II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 407

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9.4. per Bruche Kakadn Zukius
und doch auch wieder die Verschiedenheit einer und mit seinen drei Einactern einen Sprung nach vor¬
Jeuilleton.,
derselben Lebensauffassung, die ihren Ausdruck in
wärts gethan, der ihn meines Erachtens in die aller¬
Vasig
dem Titel: „Das Leben ein Spiel“ finden erste Reihe der jungen deutschen Dramatiker stellt,
könnte. Der Dichter hatte auch in der That diesen
über Sudermann hinaus neben Hauptmann.
Das Leben ein Spiel.
Titel seinen Schauspielen zu geben eine Zeit lang
Ich will mit dem letzten: Der grüne
beabsichtigt, unterließ es aber schließlich doch aus
[Kakadu“ beginnen, das in der Aufführung keinen
Arthur Schnitzler's Einacter.
guten Gründen.
(Nachdruck verboten.)
klaren Eindruck hinterließ, das ich aber jetzt, nachdem
Im „Paracelsus“ wird der geniale Mensch ge=ich den Text gelesen habe, als das bedeutendste von
Wien, 3. März.
zeigt, der mit seiner überlegenen Geisteskraft mit
allen dreien anerkennen muß. Die unklare, unfertige
Das war ein schöner Abend im Burgtheater,
Menschenseelen zu spielen vermag.
Darstellung am Burgtheater hat es allein ver¬
als die drei Einacter von Arthur Schnitzler ge¬
schuldet, daß man nicht gleich klug daraus werden
spielt wurden! Nach den vielen Premièren der
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben?
konnte.
lieben Mittelmäßigkeit, die ich in den letzten Wochen!
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
an der Bellaria und in Währing leider mit habe
Der „grüne Kakadu“ ist das Wirthshausschild
Mit wilden Söldnerschaaren spielt der Eine,
ansehen müssen, eine wahre Erquickung. Endlich
einer Pariser Spelunke, welche ganz eigenartige
Ein And'rer spielt mit tollen Abergläubischen,
könte von einer Bühne herab ein helles, kluges,
Mittel anwendet, um Gäste anzulocken. Der Wirch
Vielleicht mit Sonnen, Sternen irgend wer,
geistreiches Dichterwort! Endlich fühlie man sich
Prospère (Herr Römpler) ist nämlich ein zu Grunde
Mit Menschenseelen spiele ich ....
nicht bloß satirisch gegeißelt, sondern auf den Flügeln
gegangener Schmierendirector, und in seiner Spelunke
der Kunst über den Alltag hinausgehoben. Schnitzler
Aber nicht Alle, die das Leben als ein Spiel
läßt er seine Schauspieler, Verbrecher und Gesindel
hat sich von dem bleiernen Schwergewicht des
betrachten, sind so ehrliche Spieler, wie der Baseler
der allergemeinsten Sorte spielen, weil es für den
Realismus befreit und als ein echter Poct entpuppt, Arzt Theophrastus Bombastus Hohenheim genannt
verfaulten Adel von Paris am Vorabend der
der uns mit heiterer Weisheit das ganze Leben der Paracelsus. Die moderne Mondaine beispielsweise,
großen Revolution des Jahres 1789 einen ganz
Menschheit, und nicht mehr bloß einen ängstlich ab= die überall herum liebelt, von Allem nippt und besonderen Reiz hat, Gaunerherbergen zu besuchen
gecirkelten Ausschnitt davon, im Spiegel seiner Kunst
nirgends Treue bewahrt, spielt auch mit dem Leben
und sich von ihren Physiognomien, Reden und
zeigen kann. Schon deswegen allein verdiente er
nur freilich auf ihre leichtfertige und nichts= Handlungen ein bischen gruseln zu lassen. So tief
die herzlichsten Zurufe, wären die Einacter auch
würdige Art. Dieses Spiel ist der Inhalt des ist nämlich jene vornehme französische Gesellschaft
sonst nicht so sormvollendet, als sie in Wahrheit
zweiten Einacters: „Die Gefährtin“, Schon das gesunken, welche durch mehr als zwei Jahrhunderte
sind. Daß er sich bei der Wahl dieser Form durch
Wort „Gefährtin“ ist ein viel zu edler Name für den guten Ton für ganz Europa angab. Um sich
das Beispiel von Sudermann's „Morituri“ anregen
die verstorbene Gattin des würdigen Professors
zu amusiren, bedürfen die blasirten Marquis und
ließ, darf ihm nicht zum Nachtheil angerechnet
Robert Pilgram, der Niemand eine Thräne nach¬
Comtessen und Duchessen der gepfeffertesten Reiz¬
werden. Ist er doch dabei nichts weniger als ein weinen kann. Und endlich eine dritte Art von
mittel, sonst langweilen sie sich .
Dieses Sitten¬
Nachahmer geworden. Der Faden, der seine Ein= Lebensspiel bringt die Groteske: „Der grüne Kakadu“
bild wird uns im Kellerlocal zum „grünen Kakadu“
acter zusammenhält, ist viel tiefer in die Dichtungen
zur Anschauung, wo uns gezeigt wird, wie die Pa¬
vorgeführt. Der Wirth Prospere ist im Herzen ein
eingesponnen, als bei Sudermann. Die „Morituri“
riser Aristokraten am Ende des vorigen Jahrhunderts Jacobiner vor dem Convent; seine hochadeligen
bindet die Gleichheit der seenischen Vorgänge zu auf einem Vulkan tanzten, ohne auch nur entfernt Gäste behandelt er unter dem Schutze seiner
einer Einheit; in diesen drei Einactern werden drei die Gefahr zu ahnen, mit der sie spielten, bis die Comödiantenmaske en canaille regalirt sie mit den
Männer im Angesicht des sicheren Todes dargestellt.] Sündfluth der Revolution vom 14. Juni 1789 herein=Igröbsten Titulaturen; aber sie nehmen die Beleidi¬
Schnitzler's Einacter verbindet die Gemeinsamkeitl brach und sie alle begrub. Arthur Schnitzler hatgungen nicht ernst, weil sie seine flegelhafte