II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 569

S
9.4. Der Bruche Kakadi1 1—
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„OBSERVER“ Nr. 36
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Hannoverischer Pourier, Hannerer
vom 7/ 09
(Kleine Mittheilungen.) Professor Angeli in Wien
„ist nach Schloß Windsor berufen worden, um ein Porträt der
Königin Victoria nach ihrer Rückkehr von der Riviera zu malen. —
Drei Einakter von AuburSchnitler wurden am Sonnabend
zu Berlin im Deutschen Theater gegeben. Der erste, „Die Gefährtin“,
eine kurze feine psychologische Skizze aus dem Eheleben, fesselte.
Geradezu enthusiastisch wurde das zweite Werk, das groteske „Der
grüne Kakadu“, aufgenommen. Mit ungeheurer dramatischer
Wucht läßt hier der Dichter auf dem Hintergrund der französischen
Revolution eine Ehetragödie aus dem Komödiautenleben sich ab¬
spielen. Humor und Tragik verweben sich zu bleudenden Effekten.
Bei dem Schlußstück „Paracelsus“ das stark gesucht seine Wirkungen
aus Mystik und Hypnotismus herholt, vermochte nur Josef Kainz'
sprühende Dialektik in der Titelrolle zu fesseln. — Noch ein neues
Theater wird für die Pariser Weltausstellung 1900 vor¬
bereitet. Es ist das ein Theater in frischer Luft, das den Namen
„Theatre Provincial“ erhalten soll und das wir, um keine falsche
Vorstellung zu erwecken, nicht wörtlich übersetzen dürfen, sondern
mit Dialekttheater etwa bezeichnen müssen. Auf dieser Bühne
soll die dramatische Literatur der französischen Provinz zu Worte
kommen.
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—heiter.
Im Deutschen Theater wurden am Sonnabend drei neue
Einakter von Arthur Schnitzler, die schon am Wiener Burg¬
Theater ihre Feuerprobe bestanden, zum erstenmale aufgeführt. Ist
es auch nicht viel im starken Sinne, so ist es doch vielerlei, an das
sich die regsame und geschmeidige Begabung Schnitzlers heranwagt.
Eins hat Schnitzler vor den meisten seiner Wiener Mitbewerber voraus:
Seine Kunstarbeit ist von Anfang bis zu Ende sauber und niemals¬
fahrig. Ein geistreicher Beobachter führt das Wort. Ihm sind die
heftigen, die leidenschaftlichen Töne nicht so sehr eigentümlich. Seine
Kunst wurzelt nicht in tiefschöpfender Kraft, sondern mehr in be¬
weglicher Anmnt. Sie wird einigermaßen schen vor dem großen
tragischen Vorwurf. Am Einakter vom „Grünen Kakadu“ konnte
man das deutlich wahrnehmen. Der Antor nennt ihn eine Groteske;
der Akt hatte unter allen dreien den lebhaftesten Erfolg.
Doch wenn man von den witzig beleuchteten Kontrasten
und dem klug geführten theatralischen Bau absieht, in
der innersten Seele des Stücks lebt nichts, was in Wahrheit
erschüttert. Und das, trotzdem die Vorgänge im „Grünen Kakadu“
mit dem Sturm der Bastille, mit der Erregung der großen Revo¬
lution zeitlich zusammenfallen. Es ist, als wenn einer an einem
aufflammenden Brand sein Spähnchen entzündete. Es bleibt etwas
Anekdotisches an allem haften. Zum Teil liegt es an der kurz¬
artmigen, spitz ausgeführten Form des Einakters, wie sie jetzt
manngfach Mode geworden ist. Der „Grüne Kakadn“ ist eine Wein¬
wirtschaft, der ein findiger Gastwirt den Scheincharakter einer Ver¬
brecherkneipe gegeben hat. Gedungene Schauspieler müssen täglich
vor einer aristokratischen Gesellschaft von Tröpfen und Verlotterten
sich als Verbrecher kostümieren und die schlimmsten Scheinabenteuer
zum besten geben. So giebt sich einmal auch der Erste der Truppe,
Für Herr Heuri, für einen Mörder aus. Er hätte den Liebhaber seiner
Frau erschlagen. Während er phantastisch spielt, erfährt er, daß ein
Herzog wirklich ein Verhältnis mit seiner jungen Frau pflege. Dasx
Spiel wandelt sich in Ernst, als dieser Herzog in den Verbrecher=us.
# 1 keller eintritt. Der Straßenlärm draußen sagt: „Die Bastille ist“
gefallen“ und im „Verbrecherkeller“ Prospères ersticht der rasende das
Komödiant, der von Kainz im virtnosen Stil gegeben wurde,; den
Abor
den Herzog, der ihm sein Liebstes raubte.
Abor
Am Wiener
Hof=Theater ist diese Komödie, die wirklich nichts
Aufwühlendes an sich hat, anstandslos gegeben worden. Bei uns
hat man sich nur schwer entschlossen, die Komödie frei zu geben.
Das ist charalteristisch für das Thema: Berliner Kunst und Polizei.?
Das Schauspiel „Eine Gefährtin“ gefiel und regte an,
doch nicht so lebhaft, als der „Grüne Kakadu.“ Es ist ein Drama
mit elegischem Grundklang, aber es ruht auf spitzfindigen Voraus¬
setzungen. Professor Pilgram — von Nissen klug und ohne
Sentimentalität gespielt — hat eben sein Weib begraben. Er war
um zwanzig Jahre älter gewesen, als er sie heiratete; es kam, wie
es zu gehen pflegt. Die Gattin wandte sich vom alternden Mann
dem jüngeren Freund zu. Herr Pilgram ahnte es, begriff und ließ
es geschehen. Erst nach dem Tode der Gattin erfährt er die volle,
beschämende Wahrheit.
Dem jüngeren Freund war Pilgrams
Gattin mit Bewußtsein nicht viel mehr als eine Dirne. Und um
ein solches Weib hatte Professor Pilgram zehn Jahre lang gelitten!
Am wenigsten verkleidet kommt Schnitzler in einem Versspielz
von anmutig zierlichem Zuschnitt, dem „Paracelsus“; Paracelsus
ist ein verseinerter Schwank, über den doch wieder einige ver¬
sonnene Melancholie wie ein leichter Flor gebreitet ist. Diesen
reinliche Arbeit wußte eber am wenigsten zu fesseln, wiewohl
Kainz als Paracelsus pnächtige kapriciöse Lanne und Nissen
derbe Frische entwickelte. „Paracehus“, der überlegene Geist, wird von
dem Baseler Schwertfeger Cyprian doch nur wie ein fahrender
Hexenmeister und zigennernder Lump behandelt. Dafür rächt sich
der Meister an dem biederen, aber beschränkten Bourgeois, indem er
Cyprians Gattin in Hypnose versetzt. Während der Hypnose giebt
Justina auf Geheiß des Paracelsus Rechenschaft von ihren innersten
Gefühlen, und sie sind nicht von der Art, daß sie den Gatten be¬
sonders stolz machen können. Das Spiel endigt, wie in moderni¬
sierter Hans Sachs=Weise, mit dem Gelöbnis Cyprians, heilsam be¬
lehrt zu sein. —
Z