eben nur Kurbel. Der Leiermann dreht sie, um uns zu zeigen,
wie eine sehr brave Ehefrau vormals mit Gedanken an einen
anderen in die Ehe getreten ist und jetzt wiederum nahe
darau war, mit einem zweiten anderen ein Opfer ihrer Sinne
zu werden. Das Problem, das ich das der „halbtreuen
Ehefrau“ (im analogen Sinne wie „Demi-Vierge“) nennen
möchte, ist ja sehr interessant. Aber es ist eben im „Paracelsus“
nicht dramatisch gelöst, sondern spielt sich sehr glatt von den
Einlagewalzen des Werkels ab.
Hoch über „Paracelsus“ steht „Die Gefährtin“. Aller¬
dings entbehrt auch dieses Stück, insoferne, als es wenig
Handlung aufweist, des dramatischen Lebens. Aber es gehört
eben zu jenen modernen Stücken, die es mit den Seelen¬
vorgängen fein civilisierter Menschen zu thun haben — mit
Seelenvorgängen, für die Handlungen eine zu derbe, Züge ver¬
wischende Versinnlichung sind, die vielmehr nur in Worten und
Wortlosigkeiten ihren dramatischen Ausdruck finden können. Sieht
man die Sache so an, so ist „Die Gefährtin“ eine Leistung
ersten Ranges. Das Stück behandelt des Eheproblem, iuner¬
halb desselben besonders aber die große Frage: Darf im
Herzen des nach Geist und Gemüth höchstentwickelten
modernen Menschen noch Platz für die E#efurcht sein.? Professor
Robert Pilgram beantwortet diese Frage verneinend. Er ist
eben vom Leichenbegängnisse seiner um vieles jüngeren Frau
zurückgekommen. Er weiß, dass sie ihn betrog, mit einem
seiner Schüler betrog. Er versteht sie, er versteht ihn. Und
dann, sie war ihm ja auch eine „Gefährtin“ geworden. Schmerz
er keinen. Erst, wie er jetzt erfährt, dass das ehe¬
Drecherische Verhältnis auf beiden Seiten nicht Liebe, sondern¬
ein loses, kurzfristiges Liebeln gewesen, ergreift ihn tiefes Leid
um sein verfehltes Leben, das er nicht anders hatte ein¬
richten wollen, um das vermeintliche Liebesglück der Beiden
nicht zu stören.
Von den
ersten zwei Stücken sticht das letzte, „Der
mit
grüne Kakadu“, vollständig ab: Eine Massenscene
kräftigen, dramatischem Puls, aber doch dramatisch unzulänglich,
weil aus dem kaleidoskopartigen Geschwirre Massen= und
Es
Einzelschicksal nur theatralisch, nicht lebendig hervortritt.
ist der 14. Juli 1789. In der Pariser Spelunke „Der
grüne Kakadu“ sehen wir Schauspieler, die Verbrechertypen
spielen und Adelsleute, die sich an den gespielten Verbrechen
ergötzen. Dazwischen hinein ragt die große, starke Leidenschaft
des männlichen Stars der Truppe, Henri, zu seiner Gattin,
der leichtfertigen Schauspielerin Leocardie. Diese Leidenschaft
führt den Heißblütigen, kurz, nachdem er den Mord aus
Eifersucht gespielt, zum wirklichen Morde an dem Galan seiner
Frau, einer Herzog. Vor aller Augen geschieht die That.
Mit ihr und den unmittelbar darauf erfolgenden Hereinströmen
des Volkes, das eben von der Erstürmung der Bastille kommt,
schließt das Stück. Die Zeichnung des entfesselten Pöbelthums
und der adeligen Entartung ist bis auf einige, zu dick auf¬
getragene Striche gelungen.
Ob sich zwischen den drei Stücken ein Ideenband schlingt?
Vielleicht! Möglicherweise die Eifersucht: Die Eifersucht des
besitzstolzen Spießbürgers in „Paracelsus“, die Eifersucht des
sedelgearteten, wenig civilisierten Instinctmenschen in „Der
grüne Kakadu“ und die Ueberwindung der Eifersucht bei dem
höchstentwickelten Civilisationsmenschen in „Die Gefährtin“.
Die Darstellung war im allgemeinen eine sehr gute.!
Herr Robert hatte als Paracelsus eine undankbare Rolle.
Aber immerhin war es nicht nothwendig, in Maske und Spiel
gar so sehr den „Medicinmann“ hervorzukehren. Herr Sonnen¬
thal gab den Professor Pilgram mit gewohnter Meisterschaft
— der abgeklärte, innerlich lebende Denkermensch, wie er leibt und
lebt. Weniger gelang ihm der Schauspieler „Heuri“. Er scheint
für diese Rolle doch schon zu alt zu sein. Besonders hervor¬
zuheben wäre noch Frl. Bleibtreu als Olga Meerholm,
eine Nachbarin des Professor Pilgram. Sie spielt die Rolle
einer Beratherin, die gewiss zur „Gefährtin“ gepasst hätte,
Mathias Acher.
mit unnachahmlicher Discretion.
