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Der Fruene Kakadu
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wild und erregend war der Eindruck früher nie.
Spiel und Ernst, Illusion und Wahrheit flossen
Strindberg und Schnitzler
in kunstvollen Verschlingungen durcheinander.
im Lessing=Theater.
Das Getricbe in der sonderbaren Kneipe von
höchster Lebendigkeit, kng gegliedert und doch
„Fränlein Julie.“ — „Der grüne Kakadu.“
vollendet natürlich. Die Darstellung ging vor¬
züglich mit. Frau Duricux war hier die
Gerabe in den Tagen, da es bekannt wird,
Herzogin, die mit Mann und Galan in den be¬
daß man den Lessingtheater=Direktor Viktor
rüchtigten Keller steigt. Hanns Fischer der
Barnowsky meuchlings ausgemietet hat
Direktor der Mimen, die dort Mörder und Diebe
(fürs Jahr 1924), beweist er aufs neue, wie ehr¬
spielen. Klöpfer der echte Strolch, der sich
lich und eiservoll er bemüht ist, Otto Brahms'
zu ihnen verirrt. Der Geistreichtum des Dialegs
Erbe würdig zu verwalten. Strindbergs
und die weltgeschichtliche Größe seines Hinter¬
„Fräulein Zulie“ ist für uns noch mit der
grundes wurden goazös und erschreckend nahe
Erinnerung an die „Freie Bühne“ verbunden,
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gebracht.
wo Rosa Bertens die Grafentochter spielte, die
sich wegwirft, und Rudolf Rittner den Diener,
Pressekonzert im Reichstag zugunsten
der sie in der Johannisnacht in seine Kammer
Wohlfahrtskasse des Vereins „Berliner
Presse“ Mit altpreußischer Pünktlichkeit rieselt
schleppt. Unmittelbarer noch als damals wirkt
um 7 Uhr Glockenklang durch Gänge und Säle
heute der soziale Godanke, von dem sich dies
des Reichstagegebäudes. Von der Kuppel der
erotische Abenteuer abhebt: das Gegeneinander
Wandelhalle stromen Kyrie, Sanntus und Vene¬
der dekadenten Aristokratin, die am Spiel ihrer
dietus der Palestrinaschen Papst=Marcellus¬
Lüste zugrunde geht, und des muskel= und
Messe, vorgetragen vom Domchor unter Hugo
nervenstarken Proletariers in der Lakaien¬
Rüdels Leitung. Dan= Leonid Kreußer.
livree, der nimmt, was Gott ihm in den Weg
Er läßt die Weichheit Chopins aufklingen (Roc¬
turno Des=dur) und rast im Furioso Franz Liszts
schickt, und hinauf will in die Sphäre der Reichen
über die Tasten. Mit Arien von Goetz und Verdi
und Herrschenden. Tilla Durieux, seit langer
errang sich Vera Schwarz, die mit einer Kebie
Zeit zum ersten Male wieder auf einer Berliner
herrlicher Kopstöne brillierte, den Beifall des
Bühne, legte das Schmergewicht auf den zweiten
Hauses. Ins Reich der Virtuosität entführte die
Teil des unheimlichen Einakters, auf die Szenen
jugendliche rassige Geigerin Ibolyka Gyarsas
der Zerknirschung und Verzweiflung, die sie, selbst
(Sehnes de la Soarda von Hubay). Sodann die
erschüttert, mit starker Eindringlichkeit gab, wäh¬
Sensation des Abenrds: Karl Clewing auf der
rend das gefährliche Spiel des Beginn nicht
Spur Enrico Carnsos. Mit Hilfe seines Lehrers
Clemens Schmalstich, der die Vorträge als
mit voller Freiheit gelang. Auch in der Dur¬
Begleiter feinsinnig untermaite, hat er sich aus
stellung war dieser Julie der Diener Joan über¬
dem Peer Gynt in Bajazzo und Don José ver¬
legen. Eugen Klöpfer trat weniger als Hoch¬
wandelt. Und als er, von der Sonne dungen
herrschaftlicher auf, denn als brutaler Bursche
tenoralen Ruhmes überstrehlt, als Zugche zi
von rücksichtslosen, aber gesunden selbstischen
Stretta aus dem „Trouhadour“ ins Publikum
Instinkten. Kein hübscher Bengel, sondern ein
schmettert, steht bei allen fest: Berlin hat einen
breitschultriger Mann des Volkes, der sich nicht
neuen Heldentenor. (Frage: Wind Moisi 4—
mit Sentimenialitäten abgibt. Eine Figur aus
musikalische Erfolg seines Kollegen ruhen lassen?)
Nach der Sensation ein Erlebnis: Karin Bran¬
einem Guß, mit dem Beden seiner Welt fest ver¬
zell von der Staatsoper singt die Arie der
wachsen.
Venelope aus Max Bruchs „Odysseus“ und ein
Auch Schnitzlers Revolutionsgroteske spricht
schwedisches Lied. Tönende Seele. Nach dem
heute noch eine ganz anders beredte Sppache als
Vortrag des großen Duetts aus dem britten
vor einem Vierteljahrhundert. Drohender und
„Aida“=Akt mit Vera Schwarz und Karl Clewing
stürmischer noch weht nun der Sturm des Pariser
beschließt der Domchor mit dem „Waldosalm“
von Ior Bruch den offiaiellen Teil. Und wös##end
Umsturzes von 1789 in das Keller=Kabarett des
das Musikkorps des Pionierbataillons der Resche¬
„G'rünen Kakadu“ wo sich die geschniegelte
wehrbrig#de XV den Germoniamarsch erdröhnen
Hofgesellschaft von Verbrechergeschichten einer
läßt, zerstreut sich die Gesessschaft, um sich in den
Schauspielertruppe ihre Nerven kitzeln läßt. Mit
Nebenräumen leiblichen Genüssen hinzugeben.
großartigem Gelingen baut Barnowskys Regie
tan.
dies Bild einer zusammenstürzenden Welt. So
Seallis
Belne
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