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Der
Fruene
Kakadu
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Gerbart Hauptmann.
Gelegentlich des „Fuhrmann Henschel“.
eber Gerhart Hauptmann noch etwas zu sagen, was irgendwie Anspruch auf Neuheit
erheben könnte, ist zur Zeit fast unmöglich. Hat sich ja doch schon eine ganze Litteratur
10 über seinen Werken aufgestapelt, und der Fleiß des Philologen Schleuther hat sogar
jenes seiner Werke, das der Dichter am liebsten ganz aus der Welt hätte verschwinden lassen,
die Jugendarbeit: „Promethidenlos“ sorgsam durchackert. Schleuther hat den ganzen späteren
Hauptmann schon im Stammeln des Anfängers erkannt.
Trotzdem darf man es doch wagen, wenigstens zusammenzufassen, wie sich die Gestalt
Hauptmanns zur Zeit präsentiert, nachdem man seine eigenen Bücher und auch mancherlei, was
über ihn geschrieben wurde, in sich aufgenommen hat. Man darf auch aus der Gunst der Zeit
und ihrer Stimmung Nutzen ziehen und heute etwas aussprechen, was vor drei Aonaten noch
vielleicht Unwillen erregt hätte. Denn in den Tagen der Première des „Fuhrmann Henschel“
im Wiener Hofburgtheater (17. Januar) stand man zwar nicht etwa wieder einmal im Banne
einer Clique, die terroristisch auf die öffentliche Meinung eingewirkt hätte, aber doch unter dem
Drucke einer viel mächtigeren Antorität, nänlich der Wirkung des Geillparzerpreises, der in
derselben Zeit zum zweiten Male an Gerhart Hauptmann, und zwar gerade wegen des „Fuhr¬
mann Heuschel“ erteilt worden war.
Die Wiener sind gern liebenswürdig, und es thut dem bedrängten Deutschtum in Oesterreich
wohl, wenn es sich auch einmal wieder führend im deutschen Geistesleden erweisen kann. Der
Grillparzerpreis sollte den vorenthaltenen Schillerpreis wettmachen. Die gelehrten Herren der
Wiener Akademie der Wissenschaften folgten einer Zeitströmung, die diesmal stärker war als sie
selber, und wenn auch das Publikum am Abend der Erstaufführung des „Fuhrmann Heuschel“
ratlos der düsteren Tragödie gegenübersaß — der ehrwürdigen Kommission des Grillparzer¬
preises mochte es doch nicht widersprechen. Mit achtungsvollem Schweigen acceptierte es ihr
Urteil. Die feinfühligere Journalistik Wiens mochte sich damals auch nicht in einen momentan
ganz unfruchtbaren Widerstreit zur öffentlichen Meinung setzen, und sie entschloß sich — allerdings
sichtlich reserviert — das Stück und seinen populär gewordenen Dichter zu feiern. Ob sie es
heute noch thäte? Daran zweifle ich, und zwar aus guten Gründen. Nicht bloß darum, weil
sich nach der ersten Erregung der unbefangene Sinn, der Freimut und die Wahrheit doch Bahn
gebrochen haben — das Publikum kommt jetzt aus den Wiederholungen des „Fuhrmann Heuschel“
ebenso ratlos heraus, wie am ersten Abend —, sondern auch darum, weil inzwischen im selben
Burgtheater Stücke gespielt wurden, welche die von Gerhart Hauptmann in der „Versunkenen
Glocke“ selbst betretene, nun aber wieder verlassene Bahn zu einer vollkommneren Poesic, als
sie die nach der Arno Holzschen Aesthetik verfaßte Fuhrmannstragödie überhaupt schaffen kann,
mit Glück weiter geführt haben. Ich meine die drei Einakter „Paracelsus“, „Die Gefährtin“
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Fruene
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Gerbart Hauptmann.
Gelegentlich des „Fuhrmann Henschel“.
eber Gerhart Hauptmann noch etwas zu sagen, was irgendwie Anspruch auf Neuheit
erheben könnte, ist zur Zeit fast unmöglich. Hat sich ja doch schon eine ganze Litteratur
10 über seinen Werken aufgestapelt, und der Fleiß des Philologen Schleuther hat sogar
jenes seiner Werke, das der Dichter am liebsten ganz aus der Welt hätte verschwinden lassen,
die Jugendarbeit: „Promethidenlos“ sorgsam durchackert. Schleuther hat den ganzen späteren
Hauptmann schon im Stammeln des Anfängers erkannt.
Trotzdem darf man es doch wagen, wenigstens zusammenzufassen, wie sich die Gestalt
Hauptmanns zur Zeit präsentiert, nachdem man seine eigenen Bücher und auch mancherlei, was
über ihn geschrieben wurde, in sich aufgenommen hat. Man darf auch aus der Gunst der Zeit
und ihrer Stimmung Nutzen ziehen und heute etwas aussprechen, was vor drei Aonaten noch
vielleicht Unwillen erregt hätte. Denn in den Tagen der Première des „Fuhrmann Henschel“
im Wiener Hofburgtheater (17. Januar) stand man zwar nicht etwa wieder einmal im Banne
einer Clique, die terroristisch auf die öffentliche Meinung eingewirkt hätte, aber doch unter dem
Drucke einer viel mächtigeren Antorität, nänlich der Wirkung des Geillparzerpreises, der in
derselben Zeit zum zweiten Male an Gerhart Hauptmann, und zwar gerade wegen des „Fuhr¬
mann Heuschel“ erteilt worden war.
Die Wiener sind gern liebenswürdig, und es thut dem bedrängten Deutschtum in Oesterreich
wohl, wenn es sich auch einmal wieder führend im deutschen Geistesleden erweisen kann. Der
Grillparzerpreis sollte den vorenthaltenen Schillerpreis wettmachen. Die gelehrten Herren der
Wiener Akademie der Wissenschaften folgten einer Zeitströmung, die diesmal stärker war als sie
selber, und wenn auch das Publikum am Abend der Erstaufführung des „Fuhrmann Heuschel“
ratlos der düsteren Tragödie gegenübersaß — der ehrwürdigen Kommission des Grillparzer¬
preises mochte es doch nicht widersprechen. Mit achtungsvollem Schweigen acceptierte es ihr
Urteil. Die feinfühligere Journalistik Wiens mochte sich damals auch nicht in einen momentan
ganz unfruchtbaren Widerstreit zur öffentlichen Meinung setzen, und sie entschloß sich — allerdings
sichtlich reserviert — das Stück und seinen populär gewordenen Dichter zu feiern. Ob sie es
heute noch thäte? Daran zweifle ich, und zwar aus guten Gründen. Nicht bloß darum, weil
sich nach der ersten Erregung der unbefangene Sinn, der Freimut und die Wahrheit doch Bahn
gebrochen haben — das Publikum kommt jetzt aus den Wiederholungen des „Fuhrmann Heuschel“
ebenso ratlos heraus, wie am ersten Abend —, sondern auch darum, weil inzwischen im selben
Burgtheater Stücke gespielt wurden, welche die von Gerhart Hauptmann in der „Versunkenen
Glocke“ selbst betretene, nun aber wieder verlassene Bahn zu einer vollkommneren Poesic, als
sie die nach der Arno Holzschen Aesthetik verfaßte Fuhrmannstragödie überhaupt schaffen kann,
mit Glück weiter geführt haben. Ich meine die drei Einakter „Paracelsus“, „Die Gefährtin“