ruene Kakadu
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9.3. Der n
aber diese allmenschliche und alldichterische Frage hat bei ihm nicht
Faustischen und auch kaum Ibsenschen Klang; es ist keine Frage mehr
nach Wesen und Wert — es ist eine Frage nach Wirklichkeit. Die roman¬
tische Skepsis, die aus der religiösen Tiefe in eine schwindelnd gefährliche
Höhe sinnlicher Analyse steigt. Nicht, was ist, was soll unser Leben?
sondern ist unser Leben überhaupt? giebt es Merkmale, die Traum vom
Wachen, Spiel von Wirklichkeit, Ernst von Scherz unterscheiden? Ist Leben
wirklicher als ein Schauspiel, ein Porträt unwirklicher als ein Original? Sind
wir als empfindende Wesen etwas anderes als Windharfen, die auf die
Stärke des Anhauches tönen — unbekümmert aus welcher Region der
der Wind weht? Als nur empfindende Menschen! Es ist das Schicksal
eines rein ästhetischen Geschlechtes, das Schnitzler aus sich herausstellt —
ein Geschlecht, das ethisch nur die passive Tugend der Toleranz besitzt,
aber keinerlei aktive, wertsetzende, scheidende Kraft — es trägt, erträgt
alles. Für diese rein sensitiven, urteils- und zweckfeilen Menschen schwinden
die Schranken zwischen Sein und Spielen. Und erst wenn der Tod sie in
irgend einer Gestalt trifft, erfahren sie schrecklich den großen Unterschied,
der doch gesetzt ist zwischen den Kategorien der Existenz. Dann wissen
— Das ist ihre Tragödie. Für diese
sie plötzlich, „wo Germanien liegt“.
Existenzen, die „den Tod in der eigenen Brust den sterbenden Fechter
spielen“, gibt es kein reineres Symbol, als die Bajazzotragik. Gespielte
Eifersucht, gespielter Mord wandelt sich in wirkliche Vernichtung. Dies
Schicksal aber vom Einzelnen auf ein ganzes Geschlecht gewendet, die
Bajazzotragödie eines ganzen Volkes: das ist „Der grüne Kakadu“.
„Der grüne Kakadu“ ist ein Wirtshaus zu Paris am Abend des Bastille¬
sturms; der Wirt, ehemaliger Theaterdirektor, läßt von seinen früheren
Mimen zur Ergötzung der hochadeligen Gäste Verbrecherkeller spielen. Aber
aus allen Poren des Spieles quillt Wirklichkeit: der theatralische Brand¬
redner wird wirklich zum Volksaufwiegler und treibt zum Bastiliensturm; der
vortreffliche Darsteller von Taschendieben greift auf dem Boulevard wirklich
in den Beutel, während der echte Tantenmörder sich am Mörderspielen im
„Kakadu“ beteiligen will — beide bleiben lächerliche Dilettanten! Ein zärtlich
treues Ehepaar mimt Zuhälter und Dirne — während der genialste Spieler
Henri aus der „geborenen Dirne“ Léocadie sich ein echtes Eheweib machen
möchte! In Henri sind, eben weil er der genialste Spieler ist, noch Wirk¬
entsühnenden Reinheit des Landes. Aber zu tief hat die Weltstadt seinen
Instinkt korrumpiert, zur Gefährtin seiner erträumten Heiligung nimmt er
sich diese Dirne und er selbst ist Komödiant, unethischer, reingenieße¬
rischer Spieler genug, um die dumpf befürchtete Tragödie seines Lebens als
„Abschiedsvorstellung“ zu mimen. Er spielt: „ich habe die neueste Untreue
meiner Frau mit dem Herzog von Cadignan entdeckt und ich hab’ ihn ermordet“.
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aber diese allmenschliche und alldichterische Frage hat bei ihm nicht
Faustischen und auch kaum Ibsenschen Klang; es ist keine Frage mehr
nach Wesen und Wert — es ist eine Frage nach Wirklichkeit. Die roman¬
tische Skepsis, die aus der religiösen Tiefe in eine schwindelnd gefährliche
Höhe sinnlicher Analyse steigt. Nicht, was ist, was soll unser Leben?
sondern ist unser Leben überhaupt? giebt es Merkmale, die Traum vom
Wachen, Spiel von Wirklichkeit, Ernst von Scherz unterscheiden? Ist Leben
wirklicher als ein Schauspiel, ein Porträt unwirklicher als ein Original? Sind
wir als empfindende Wesen etwas anderes als Windharfen, die auf die
Stärke des Anhauches tönen — unbekümmert aus welcher Region der
der Wind weht? Als nur empfindende Menschen! Es ist das Schicksal
eines rein ästhetischen Geschlechtes, das Schnitzler aus sich herausstellt —
ein Geschlecht, das ethisch nur die passive Tugend der Toleranz besitzt,
aber keinerlei aktive, wertsetzende, scheidende Kraft — es trägt, erträgt
alles. Für diese rein sensitiven, urteils- und zweckfeilen Menschen schwinden
die Schranken zwischen Sein und Spielen. Und erst wenn der Tod sie in
irgend einer Gestalt trifft, erfahren sie schrecklich den großen Unterschied,
der doch gesetzt ist zwischen den Kategorien der Existenz. Dann wissen
— Das ist ihre Tragödie. Für diese
sie plötzlich, „wo Germanien liegt“.
Existenzen, die „den Tod in der eigenen Brust den sterbenden Fechter
spielen“, gibt es kein reineres Symbol, als die Bajazzotragik. Gespielte
Eifersucht, gespielter Mord wandelt sich in wirkliche Vernichtung. Dies
Schicksal aber vom Einzelnen auf ein ganzes Geschlecht gewendet, die
Bajazzotragödie eines ganzen Volkes: das ist „Der grüne Kakadu“.
„Der grüne Kakadu“ ist ein Wirtshaus zu Paris am Abend des Bastille¬
sturms; der Wirt, ehemaliger Theaterdirektor, läßt von seinen früheren
Mimen zur Ergötzung der hochadeligen Gäste Verbrecherkeller spielen. Aber
aus allen Poren des Spieles quillt Wirklichkeit: der theatralische Brand¬
redner wird wirklich zum Volksaufwiegler und treibt zum Bastiliensturm; der
vortreffliche Darsteller von Taschendieben greift auf dem Boulevard wirklich
in den Beutel, während der echte Tantenmörder sich am Mörderspielen im
„Kakadu“ beteiligen will — beide bleiben lächerliche Dilettanten! Ein zärtlich
treues Ehepaar mimt Zuhälter und Dirne — während der genialste Spieler
Henri aus der „geborenen Dirne“ Léocadie sich ein echtes Eheweib machen
möchte! In Henri sind, eben weil er der genialste Spieler ist, noch Wirk¬
entsühnenden Reinheit des Landes. Aber zu tief hat die Weltstadt seinen
Instinkt korrumpiert, zur Gefährtin seiner erträumten Heiligung nimmt er
sich diese Dirne und er selbst ist Komödiant, unethischer, reingenieße¬
rischer Spieler genug, um die dumpf befürchtete Tragödie seines Lebens als
„Abschiedsvorstellung“ zu mimen. Er spielt: „ich habe die neueste Untreue
meiner Frau mit dem Herzog von Cadignan entdeckt und ich hab’ ihn ermordet“.
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