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9.4. Dergruene Kakadu ZykIus
vom 20
Deutsches Theater.
Mit drei Stückchen die schon in seiner Vater¬
stadt Wien schönen Erfolg hatten, hat Arthur
Schnitzler heute Abend auch bei uns mit den seiner
Muse woblbekannten Truppen des Deutschen
Theaters freundlichen Beifall gefunden. Von
einem durchschlagenden Erfolg kann man eigent¬
lich nur beim zweiten reden, in dem der¬
Schilderer des intimen Kreises des Wiener¬
Miliens zum ersten Mal versucht, Massen in Be¬
wegung zu setzen und sogar gleich die Massen, die
johlend die Bastille stürmten und einem Ge¬
salbten hohnlachend das Haupt vor die Füße legten.
Zum ersten Mal kommt uns der Dichter der
Liebelei „historisch“; er giebt keine Handlung, nur
ein Bild, keinen Akt, nur eine Scene; und doch
es gelingt ihm, uns in diesem Wirtbshaus zum
„Grünen Kakadu“n nach dem das Stückchen ge¬
nanntist, eine jeuer finsteren Höhlen vorzuführen.
in denen Haß und Zorn der Unzufriedenen bei Spiel
und lärmender Selbstverspottung sich sammelte und
auschwoll, bis er die schützenden Dämme
zerriß, die Gefängnisse sprengte die Thronsessel
zerbrach und das Wappen der Bourbonen mit Blut
besudelte. Es ist der erste Akt zu einer unge¬
schriebenen Völkertragödie, was wir hier sehen.
In seiner Mischurg von grausamem Hohn, lachender
Ironie und athertraubender Schwüle und Traurig¬
keit erinnert es ar. Charles Dickens prächtigen Roman
von den
„Z'bei Städten“, der dieselbe Zeit
mit ähnlichen Farben malt. Die Handlung selbst
für 50 Zeit ist Nebensache. Daß in solcher Kneipe, in der
inclusive
100
verkommene Genies mit Lumpen und Verarmten Porto.
von Freiheit träumen und in improvisirten Komödien Zahlbar
200
ihre Bedrücker verspotten, ein Komödiant seine zm Voraus.
500
kaum angetraute Frau ersticht, weil sie geblieben
„ 1000
ist, was sie war, eine Dirne — das ist es nicht
Im
Unsere Theil= litte ist d
was unser Interesse fesselt.
Abonnement
nahme wird erweckt vom Milien; und es ist er= steht es d
Abonnenten
ganz idern.
staunlich, wie echt der Mann, der
und so durch und durch moderner Wiener ist, dieses
Paris vor hundeit Jahren in knappen, scharfen
Linien zu schildern weiß. Halb historisch kommt er —
auch im dritten Stückchen, dem Versspiel „Para¬
celsus“, in dem der Vielverlästerte keine übie Rolle
spielt. Man hat längst seine unbestrittenen großen
Erfolge auf seine Anwendung der hypnothischen
Metyode zu Heilzwecken zurückgeführt. Solch ein
bopnotisches Kunststückchen läßt Schnitzler seinen
Helden nun auch im Hause des biederen Baseler
Messerschmieds Cypriau ausführen. Er nimmt
eine gütige Nache an dem derben Mann, der ihn
und seine Kunst beleidigt. Er führt ihn inniger
mit seinem Weibe zusammen, dem er im hypno¬
tischen Schlaf die Ehrlichkeie gegen sich selbst und
andere suggerirt, und hinterlägt scheidend, fast wie ein
woderner Lustspielonkel, noch ein glückliches Paar. Es
ist eine Kleinigkeit. Ihr Sinn ist schlicht; ihre Verse
sind gefällig, ohne gerade Proben der Lebens¬
weisheit zn bergen. Ein Probiem rollt nur das
Professor hat eben seine Frau begraben. Sie ist viel
jünger gewesen, als er, hat ihn kurze Zeit geliebt und
nie verstanden. Er wußte, daß sie ihn betrog, wußte
auch, mit wem. Mit seinem Assistenten. Die
Freundin, die am Abend des Begräbnißtages kommt,
um die bösen, verrätherischen Briefe zu suchen und
zu vernichten, findet einen Wissenden. Hier ist
kein Betrug mit schonender Hand fanfrecht zu er¬
halten. Das Haus dieses Mannes ist leer ge¬
worden; sein Herz war es längst. Aber nun
kommt der „Andere“ zurück, den sie geliebt hat, der
sie geliebt hat. Und im ersten Gesprächerfährt der
Professo., daß dieser Geliebte seinesDoibes sie¬
eben im Seebad verlobt hat.