box 15/2
Kakadu
ruene
Der
9. 3 enennenenete eten u
Ungarisches Theater.
Von Ernst Goth.
(l. „Der grüne Kakadu“ („A zöld kakadu“). Groteske in
einem Akt von Arthur Satl
Bpese 2. April.
Sehr spät gelangt das dramatische Schaffen Arthur
Schnitzlers auf unsere Bühnen. So spät, daß dem breiteren
Theaterpublikum eigentlich ein Dichter vorgeführt wird, den
es nicht mehr gibt. Oder ist der ironische Melancholiker, der
die Anatol=Szenen schrieb und die innig schlichte Tragik der
„Liebelei“ ersteh#n ließ, wirklich der Schöpfer des „Einsamen
Weges“? Er ist es; doch nur in dem Sinne, als auch der
Mann derselbe ist, der er als Kind, als Jüngling war. Und
wenn man nun jenen Werken wiederbegegnet, die wie Jugend¬
bildnisse seiner dichterischen Persönlichkeit anmuten, so ist es
reizvoll und aufschlußreich, dort die ersten Spuren seiner
heutigen Physiognomie zu entdecken. Vieles, was nach mancher
Wandlung neu und überraschend dünkte, ist hier zart und
unausgereift schon erkennbar. Schrittweise ist der weite und
stets aufwärtsführende Weg dieses Dichters zu verfolgen. Und
schrittweise erstarkt auf diesem Wege der Hang zu skeptisch
müder Weltbetrachtung. Fast scheint es, als sei aus diesem
Punkte das Organische, Notwendige seines Werdeganges zu
erfassen. Im Mittelpunkte seines Denkens steht immer das
tausendfach wandelbare Spiel der Geschlechter. Im Mittel¬
punkte seines Fühlens aber steht immerdar die Skepsis. Sie
blickt ihm gleich anfangs über die Schulter. Schon im „Anatol“
ist sie vernehmbar. Nur achtete man ihrer damals noch nicht.
Uebersah die schmerzlichen Zweifel, die im Hintergrunde dieser
tzigen und gallisch leichtsinnigen Lebenssegmente kauerten.
ter der Maske des bewußten Genießers blieb der schwer¬
mütige Liebesphilosoph noch unerkannt. So unerkannt, wie
die nachdenkliche Traurigkeit der „Liebelei“. Dann kam eine
Zeit, in der es schien, als wehre er sich gegen alle grübelnde
Reflexion mit ihren Gefahren kraftloser Verweichlichung. Als
wolle er das Leben und seine realen Probleme nüchtern und
ernst betrachten, zu seinen Fragen Stellung nehmen. Damals
entstanden die Kampf= und Mahnstücke „Freiwild“ und das
„Vermächtnis“ Aber die künstlich zurückgedrängte Skepsis
wuchs und trieb ihn bald aus der sozialen Arena hinweg in
die alte Vereinsamung. Langsam wird ihm alles menschliche
Wollen und Tun zu schattenhaft vorübergleitendem Spiel von
fragwürdigem Wert. Die Lächerlichkeit, die Unvollkommenheit,
die vage Zufälligkeit dieses wirrsäligen Lebens macht es immer
trügerischer, immer phantastischer und märchenhafter. Die
Welt realer Wirklichkeit wird zum bunten Traum, der haltlos,
zwecklos vorbeizieht und zerrinnt und voll ist von
dem erregenden, ewig ungelösten Räthsel des Daseins.
Aus solch dämmerhaft somnambulen Stimmungen erwuchs
eine Reihe seltsamer dramatischer Gebilde: anmutig tändelnde
Spiele, in denen Traum und Wachen, Schein und Sein, Trug
und Wahrheit mit magischem Reiz und in geistvoller Symbolik
durcheinanderfluten. Eines von diesen ist „Der grüne Kakadu“.
