II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 89

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Fruene Kakadu
9.3. Der
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Telephon 12801.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Teitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minnenpolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quallenangabe ohme Gewihr.)
Ausschnitt## Allgerneine Zeitung, Wien
17.10.1905
vom:
Theater, Kunst und Literatur.
Wien, 16. Oktober.
(Deutsches Volkstheater.) „Der zer¬
sbrochene Krug Der ganz Ferbrochene Krug. Man hat
ihm im Deutschen Volkstheater noch wesentliche Stücke fort¬
geschlagen. Die wunderschöne Beschreibung seiner üppigen Pracht
war auf ein ganz Geringes reduziert. Wer diesen weitschweifigen
gerührten Nekrolog den Frau Marthe ihrem geliebten Krug
hält, als „Länge“ empfindet, versteht die innige Laune des
Kleistschen Lustspieles schlecht. Die Länge ist wohl da, aber
eine äußerst reizvolle, bedingte, charakteristische, unerläßliche
Länge. Eine Länge nach innerlicher Notwendigkeit, die eine
dem Geist der Komödie nachspürende Regie ängstlich bewahren
müßte. Da zu kürzen ist ein ähnlicher Geniestreich, wie es
jetwa einer wäre, dem Habakuk die Worte: „Ich war zwei
Jahr in Paris“ herauszustreichen, weil er das gar zu ost
sagt. Im Volkstheater hat man den „Zerbrochenen Krug“ ats
tinematographisch bewegtes Genrebild inszeniert. In gutem
Tempo, aber ein wenig steif und ruckweise flossen die Bühnen¬
bilder in einander über. Die ganze Aufführung war: saftlos.
Humor, das heißt bekanntlich Feuchtigkeit. Die fehlte durchaus.
Kleistsche Lustigkeit ist ja gewiß nicht possenhaft, hat immer
einen dunklen Fond; es ist stets irgendwie Nacht ringsum, wo
Kleistsche Heiterkeit strahlt. Aber Herr Höfer ist doch gar
zu seriös komisch. Sein Dorfrichter Adam war höchstens eine
klägliche, vielleicht lächerliche Figur, keine lustige. — Dann
„Der grüne Kakadu“, die witzige Groteske von Arthur
Schnitzler, welche nicht gewinnt, wenn man sie östers sieht.
Man merkt dann die Monotonie des Einfalles, der so behaglich
breit phrasiert und paraphrasiert ist, und empfindet die geniali¬
sche Verschlingung von Spiel und Wirklichkeit, wenn auch mit
glänzendem Geschick besorgt, doch als einen auf kältestem Weg
des Kalküls erzeugten, konstruierten Theater=Spaß. Von dem
berühmten, historischen frisson, der einem bei dieser Revolutions¬
geschichte überlaufen soll, von dem ebenso berühmten Atem
der Weltgeschichte, der geisterhaft über's Antlitz des Zuhörers
zu streichen hat, habe ich diesmal gar nichts gespürt. Welt¬
geschichte als Dekoration, 1789 als roter Hintergrund, mehr
nicht. Prächtig war Herr Homma als Strolch. Herr Vallentin,
der Regisseur, hat an der Schnitzlerschen Grotgske sein Bestel
geleistet. Es war so viel Buntheit, Lebendigkeit und dramati
'scher Zug in der Sache, daß das Publikum von dem Wirbel
der Bühnenbewegung förmlich mitgepackt, und, beifalltobend,
vor han Dichter geschloift wirde.
„D
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewshr.)
REICHSPOST, WIEN
Ausschnitt aus:
17. 10. 190
vom:
Deutsches Volkstheater. Besser konnte
dem Publikum die gähnende Kluft zwischen der
Kunst unserer Alten und den Leistungen der
Gegenwartsdekadenze nicht demonstriert werden,
als es durch die Aufführung der beiden Einakter
„Der zerbrochene Krug“ von Kleist und „Der 5
grüne Kakadu“ von Schnitzler am letzten Samstag
geschah. Kleist und Schnitzler! Wenn Wilhelm
v. Schlegel mit seiner Behauptung im Rechte ist,
daß das Komische darin liege, daß zwei Unver¬
E
gleichbare Dinge zwangsweise mit einander ver¬
glichen werden, dann hat die Direktion des
Deutschen Volkstheaters durch Nebeneinander¬
stellung der beiden Autoren — der Name „Autor“
kann füglich für Schnitzler ebenso gebraucht
werden wie für Kleist — für die Fröhlichkeit des
Abends nicht minder gesorgt als die Darsteller.
„Der zerbrochene Krug“ hat den Kritikern, von
Goethe angefangen bis herauf in die jüngste Zeit,
viel Kopfzerbrechen gemacht. Der Einakter wollte
in so gar keinen der vielen Schablonenkrüge passen.
Und doch vermochte ihn kein Kopfschütteln
der Kritik umzubringen, mit solch dichterischer
Schöpferkraft hat Kleist das tragikomische Geschick
des schurkischen Richters von Huisum verewigt,
im wahrsten Sinne des Wortes verewigt. Die
Darstellung war eine recht gute, nur war das
Tempo stellenweise ein gar zu rasches. Die Hand¬
lung ist schon selbst so konzentriert und eilt mit
so pfeilgeschwinder Konsequenz dem Schlusse zu,
daß sie einer Nachhilfe durch eine sich überstürzende
Wiedergabe nicht bedarf. Bei aller Urwüchsigkeit des
Ausdruckes, der nie schwächlich umgeht und umschreibt,
was mitgeteilt werden soll, bei aller Wucht der
Charakteristik, enthält der Einakter so viele Fein¬
heiten, daß die Darstellung in der Betonung der¬
selben nicht freigebig genug sein kann, soll das
Publikum nichts überhören. Frl. Elsa Galafrés
(„Eve“) überragte die übrigen Darsteller um
Haupteslänge. Höfers „Dorfrichter Adam“ war
gut gezeichnet, aber der grandiose Humor dieser
Rolle kam stellenweise nicht recht zum Durch¬
bruch. Die Damen Kathi Thaller (Marthe Rull)
und Schweighofer (Frau Brigitte) und die
Herren Amon (Schreiber Licht) und Birron
(Ruprecht) wurden ihren Rollen vollauf gerecht. Alles
in allem: Eine Vorstellung, die der Spielleitung
Pallentins zur Ehre gereicht und recht viele Wieder¬
holungen verdient. — Und nun „Der grüne Kakadu“
Eine Groteske“ nennt Schnitzler dieses vom
Burgtheater abgelegte Stück. Ein Pariser Nacht¬
lokal zur Zeit der Erstürmung der Bastille, be¬
setzt mit einem Gefindel aus den obersten und
untersten Zehntausend, mit Halbwelt, Dieben und
Revoluzzern — ja eine Groteske“ mag das
sein. Studenten würden das ganze einen minder
geglückten Fuchsenulk taufen. Die erste Hälfte ist
unendlich leer und langweilig, eine Summe wert¬
losen und gleichgültigen Geschwätzes, das auch
vom tollen Dauergeschrei des Schlusses nicht mehr
ungeschehen gemacht werden kann. Das hübsche
Motiv, daß aus Späßen blutiger Ernst werden
werden kann, wurde schon vor Schnitzler besser
und mit weniger Lärm verwendet. Die Dar¬
stellung der „Groteske“ war übrigens eine so
vollendete, daß das Publikum richtig hereinfiel
und auch den Autor hervorklatschte. Die Damen
Galafrés und Lißl, die Herren Homma, Jensen
und Krämer schufen Gestalten, wie man sie im Leben
nicht lebenswahrer treffen dürfte.
pt.