ne Kakadu
D
9. 3 FFICen
box 15/2
Telephon 12801.
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Tork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausWENER ABENDPOST
vom:
Theater und Kunst.
Das Drltsche Volkstkeater hat Samstag 2
den „Je#örschenen, K### hon Kleist und g.
den „Gtütn S##ler ge¬
spielt. Eine Letwas seltsame Kuppelung. Der „Zer-g
brochene Krug“ ist das Satyrspiel zum „König
Die Selbstverwicklungs=Katastrophe des
Oedipus“.
schuldigen Richters: unwissend-tragisch, wissend=komisch!
Verhüllte Geschehnisse, in inquisitorische Schein¬ 2
handlung umgesetzt, rollen vor unseren Augen ab, ein
Schleier um den andern wird weggezogen. Kleist hat
selbst dn „Oedipus“=Zusammenhang empfunden.
Die Darstellung seines Lustspieles gehört zu den
schwierigsten Aufgaben der deutschen Schauspielkunst.
Es verlangt die feinste dialektische Ausarbeitung des
Derbkomischen, das beweglichste Einzel= und das
genaueste Zusammenspiel. Ein Sprecher fängt dem
andern das Wort vom Munde ab. Die behaglich aus¬
malende Breitspurigkeit des Werkes gehört mit zu seiner
Komik. Seine Länge soll komisch wirken. Wegen eines
Kruges so viel Wesens und Geschrei! Und das ganze
Stück hinkt, wie Ludwig Speidel einmal sagte, sehr
sicher seinem Ziele zu. ... Diesmal blieb der Ein¬
druck noch hinter geringen Erwartungen zurück, ob¬
wohl der neue Regisseur Herr Richard Vallentin
in zahlreichen scharfen Proben abermals seine rührige
Berliner Intelligenz, seinen auslegenden Scharffinn
und seine resolute Reinhardt=Routine der Dichtung
zur Verfügung gestellt hatte. Herrn Höfer, dem
der Richter Adam anvertraut war, konnte er nicht
zum Komiker machen, ihm Humor einblasen. Herr
Höfer ist etwa der dritte Wiener Richter Adam des
fast hundertjährigen Stückes. Der erste war La Roche,
der die Figur ganz auf lüsterne Sinnlichkeit und er¬
finderische Durchtriebenheit stellte und unerschöpfliche
komische Wirkung aus der angenommenen scheinbaren
Ruhe des Angeklagten auf dem wackeligen Richter¬
stuhle zog. Diesen Richterstuhl umgab er nicht
einmal mit einem Geländer, stellte ihn auch auf kein
Podium. Er mußte immer im Husch bei seinem
Herzens=Evchen sein, ihr zuflüstern, in sie hinein¬
tuscheln, gierig=begehrlich, und aus den erwachsenden
Verlegenheiten holte der schlaue Fuchs nur immer
neue Ausflüchte und unerschöpfliche Ränke. Lewinsky,
sein Nachfolger im Amte, war viel gravitätischer und
hatte den Puffendorf wirklich gelesen. Sein Adam
stand neben Argan und Maitre Pathelin. Herr Höfer,
als dritter, wird in dieser Rolle schwerlich berühmt
werden. Es gebrach ihm sogar an der mimischen Aus¬
drucksfähigkeit. Gut war dafür Herr Amon,
Schreiber Licht, ein verkaiffener Federfuchser mit nach
innen verschlagener Schadenfreude, ein falsch be¬
scheidener, süß demütiger, auf seinen Vorteil
submissest bedachter Amtsanwärter. Herr Weiß
spielte den Gerichtsrat maßvoll und überlegen,
Herr Birron den Ruprecht kernhaft knorrig.
Frl. Galafrés, Evchen, sah hübsch aus.
Schade, daß sie vergaß, das derbe Bauernmädchen
vorzustellen. Frau Thaller, Marthe, sollte sich
einmal studienhalber eine keifende alte Bäuerin an¬
D
9. 3 FFICen
box 15/2
Telephon 12801.
