II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 520

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9.4. Der gruene Kakadu ZukIus
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Wiener Kunst.
brillante Leistung bot, der sich Frau Hohenfels als Sängerin mit Einsetzung all
ihrer großen Kunst zur Seite stellte. In der ganz kleinen Charge eines Jnweliers fiel
mir Herr Hofmeister durch seine Charakterisierung angenehm auf.
Dramatisch zweisellos höher steht „Die Hochzeit der Sobeide“. Man hat auch hier
dem Dichter seinen abstrakten Gedankenreichtum zum Vorwurf gemacht. Sehr mit Un¬
recht! Wir leben in einer seltsamen Zeit, in der die Kunstprinzipien in steten Wider¬
sprüchen zueinander stehen. Wir suchen Erlösungen vom Zwange künstlerischer Über¬
lieferungen in neuen Formen und neuen schöpferischen Perspektiven. Kaum aber ist uns
ein echter Künstler erstanden, der eigenwillige Pfade geht, messen wir ihn sogleich mit
jenen Maßen, die er just zu sprengen ausgegangen. So ist es mit Hugo von Hofmanns¬
thal. Wie kaum ein anderes Dichterwerk der letzten Jahre führt dieses sinnnig=schöne
Märchen zu jener intimen und innigen Kunst hinüber, von der wir in ästhetischen Kunst¬
artikeln lange genug träumten, zu jener Kunst, die die reale Welt des Wirklichen durch
den Zauber der Formen in die Traumwelt der Empfindungen zu verwandeln und das
Zeitliche auf der Brücke des abstrakten Gedankens ins Ewige zu rücken vermag. In
diesem leisen, scheuen und edlen Kunstwerk vermählt sich denn auch die gestaltungsloseste
Dichtungsform, die Lyrik, der gestaltungsreichsten, dem Drama, und durch sie erscheint
das brutale Temperament des tragischen Gefühls gleichsam gedämpft — in edle Fermen
gerückt. Der „Hochzeit der Sobeide“ liegt ein sehr einfacher und doch poetisch schöner
Vorwurf zu Grunde. Ein junges Mädchen folgt um ihrer Eltern willen einem reichen
Manne zum Altar. In stummer Entsagung sieht sie einem somenlosen Dasein entgegen,
denn ihre junge Liebe gehört einem anderen — Assad, dem Sohne des Teppichhändlers
Schalluassad. Noch einmal aber, da sie am Hochzeitsabend mit ihrem Manne allein
bleibt, bricht der siegreiche Machtwille des Lebens aus ihr heraus mit den Schauern der
Sehnsucht, mit den Thräuen der Verzweiflung — und sie gesteht ihrem Manne ihre
Liebe zu Assad. Dieser aber öffnet ihr selbst die Pforte seines Hauses, er will sie nicht
an sich fesseln, wenn ihr Herz nicht ihm gehört. Sie stürmt hinaus, noch in der Nacht
zu ihrem Geliebten. Dieser aber stößt sie von sich. Seine Leidenschaft ist für eine junge,
sinnlich=schöne Witwe entbrannt — die Maitresse seines eigenen Vaters. Und nun geht
Sobeide in den Tod. Ich möchte das Stück ein Drama der Güte nennen. In Sobeide,
die von Assad um eines schönen, aber innerlich schlechten und herzlosen Weibes willen
verstoßen wird, und in ihrem Gatten, den sie um Assads willen verläßt — in beiden
muß der tiefe, innere Wert eines Menschen den äußeren Vorzügen eines anderen unter¬
liegen. Der tiefen und erschütternden Tragik stiller, edler Seelen, die soviel an Hingabe
besitzen, wenn sie lieben, soviel an Selbstentäußerung und tiefer Entsagungskraft, daß
sie stumm und schweigend aus der Sonne ihrer Lebenshoffnungen zurückzutreten vermögen
in das Dunkel trauriger Lebensenttäuschung, der unsäglich tiefen und schönen Tragik
solcher Seelen hat der Dichter der Sobeide ein Denkmal gesetzt. Der überkluge Kritiker¬
verstand hat nun freilich gefunden — „so was thäte auch der älteste Perser nicht!" Die
aber mit Liebe den Pfaden des Dichters nachspüren, sie werden fühlen, mit wie viel
saufter Milde er uns in seine Reiche führt zu Menschen, die seinen stillen Dämmer¬
träumen erstanden, die vielleicht nur Dichtergebilde scheinen und doch und dennoch
da und dort gelebt und gelitten haben. Aber still und weltabgekehrt, ihren Wert mit
ihrem Schmerz verschließend und nur darum unbekannt und unbeachtet, weil sie nicht
vor die Menge traten und so gar nichts in sich hatten von großen, tragischen Helden der
Lebensbühne. Jenen, die stumm leiden, well sie sich selbst zu überwinden vermögen,
ihnen, glaube ich, ist diese Dichtung geschrieben worden. Aber neben dieser inneren Tragik