Ein Wirbelwind grotesker Unglaublichkeiten: Französische Hof¬
leute sitzen — der steifen Eleganz Versailler Festlichkeiten
elunke. Ein
müde — allabenblich in einer übelberüchtigten
jedungen,
drolliges Lokal: Der Wirt hat ein paar Sche
nsie die
die Verbrecher mimen müssen. Unaufhörlick
entnervien
gruseligsten Mordtaten. Ein neuer Kitzel fü
Schranzen, die dabei beschimpft, verhöhnt und bedroht werden.
Natürlich nur im Scherz; allein — draußen zieht der Pöbel¬
durch die Straßen von Paris, singt Revolutionslieder und
lechzt nach aristokratischem Blut. Die Komödie kann morgen
zur Wahrheit werden. Dann ist einer unter den Mimen da,
Henri, der begabteste, der eben Léocadie, ein hübsches Aller¬
weltsliebchen geehelicht hat. Am Abend vorher wurde sie noch
mit dem Herzog von Cadignan gesehen. Die Eingeweihten
ahnen eine Katastrophe. Henri tritt auf und improvisiert wie
allabendlich eine Schauertat: Er habe den Herzog eben bei
seiner Frau getroffen und erstochen. Die Mitspieler erschauern
und halten es für Wahrheit. Die Edelleute lachen; sie kennen
den Tric. Der Zuschauer bleibt einen Augenblick lang im
Zweifel. Es könnte wahr sein. Alles ist auf den Kopf gestellt.
Und just da Henri erfährt, daß Léocadie wirklich die Geliebte
des Herzogs ist, wie er aus einer unbewußten Ahnung her¬
aus improvisierte, tritt der Herzog ein: Henri sticht ihn nieder.
Ueber die Leiche hinweg stürmt der Pöbel: Die Bastille ist ge¬
fallen. Morgen ist ganz Frankreich ein Hexenkessel tollster Un¬
glaublichkeiten. Morgen ist das Leben in Wahrheit so grotesk,
Kakadu
ruene
Der
9. 3 enennenenete eten u
Ungarisches Theater.
Von Ernst Goth.
(l. „Der grüne Kakadu“ („A zöld kakadu“). Groteske in
einem Akt von Arthur Satl
Bpese 2. April.
Sehr spät gelangt das dramatische Schaffen Arthur
Schnitzlers auf unsere Bühnen. So spät, daß dem breiteren
Theaterpublikum eigentlich ein Dichter vorgeführt wird, den
es nicht mehr gibt. Oder ist der ironische Melancholiker, der
die Anatol=Szenen schrieb und die innig schlichte Tragik der
„Liebelei“ ersteh#n ließ, wirklich der Schöpfer des „Einsamen
Weges“? Er ist es; doch nur in dem Sinne, als auch der
Mann derselbe ist, der er als Kind, als Jüngling war. Und
wenn man nun jenen Werken wiederbegegnet, die wie Jugend¬
bildnisse seiner dichterischen Persönlichkeit anmuten, so ist es
reizvoll und aufschlußreich, dort die ersten Spuren seiner
heutigen Physiognomie zu entdecken. Vieles, was nach mancher
Wandlung neu und überraschend dünkte, ist hier zart und
unausgereift schon erkennbar. Schrittweise ist der weite und
stets aufwärtsführende Weg dieses Dichters zu verfolgen. Und
schrittweise erstarkt auf diesem Wege der Hang zu skeptisch
müder Weltbetrachtung. Fast scheint es, als sei aus diesem
Punkte das Organische, Notwendige seines Werdeganges zu
erfassen. Im Mittelpunkte seines Denkens steht immer das
tausendfach wandelbare Spiel der Geschlechter. Im Mittel¬
punkte seines Fühlens aber steht immerdar die Skepsis. Sie
blickt ihm gleich anfangs über die Schulter. Schon im „Anatol“
ist sie vernehmbar. Nur achtete man ihrer damals noch nicht.