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Tork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausWENER ABENDPOST
vom:
Theater und Kunst.
Das Drltsche Volkstkeater hat Samstag 2
den „Je#örschenen, K### hon Kleist und g.
den „Gtütn S##ler ge¬
spielt. Eine Letwas seltsame Kuppelung. Der „Zer-g
brochene Krug“ ist das Satyrspiel zum „König
Die Selbstverwicklungs=Katastrophe des
Oedipus“.
schuldigen Richters: unwissend-tragisch, wissend=komisch!
Verhüllte Geschehnisse, in inquisitorische Schein¬ 2
handlung umgesetzt, rollen vor unseren Augen ab, ein
Schleier um den andern wird weggezogen. Kleist hat
selbst dn „Oedipus“=Zusammenhang empfunden.
Die Darstellung seines Lustspieles gehört zu den
schwierigsten Aufgaben der deutschen Schauspielkunst.
Es verlangt die feinste dialektische Ausarbeitung des
Derbkomischen, das beweglichste Einzel= und das
genaueste Zusammenspiel. Ein Sprecher fängt dem
andern das Wort vom Munde ab. Die behaglich aus¬
malende Breitspurigkeit des Werkes gehört mit zu seiner
Komik. Seine Länge soll komisch wirken. Wegen eines
Kruges so viel Wesens und Geschrei! Und das ganze
Stück hinkt, wie Ludwig Speidel einmal sagte, sehr
sicher seinem Ziele zu. ... Diesmal blieb der Ein¬
druck noch hinter geringen Erwartungen zurück, ob¬
wohl der neue Regisseur Herr Richard Vallentin
in zahlreichen scharfen Proben abermals seine rührige
Berliner Intelligenz, seinen auslegenden Scharffinn
und seine resolute Reinhardt=Routine der Dichtung
zur Verfügung gestellt hatte. Herrn Höfer, dem
der Richter Adam anvertraut war, konnte er nicht
zum Komiker machen, ihm Humor einblasen. Herr
Höfer ist etwa der dritte Wiener Richter Adam des
fast hundertjährigen Stückes. Der erste war La Roche,
der die Figur ganz auf lüsterne Sinnlichkeit und er¬
finderische Durchtriebenheit stellte und unerschöpfliche
komische Wirkung aus der angenommenen scheinbaren
Ruhe des Angeklagten auf dem wackeligen Richter¬
stuhle zog. Diesen Richterstuhl umgab er nicht
einmal mit einem Geländer, stellte ihn auch auf kein
Podium. Er mußte immer im Husch bei seinem
Herzens=Evchen sein, ihr zuflüstern, in sie hinein¬
tuscheln, gierig=begehrlich, und aus den erwachsenden
Verlegenheiten holte der schlaue Fuchs nur immer
neue Ausflüchte und unerschöpfliche Ränke. Lewinsky,
sein Nachfolger im Amte, war viel gravitätischer und
hatte den Puffendorf wirklich gelesen. Sein Adam
stand neben Argan und Maitre Pathelin. Herr Höfer,
als dritter, wird in dieser Rolle schwerlich berühmt
werden. Es gebrach ihm sogar an der mimischen Aus¬
drucksfähigkeit. Gut war dafür Herr Amon,
Schreiber Licht, ein verkaiffener Federfuchser mit nach
innen verschlagener Schadenfreude, ein falsch be¬
scheidener, süß demütiger, auf seinen Vorteil
submissest bedachter Amtsanwärter. Herr Weiß
spielte den Gerichtsrat maßvoll und überlegen,
Herr Birron den Ruprecht kernhaft knorrig.
Frl. Galafrés, Evchen, sah hübsch aus.
Schade, daß sie vergaß, das derbe Bauernmädchen
vorzustellen. Frau Thaller, Marthe, sollte sich
einmal studienhalber eine keifende alte Bäuerin an¬