II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 521

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9.4. ber Bruche Kakadu zuklus
Juliane Dérys letzter Brief an M. G. Conrad.
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besitzt das Stück auch eine äußere, von echtem dramatischen Wert. Es ist die Schuld
Sobeidens, die sie an sich selbst wiedererlebt, — die tiefe aber zu späte Erkenntnis,
daß sie den Wert des Lebens zurückgewiesen, um der Leidenschaften ihrer Sinne willen.
Sie hat ihren Mann verlassen, bei dem sie Liebe gefunden, um sich Assad in die Arme
zu werfen, der ihren Wert niemals gefühlt, niemals begriffen hatte. An sich und in sich
erlebt sie nun die tragische Wiedervergeltung, geht sie in den Tod. Und alles dies ist
mit der traumhaften Schönheit eines Märchens wiedergegeben. Nur gedämpft und sanft
klingen die Tubenklänge des Lebens in diese Dämmerstimmung hinein. Der Reichtum
schöner, zwingender Bilder und reifer, edler Gedanken wird erst bei der Lektüre vollkommen
klar.*) Von der Bühne he ab wird manches überhört, klingt manches rasch und flüchtig
dem Ohr vorüher, bei dem man gerne sinnend verweilen möchte. Gespielt wurde im
Burgtheater meisterlich. Fräulein Medelsky, vielleicht die gemütvollste Schau¬
spielerin der deutschen Bühne, gab der Sobeide alle die scheuen und heimlichen
Zauber ihrer Erscheinung und ihres Wesens, das, im Leben selbst von soviel Poesie
durchtränkt, auf der Bühne noch gleichsam zu höherem Leben sich entfaltet. Ihre Anmut,
ihre Güte und Hingabe erschütterten nicht minder als die Töne tragischer Verzweiflung,
die sie im zweiten Akte fand. Dabei verirrt sie sich niemals ins Technische, jede ihrer
Leistungen ist aus innerster Natur herausgeboren, sie spielt ihre Rollen nicht, sie lebt sie.
Darin liegt der wundersame Zauber dieser Künstlerin, in der das Burgtheater heute
seine schönste Verheißung besitzt. Und neben der Medelsky stand Sonnenthal, der
dem reichen Kaufmann soviel innere Würde und Größe gab, daß er selbst dort tiefe und
echte Wirkung zu erzielen vermochte, wo der Dichter aus Reflexion herausgestaltete und
sich vielleicht allzu sehr ins Gedankliche verlor. Frau Kallina und Frau Wil¬
brandt, sowie Gimmig und Devrient sind mit Lob zu nennen. Es lag eine ge¬
wisse Weihe über dem Abend, denn man fühlte, daß ein echter Dichter hier zum ersten¬
male zu Wort gekommen.
Paul Wilhelm.
SN
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G
Juliane Dérys setzter Brief an M. A. Conrad.
Charfreitag 1899.
Lieber Conrad,
ich habe einen Einakter geschrieben „Die Furie“ darin ich geschildert
habe, wieso ich die Telegramme damals nach Schwabach sandte, nicht
anonym. Meine beste Arbeit. Ich war faul, sie abzuschreiben und
nun ists zu spät.
Ehre mein Andenken! Schau, daß anständige Bilder von mir
herauskommen — ich meine, wenn schon, denn schon. Nicht das
*) Die beiden Stücke sind mit einem dritten, „Die Frau am Fenster“, eben im Verlage von
S. Fischer in Berlin erschienen.
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