Uebersah die schmerzlichen Zweifel, die im Hintergrunde dieser
tzigen und gallisch leichtsinnigen Lebenssegmente kauerten.
ter der Maske des bewußten Genießers blieb der schwer¬
mütige Liebesphilosoph noch unerkannt. So unerkannt, wie
die nachdenkliche Traurigkeit der „Liebelei“. Dann kam eine
Zeit, in der es schien, als wehre er sich gegen alle grübelnde
Reflexion mit ihren Gefahren kraftloser Verweichlichung. Als
wolle er das Leben und seine realen Probleme nüchtern und
ernst betrachten, zu seinen Fragen Stellung nehmen. Damals
entstanden die Kampf= und Mahnstücke „Freiwild“ und das
„Vermächtnis“ Aber die künstlich zurückgedrängte Skepsis
wuchs und trieb ihn bald aus der sozialen Arena hinweg in
die alte Vereinsamung. Langsam wird ihm alles menschliche
Wollen und Tun zu schattenhaft vorübergleitendem Spiel von
fragwürdigem Wert. Die Lächerlichkeit, die Unvollkommenheit,
die vage Zufälligkeit dieses wirrsäligen Lebens macht es immer
trügerischer, immer phantastischer und märchenhafter. Die
Welt realer Wirklichkeit wird zum bunten Traum, der haltlos,
zwecklos vorbeizieht und zerrinnt und voll ist von
dem erregenden, ewig ungelösten Räthsel des Daseins.
Aus solch dämmerhaft somnambulen Stimmungen erwuchs
eine Reihe seltsamer dramatischer Gebilde: anmutig tändelnde
Spiele, in denen Traum und Wachen, Schein und Sein, Trug
und Wahrheit mit magischem Reiz und in geistvoller Symbolik
durcheinanderfluten. Eines von diesen ist „Der grüne Kakadu“.
Ein Wirbelwind grotesker Unglaublichkeiten: Französische Hof¬
leute sitzen — der steifen Eleganz Versailler Festlichkeiten
elunke. Ein
müde — allabenblich in einer übelberüchtigten
jedungen,
drolliges Lokal: Der Wirt hat ein paar Sche
nsie die
die Verbrecher mimen müssen. Unaufhörlick
entnervien
gruseligsten Mordtaten. Ein neuer Kitzel fü
Schranzen, die dabei beschimpft, verhöhnt und bedroht werden.
Natürlich nur im Scherz; allein — draußen zieht der Pöbel¬
durch die Straßen von Paris, singt Revolutionslieder und
lechzt nach aristokratischem Blut. Die Komödie kann morgen
zur Wahrheit werden. Dann ist einer unter den Mimen da,
Henri, der begabteste, der eben Léocadie, ein hübsches Aller¬
weltsliebchen geehelicht hat. Am Abend vorher wurde sie noch
mit dem Herzog von Cadignan gesehen. Die Eingeweihten
ahnen eine Katastrophe. Henri tritt auf und improvisiert wie
allabendlich eine Schauertat: Er habe den Herzog eben bei
seiner Frau getroffen und erstochen. Die Mitspieler erschauern
und halten es für Wahrheit. Die Edelleute lachen; sie kennen
den Tric. Der Zuschauer bleibt einen Augenblick lang im
Zweifel. Es könnte wahr sein. Alles ist auf den Kopf gestellt.
Und just da Henri erfährt, daß Léocadie wirklich die Geliebte
des Herzogs ist, wie er aus einer unbewußten Ahnung her¬
aus improvisierte, tritt der Herzog ein: Henri sticht ihn nieder.
Ueber die Leiche hinweg stürmt der Pöbel: Die Bastille ist ge¬
fallen. Morgen ist ganz Frankreich ein Hexenkessel tollster Un¬
glaublichkeiten. Morgen ist das Leben in Wahrheit so grotesk,