II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 87

ruene Kakadu
Der
9. J 4 ene ense e 1
box 15/2
geralterre
andern das Wort vom Munde ab. Die behaglich aus¬
malende Breitspurigkeit des Werkes gehört mit zu seiner
Komik. Seine Länge soll komisch wirken. Wegen eines
Kruges so viel Wesens und Geschrei! Und das ganze
Stück hinkt, wie Ludwig Speidel einmal sagte, sehr
sicher seinem Ziele zu. ... Diesmal blieb der Ein¬
druck noch hinter geringen Erwartungen zurück, ob¬
wohl der neue Regisseur Herr Richard Vallentin
in zahlreichen scharfen Proben abermals seine rührige
Berliner Intelligenz, seinen auslegenden Scharfsinn
und seine resolute Reinhardt=Routine der Dichtung
zur Verfügung gestellt hatte. Herrn Höfer, dem
der Richter Adam anvertraut war, konnte er nicht
zum Komiker machen, ihm Humor einblasen. Herr
Höfer ist etwa der dritte Wiener Richter Adam des
fast hundertjährigen Stückes. Der erste war La Roche,
der die Figur ganz auf lüsterne Sinnlichkeit und er¬
finderische Durchtriebenheit stellte und unerschöpfliche
komische Wirkung aus der angenommenen scheinbaren
Ruhe des Angeklagten auf dem wackeligen Richter¬
stuhle zog. Diesen Richterstuhl umgab er nicht
einmal mit einem Geländer, stellte ihn auch auf kein
Podium. Er mußte immer im Husch bei seinem
Herzens=Evchen sein, ihr zuflüstern, in sie hinein¬
tuscheln, gierig=begehrlich, und aus den erwachsenden!
Verlegenheiten holte der schlaue Fuchs nur immer
neue Ausflüchte und unerschöpfliche Ränke. Lewinsky,
sein Nachfolger im Amte, war viel gravitätischer und
hatte den Puffendorf wirklich gelesen. Sein Adam
stand neben Argan und Maitre Pathelin. Herr Höfer,
als dritter, wird in dieser Rolle schwerlich berühmt
werden. Es gebrach ihm sogar an der mimischen Aus¬
drucksfähigkeit. Gut war dafür Herr Amon,
Schreiber Licht, ein verkaiffener Federfuchser mit nach
innen verschlagener Schadenfreude, ein falsch be¬
scheidener, süß demütiger, auf seinen Vorteil
submissest bedachter Amtsanwärter. Herr Weiß
spielte den Gerichtsrat maßvoll und überlegen,
Herr Birron den Ruprecht kernhaft knorrig.
Frl. Galafrés, Evchen, sah hübsch aus.
Schade, daß sie vergaß, das derbe Bauernmädchen
vorzustellen. Frau Thaller, Marthe, sollte sich
einmal studienhalber eine keifende alte Bäuerin an¬
hören. Diesen Reichtum an Gurgel=, Gaumen= und
Fisterltönen, die Flucht, der Stimme duch alle
Register, die skandierende Deutlichkeit der Haupt¬
punkte!... Der Regisseur hatte zum Vorteile des
Ganzen Menzels Bilderschatz in Theater umgesetzt.
An den Fenstern der über's Eck gerückten Gerichts¬
stube lugte neugierig sich drängelndes Bauernvolk
herein und draußen breitete sich eine hell besonnte
holländische Schneelandschaft aus. — Großen Erfolg
fanden Vallentins Regiekünste im „grünen Kakadu“,
in dem Schein und Wahrheit das sinnreichste
Versteckspiel miteinander aufführen. „Wirklichkeit
geht in Spiel über — Spiel in Wirklichkeit.
Überall blitzt etwas Wirkliches durch, das ist ja
das Entzückende. Es ist wie Kette und Einschlag.
Der Dichter warnt selbst: „Denken Sie nicht nach
über das, wach ich sage: Es ist alles nur im selben
Augenblicke wahr.“ Das Überbrettel der großen Re¬
volution wurde von allen trefflich einexerzierten Dar¬
stellern lebensvoll verwirklicht. Herr Kramer spielte
den Komödianten Henri, der Bajazzo, Tabarin, Kean
und Narziß ist, in der weißschwarzen Maske des
Robertschen Pausanias, Frl. Lißl die mannstolle
Marquise im besten Adele Sandrock=Stile und Herr
Russeck, Prospère, einen niederösterreichischen Wein¬
wirt, der erst Heurigen und dann Sturm ausschenkt.
Eine seltene, von Reuetränen übertaute Zuchthaus¬
pflanze war Herr Homma als gefühlvoller Strolch.
Die schlechten Komödianten im Stücke machten ihre
Sache prächtig, sie griffen offenbar auf frühere Vor¬
stellungen in diesem Hause zurück, die jetzt glücklicher¬
weise nicht mehr möglich sind. Der Dichter wurde oft
herausgerufen.