(Raimund=Theater.) Die dreiactige Posse „Eheflüchtling“
hatte bei ihrer Erstaufführung am 25. Februar guten Erfolg.!
Herr Krug, der Autor des Stückes, hat mit Witz und Geschmack
die Folgen, welche einem jungen Künstler aus einem Liebes¬
verhältnisse entstanden, zum Inhalte der Posse genömmen. Er
sowohl, wie auch Herr Natzler, der ein hübsches Couplet dazu
schrieb, die Damen Theren und Lichten, verdienen volles
Lob. In einer Episodenrolle hatte Herr Großmann Beifall.
Die Musik, die Herr-Kodai geschrieben, ist einschmeichelnd und
—k.
gefiel.
Theater.
Hof-Burgtheater. Wenn ein Mann von Geist und
Herz wie Arthur Schnitzler auf dem Plane erscheint,
Einer, zu dessen menschlicher Ehre nichts besseres gesagt,
werden kann, als dass er mit seinem klugen und guten#
Wort immer auf Seite der Niedrigen und Schwachen¬
zu finden ist, dann meinen wir immer, er habe uns etwas
Besonderes zu sagen. Anderen gestatten wir das Theater als
Selbstzweck, ihm darf es nur Mittel zu einem höheren
sein ... so verlangen wir es. Das ist äußerst schmeichel¬
haft und ehrenvoll, bildet gleichzeitig aber auch eine
Einschränkung der dichterischen Freiheit. Warum soll Herr
Schnitzler schlimmer behandelt werden als Herr Fulda
zum Beispiel oder Herr Philippi? Seit wann darf ein
Dichter nur dann dichten, wenn ihm etwas einfällt? Zum
Henker mit solchen Albernheiten! Wohin käme es denn
bei so unbilligen Anforderungen mit der deutschen Literatur?
Herr Schnitzler hat sich das auch gedacht. Morituri
gemischtes Milien
dreitheilige Garderobekasten¬
stücke
kann ich auch. Sonnenthal beneidet Kainz
um seinen Sudermann ... er soll wieder schlafen können
und das Publicum detto! Die Leute halten auf Sonnen¬
thal große Stücke, ergo genügt es, wenn man etliche kleine
für ihn schreibt. Auf diese Weise entstanden die drei Ein¬
acter „Paracelsus“, „Die Gefährtin“ und „Der
grüne Kakadu“. Denn ich wette meinen Kopf gegen
die Tantièmen, die Herr Schnitzler dafür erhält — soviel
dürfte er ja doch noch wert sein... mein Kopf nämlich
auch das erstgenannte Stückchen war ursprünglich für
Meister Adolf bestimmt, kam aber dank seiner besseren
Einsicht in andere Hände. Ueber die Güte der drei Piecen
sind die Meinungen getheilt. Leute, die das Theater vor
dem letzten Stücke verlassen hatten, dürften wahrscheinlich
dieses für das beste halten, andere, die zu spät kamen,
wieder das erste. Es ist manchmal recht schwer, das
Richtige zu finden. Sonnenthal war ausgezeichnet.
Sein „Güsse mich Leogadie!“ klang so weich wie ein
Gummischuh auf Filzplatten. Roberts schauerlich=schöner
Paracelsus erregte sämmtlichen anwesenden Comtessen die
gewohnte Gänsehaut. Sonst sind noch Frau Schratt,
Frau Mitterwurzer, Fräulemn Witt, Bleibtreu,
Haeberle und die Herren Hartmann, Krastel,
Römpler und Zeska lobeweise anzuführen.
Carl-Theater. „Jagag'müath“, Charakterskizze in
vier Acten von Philipp Haas. Herr Baron Haas,
dessen Haus schon so viel Gutes für die Menschheit ge¬
wirkt, das von der letzteren leider mit Füßen getreten
wird, hat für wohlthätige Zwecke eine Schnelldichterei in
seinem Hause eingerichtet, die mit schreckenerregender Rasch¬
heit produciert. Er will das menschliche Elend aus der
Welt dichten und es spielend beseitigen. Als seine Muse
zum erstenmale auf den Brettern des Carl=Theaters er¬
schien, wurde sie von allen Freunden kalter Küche auf
das freudigste bewillkommt. Das war endlich einmal eine
neue Richtung, die man sich gefallen lassen konnte! Panem
et Circenses! Aber die Menschen sind undankbar. So voll
als sie das Maul im Theater genommen hatten mit all