II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 408

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9.4. Der Bruehe Kakadu ZykIus
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Sprache für den Stil der Comödie halten, welche bei ihr ertappt haben will. Ermordet hätte er ihn Diesen „grünen Kakadu“ halte ich ungeachtet
von den Stammgästen des „grünen Kakadu“ all= sogar! Und da die Zuhörer wissen, daß Leocadie in seines Titels „Groteske“ für eine der ernsthaftesten
abendlich vorgeführt wird. Unter diesen Stamm= aller Wahrheit Beziehungen zu Cadiguan habe, so Dichtungen, die je geschrieben wurden. Ich glaube
gästen sind hervorragende schauspielerische Talente,
nicht, daß es eine schneidigere und gedankenreichere
halten sie Henri's Spiel nicht für Comödie, sondern
darunte ein gewisser Henri (Herr Sonnenthal), der
für Mittheilung eines wirklich vollbrachten Mordes.
Satire auf die zum Sterben reife Menschheit un¬
sein Brot als Künstler auch auf einer regelmäßigen
Selbst der Wirth und Schauspieldirector Prospere
mittelbar vor Ausbruch der französischen Revolution
Bühne gut verdienen könnte, sich aber hier, im
theilt diese Meinung und ruft seinem Künstler
gibt, so viele Revolutionsdramen auch schon ge¬
Stegreifspiele, besser gefällt. Ein merkwürdige Patron,
Heuri zu: „Wahnsinniger!“ Denn der Herzog von
schrieben worden sind. Schnitzler ist hier hoch hinaus
dieser Henri! Ein verlumptes Genie, in dem die
Cadiguan ist ein Liebling des Königs und sein
über Alles gewachsen, was er je zuvor geschrieben hat.
guten und bösen Geister nur so wühlen. Er hat
Mörder wird nicht geschont werden. Henri ist in
Ueber die ersten zwei Stücke darf ich mich
soeben seine Collegin Leocadie (Frl. Witt) geheirathet! Folge dieses Zurufs Prospère's zunächst selbst ver¬
kürzer fassen, obwohl sie in ihrer Art nicht minder
obwohl er weiß, daß sie eine gemeine Dirne ist. Er blüfft von der Wirkung seines Spiels, und als ihm
vollkommen sind, doch habe ich ihren Inhalt schon
träumt echt rousseauisch davon, sich auf's Land, in
Prospere vollends zur Flucht räth, schreit er: Nein, kurz berichtet. „Paracelsus“ ist meisterlich in der
eine Idylle zurückzuziehen, um das Glück der Liebe
es ist nicht wahr! Ich habe ja doch nur gespielt !Charakteristik des Gegensatzes von seiner selbst ge¬
ohne Störung mit ihr zu genießen. So toll ist er
Der Herzog lebt!“ Im selben Augenblicke aber
wissem, aber darum doch nicht bornirten Spie߬
in seiner Verliebtheit, daß er auch auf seine Kunst
dringt die Nachricht vom Falle der Bastille in die
bürgerthum mit der steptischen, aber darum doch
verzichten will, so verblendet sich durch nichts von
Spelunke herein, man hört Kanonenschießen, die
auch nicht frivolen Boheme, die zwischen Himmel
seinem Plane will abbringen lassen! Und dabei
Rufe: „Freiheit! Freiheit!“ Nun meint der Wirth,
und Erde mehr Geheimnisse sieht, als sich Profes¬
eifersüchtig, wie ein Othello! ... Aber wir be¬
nachdem die königliche Herrschaft gestürzt wäre,
sorenweisheit träumen läßt. Die kleine Handlung
finden uns am Abend des 14. Juni 1789, an dem
drohe Henri keine Gefahr mehr, und ruft ihm zu:
dieses Einacters ist mit sehr viel Anmuth und
die Bastille gestürmt wurde. Die Pariser Luft ist
„Jetzt brauchst Du Dich nicht mehr zu fürchten, jetzt Feinheit geführt. Herr Robert hat nur leider in
mit Sturm geschwängert. Eine Nervosität hat die
kannst Du's in die Welt hinausschreien. Ich hätte seiner Darstellung des Paracelsus den Charakter zu
ganze Stadt überkommen, daß schon jedes Kind
Dir schon vor einer Stunde sagen können, daß sie düster aufgefaßt und dargestellt, indeß Schnitzler ihn
fühlen muß: etwas Ungeheuerliches bereitet sich vor. die Geliebte des Herzogs ist. Bei Gott, ich bin nahe als einen kühnen Weltfahrer, zwar verwittert, aber
Alles ist auf den Straßen, die Anarchie guckt schon daran gewesen, Dir's zu sagen“ . . . Und die an¬
doch auch weltüberlegen gedacht hat. Robert
aus jedem Kellerloch heraus. Nur die Aristokraten
deren Schauspieler bestätigen Prospere's Rede. Aber
spielte eben nur wieder einen — guten Robert. Der
merken das nicht, so wollen sich noch immer amu¬
damit macht er's noch schlimmer, denn nun erwacht
mittlere Einacter: Die Gefährtin“ ist eigentlich
siren, sie verachten noch immer das Volk von ihrer
Henri vollends aus seinem künstlerischen Taumel
nur eine dramatisirte Novelle, eine Auseinander¬
souveränen Höhe herab. Sie halten es für unmöglich,
und der Othello in ihm gewinnt die Oberhand. Im
setzung zweier Menschen mit einander über eine Ab¬
daß sie, selbst im Kothe wandelnd, schmutzig werden
selben Moment kommt aber auch der Herzog Cadi=geschiedene. Aber mit solch technischer Vollendung,
könnten Diese Aristokratie hat Schnitzler mit wahrer
guan wieder in die Spelunke zurück. Da wirft sich daß man mächtig ergriffen wird. Herr Sonnenthal
Meisterschaft knapp und scharf geschildert. Und nun Henri mit einem Satze auf ihn und durchbohrt ihm spielte den alten Professor ausgezeichnet und wurde
geschieht etwas Entsetzliches: im Handumdrehen
den Hals. So hat das Spiel mit dem Verbrechen
von Frl. Bleibtreu und Herrn Zeska ebenbürtig
wird nämlich die Comödie zum blutigen Ernst und
ein blutiges Ende genommen. Das Volk draußen
secundirt. Dieser Einakter—Schnitzlers Abschied von
die blinden Aristokraten zahlen die Zeche. Der
jubelt über die erlangte Freiheit — die Aristokraten
seiner „Anatol“=Poesie — machte die stärkste Wirkung.
Schauspieler Henri, der wohl weiß, welchen Ruf
aber — so deutet der Dichter die nahende Schre= Länger halten aber dürfte sich doch der „grüne
seine junge Frau Leocadie hat, tragirt dem Publicumickenszeit am Schlusse an — waren unverbesserlich; Kakadu“, sobald nur die Burgschauspieler werden
im „grünen Kakadu“ eine Eifersuchtsscene auf dens sie mußten ganz weggefegt werden, um die Wieder= besser eingespielt sein.
M. N—r.
Herzog von Cadiguan (Herr Reimers) vor, den erl geburt der Menschheit möglich zu machen.
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