitzlers
„Vermächtnis“ sich beglückt fühlten. Hu#
fraglich ist es, daß sie ganz recht hätten,sch er¬
freulichere Stücke vorstellen könnten. Unrecht hat gewiß
die niemals völlig auszurottende Partei derjenigen
Volksbühnler, die unter allen Umständen ein lustiges
Schauspiel einem ernsten vorziehen. Der ausdauernde
Kampf, den die Leitung der „Neuen Freien“ gegen diese
rückständige Kunstauffassung führt, verdient ohne Zweifel
entschiedene Anerkennung. Wenn aber Schnitzlers trübstes,
sentimentalstes Familienstück als auserwählte Kunst dem
Volke vorgeführt wird, weil eine volkstümlich=gemeinplätz¬
liche Tendenz gegen gesellschaftlichen Hochmut darinnen
steckt, so ist das nicht gutzuheißen.
Es wurde, wie gesagt, wieder vortrefflich gespielt. Nur
hätte der Spielleiter (A. E. Licho) das Tränenmeer des
ersten Aktes eindämmen sollen, statt ihm liebevoll noch
weitere Ausdehnung zu geben. Johannes Riemann
führte die aktlange Sterbeszene mit guter Einfachheit er¬
greifend durch. Jella Wagner (die nur beim ersten Auftreten
heftiger erschüttert sein müßte) war ein echtes Wiener Mädel
aus dem Volk. Elisabeth Huch ließ die Ueberflüssigkeitz
der Schwägerin, die sie zu repräsentieren hatte, vergessen
Von den übrigen Mitspielern halfen Martha Angerstein:
Robert Müller, Hermann Pfanz, Maximilian Sladek
in guter Haltung, das schmerzliche Spiel einem glimpflichen
97 00
Ausgang entgegenführen.
Telephon 12.801.
„OBOLMVEK
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.!
Ausschnitßesdiner Local Anzeiger
10001.1911
vom:
. n Wr Mile freie Voltsbühne brachte
gestern (Montag) Arthur Schnitzlers dreiattiges
Schauspiel „Das Bermächtnis“ zur Auf¬
führung. Gerade 13 Jahre sind verflossen, seit¬
dem das Stück, in dem so viel triurige Stim¬
mung und so wenig tragische Kraft, so viel Ge¬
sinnung und so wenig Handlung steckt, im Deut¬
schen Theater zum ersten Male meisterhaft gespielt
und achtungsvoll ausgenommen wurde. Die Ge¬
schichte von dem seltsamen Vermächtnis, das ein
überaus braver Jüngling, der eben vom Pferde
gestürzt, den überraschten Eltern übergibt und
sie bittet, seiner Geliebten und seinem Kinde, von
denen sie bisher keine Ahnung hatten, eine Heimat
zu gewähren, hat mit den Jahren kaum an Reiz
gewonnen, ja man empfindet heute mehr wohl noch
als früher, daß nach dem peinvoll ergreifend ein¬
getzenden ersten Akt, der Schnitzlers ganze Meister¬
schaft in stimmungsvoller Detailmalerei zeigt, die
weiteren Aufzüge nur von teils klugen, teils emp¬
findsamen Worten leben und reich an allerlei
Verlegenheitswendungen sind, die dazu dienen
müssen, daß die arme, in Gnaden ausgenommene
Toni regelrecht wieder verstoßen wird, nachdem
ihrem Geliebten auch ihr Kind in den Tod gefolgt.
empfängliche
das
Ich glaube, auch
Publikum der Neuen freien Volksbühne empfand
gestern dieses merkwürdige Versanden einer
fruchtbaren tragischen Idee und hielt sich
ganz an die Gesinnung, die so ehrlich die Moral¬
heuchler bloßstellt und für das mißhandelte Mäd¬
chen Partei ergreift. Mit der Darstellung
konnte man zufrieden sein, wenn es auch in der
Erinnerung an die einstige Aufführung im Deut¬
schen Theater mit Rittner, Reicher und Else Leh¬
mann viel zu überwinden galt. .. Den sterben¬
den Jüngling gab Johannes Riemann ohne reali¬
stische Mätzchen wirklich ergreifend, für die un¬
glückliche Toni fand Jella Wagner den schlichten
Ton ehrlicher Empfindung und die bestgezeichnete
Figur, den aufgeblasenen Familienvater mit
seinem Reichtum an verlogenen Phrasen und
wahrer Herzenskälte, spielte Robert Müller mit
diskreter Charakteristik. Als fein empfindende
Künstlerin voll innerlicher Kraft erwies sich wie¬
der Annalise Wagner und den bösen Geist des
Hauses, den „korrekten“ Herrn Dr. Ferdinand¬
Schmidt hielt Maximilian Sladek geschickt und
taktvoll von allem äußerlichen Intrigantentum
frei. Direktor Lichos Regie zeugte, wie immer,
von Verständnis und künstlerischer Sorgfalt, die
freilich das Tempo ein wenig verschleppten und
nicht nur die Stimmung, sondern auch die Stim¬
men gar zu sehr dämpfen ließ.