II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 411

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Der-Bruene KakauuZukinS
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Und voch int Paracelsus — nach der vortrefflichen Cha=] In jungen Tagen hat dieser Paracelsus das Herz eines
rakteristik in Sigwarts „Kleinen Schriften“-
Spielereien der „Groteske: Der
„eine der Baseler Bürgerkindes, Justina, gewonnen; als er von
des Bastille=Sturmes, an dem
originellsten und ausdrucksvollsten Gestalten jener gähren=dannen ging, vor dreizehn Jahren, „ohn' Abschied und
begibt. Man wird die Kunde
den Zeit, in der für alle energischen und strebsamen Köpsel ein Worl von Wiederkommen“, meinte Justina, sie müßte
Zum grünen Kakadu“ bei all
Kampf gegen die unfruchtbar gewordenen Traditionen der
sterben.
Schule, Erneuerung des Lebens auf allen Gebieten, Be¬
schichtschreibern der französischen
— „Wärt Ihr damals
gründung des religiösen Glaubens, wie der Wissenschaft
bis auf Mignet, Michelet und
In jener Nacht, da Ihr die Stadt verließt,
auf die echten und ursprünglichen Quellen die über¬
Diese Taverne, in der ein ehem
Nochmals zurückgekehrt — ach — alles hätt' ich,
einstimmende Losung war. Er wird von demselben Zorn
blasirtesten Hochadel von Gauner
Was Ihr verlangt, Euch freubig hingegeben.
gegen die Galenisten erfaßt, mit dem die Humanisten sich
Sorte Grufelscenen, Verbreche
Ob ich auch wußte, daß der nächste Morgen
gegen die Scholastiker wandten und mit dem die Refor¬
Stücklein aufspielen läßt, ist vi
Für ewig mir Euch nahm — so liebt' ich Euch.
matoren dus System der römischen Kirche bekämpften.“
Nachahmung der unmodernen
Wer weiß, wie viele Fenster in der Stadt
Ein Neuerer dieses Schlages mag ohne weiteres von
der dritten Republik, in der ehe
Allnächtlich offenstehen für Einen, der — nicht kommt.“
Stürmern und Drängern unsrer Tage willkommen ge¬
wirkliche oder vermeintliche Bag
heißen werden als Vorläuser ihrer Meinungen und
den Bedands der Lebewelt 9
Allgemach hat sich Justina getröstet. Sie ist das Ehe¬
Die widerliche Mode fand imn
Thaten. Ihn leibhaftig aus seinem Salzburger Grab weib des Waffenschmieds Cyprian geworden, eines robusten ahmer. Passant, sois moderne!
zu neuem Dasein zu beschwören, ging indessen, wenn Philisters, der selbstgefällig sein häusliches Glück für sosund jener Kneipenwirthschaft d
nicht über Schnitzlers Fähigkeiten, so doch über Schnitz= unerschütterlich hält, daß er sein Weib nie hütet und Ein paar übermüthige Kunstzig
lers Wünsche. In seinem einakligen Schauspiel Para=derart Justina sorglos mit dem schmucken Gigerl Anselm nur geschmackvoller gewürzten
celsus ist der geniale Phantast nur ein zahmer Doppel=bis dicht an die Grenze des — Gartenhauses gerathen gaben sie Flauberts „Tentation
gänger moderner überkluger Frauenärzte, ein Gedanken=läßt. Hellsichtiger, als der Baseler Protz, gibt ihm der andermal die napoleonische Lege
leser offen zutage liegender Geheimnisse, ein Raisonneur zuerst geneckte, dann gereizte Paracelsus eine Probe seiner tollere Schattenspiele zum besten
über Liebesgeschichten und Heirathssachen aus der Schule Kunst und damit eine Lektüre modernster Ehe=Zucht. Er Suiten fühlte sich ein gescheiter
des jüngeren Dumas und des rasch gealterten Paul hypnotisirt Justina, die im „Hochschlaf“ den platonischen mich recht, Jules Lemaitre —
Bourget —: also nicht einmal der Theophrastus Para=Ehebruch beichtet. Es gehört kein besonderer Edelmuth
Plato's Höhle gemahnt.
celsus, dem Schopenhauer in seinem Hauptwerk nachrühmte: des Gatten dazu, für solche Gedankensünden Ablaß zu
Ein ähnliches Motiv hat ve
„es müsse ihm seine „Metaphysik der Geschlechtsliebe vor=gewähren. Und somit löst sich der Kursus über ver¬
geschwebt, der offenkundige Spitz
geschwebt haben indem er in seiner desultorischen Manier suchten Ehebruch in den lehrhaften Lobgesang des Waffen¬
fo gende merkwürdige Aeußerung hinschrieb: „Ili sunt quos
männer dermaßen durcheinander
schmieds auf:
Deus coputvit, ut eam, quae fuit Uriae et David; quamvis
philosoph mit einem Anschein vo
„Ein Sturmwind kam, der hat auf Augenblicke
ex diametro (sic enim sibi humana mens persuadebat) cum
kommen Leute her, die Verbreche
Die Thore unsrer Seelen aufgerissen.
justo et legitimo matrimonio pugnaret hoc .. sed propter
es sind, ohne es zu ahnen.“
Wir haben einen Blick hineingethan.
Salomonem, qui allunde nasci non potuit, nisi ex Bathseba
(Tabarins Urenkel, der Sohn vo
Es ist vorbei, die Thore fallen zu —
conjuncto David semine, quamvis meretrice, conjunxit cos
ersticht zum Beschluß einer lebenst
Doch was ich heut' gesehn, für alle Zeit
Deos.“ So verwegene, um nicht zu sagen verruchte Ge¬
seene den Herzog, der mit seiner
Soll's mich vor allzu großem Stolze hüten.
dankensprünge läßt sich Schnitzlers Paracelsus nirgends zu¬
der Porte Saint=Martin, nur nah
Es war ein Spiel, doch fand ich seinen Sinn
schulden kommen. Er ist — in die Tracht eines Thau¬
gescherzt und geherzt. Weßhalb
Und weiß, daß ich auf rechtem Wege bin.“
maturgen entschwundener Jahrhunderte vermummt — der
schon vor Menschenaltern Br#
ihrem Schlußappell an die räch
landläufige Diogenes=Desgenais der französischen Sitten¬
So wenig diese Töne und Leute zum Zeitalter der# theater spielen ließ, an Schnitz
stücke, ein Klugredner, dessen Eheweisheit Sophisterei bleibt. Reformation stimmen, so wenig passen die tragikomischen! Anstoß nahm, ist rätselhaft.