II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 436

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Kräften das Kampfen 9•9#.
Seele, er erspart ihr die sicheren Niederlagen und die
schwächenden entmannenden Verzweiflungen. So überlässt
dieser „Arbeiter im Leben“, er ist Professor, seine Frau
dem Anderen, dem Freunde. Aber unsere Seele sucht sich
gegen heimtückische Ueberfälle des Daseins zu schützen
durch Idealismus. Idealismus ist der Versuch einer
kranken verwundeten Seele in Gesundheit zu reagiren
und die Krankheitsstoffe ihrer selbst aufzuzehren, fort¬
zuschwemmen, zu paralysiren. Dieser Professor reagirt
mit seiner immanenten Gesundheit gegen die Seelen¬
Wunde, indem er das Verhältnis seines Freundes zu¬
seiner Frau als ein hochstehendes seelisches exzeptionelles
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den „Dichtungen d
sich erträumt und
Daseins“ als Prosa=Mann sein Opfer darbringt, ruhig
und im Einklang mit sich selbst.
Nach dem Tode der Gattin muss er aber erfahren,
dass die Dame mit dem Herren nur in Sinnenlust ver¬
bunden war. Da jagt er den Freund hinaus, betrauert
ein vertrocknetes Leben, geht ergeben langsam in sein
Schlasgemach, in Einsamkeiten. Der Vorhang fällt.
Wunderschön und einfach ist das durchgeführt und
von Herren Sonnenthal in Würde und unerhörter Ein¬
fachheit gespielt. Nur eines, Herr Dichter: Halten Sie
die Bedürfnisse der Rückenmarks=Seele wirklich für
minder entschuldbar und entrinnbarer als die der Seelen¬
Seele im Weibe?!? Warum sollte der Professor seinem
Weibe unentrinnbare, organische Sehnsuchten ihres jungen,
tyrannischen Leibes weniger verzeihen können als seelische
Dinge?!? Man schreibt immer „Dramen der
[Seele". Man schreibe doch einmal „Dramen des
Leibes“. Hat dieser nicht tiefere mächtigere eigen¬
antigere Complicationen als die Seele?! Sind wir nicht
mehr und öfter in tragischem Kampfe mit ihm als mit
dieser Seele, welche man im Nothfalle immer wieder mit
Idealismus füttern und beruhigen kann!! Diese Be¬
merkungen sollen nicht gegen das Stück gehen, sondern
nur ein bischen in diskreter Art den Geist und die
Originalität des Besprechers zu Worte kommen lassen.
Der grüne Kakadu.
Komödie des Lebens und das Leben selbst. Ein
verlockendes Thema für jene Seltenen, die dem Leben!
selbst, in Folge ihrer Reife oder ihrer Erfahrungen, auf
seine Komödie bereits gekommen sind und den Ernst ge¬
wonnen haben, es nicht mehr ernst zu nehmen. Der
„thierische Ernst“, das ist das Spassigste
am Menschen. Hinter die Sachen kommen, über
die Sachen kommen, von den Sachen wegkommen,
das ist es!! Die unendlichen Variationen dieses Stückes
„Selbsterhaltungstrieb“ und „Glückseligkeitsbedürfnis“ er¬
skennen und sich dieses ewige Drama, dieses
[„Meisterwerk der Nerven“ ununterbrochen vor¬
spielen lassen, von sich selbst und von den Anderen! Und
simmer klatschen. Und immer weinen. Und immer in
ungeheures Lachen ausbrechen! Gehet hin und schauet,
wie nahe Leben und Komödie sich berühren im „grünen
Kakadu“ von Arthur Schnitzler.
Ich sage, gehet hin zu diesem Zwecke allein, aber
nicht um Euch besonders zu amüsiren. Denn das Stück
ist ziemlich fade und die glänzende Idee, auf welche der
Verfasser bei sich selbst hineingefallen ist, hätte fast eines
Shakespeare bedurft, geboren zu werden in's lebendige
Leben der Bühne. Wirklich vollkommen und tadellos
waren in diesem Stücke nur vier Arme. Zwei gehörten
dem Fräulein Ansion, zwei dem Fräulein Häberle.
Peter Altenberg.

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