II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 570

box 15//6
9 4. bergruene Kakadn zyklus
Telefon 12801.
Ausschnitt
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Nr. 96
„OBSERVER
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31a.—
Ausschnitt aus:
Vossische Zeilueg, Borlio
vom 1.
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Es ist ein paar Stunden nach dem Begräbniß der Frau Pro¬
fessor Pilgram. Daß sie seit Jahren mit dem jugendlichen;
Assistenten Hausmann die Ehe gebrochen hatte, weiß der ver¬
wittwete Ehegemahl längst. Er meint auch den Grund zu
kennen: er war alt, und sie war jung; Jugend zieht es zu
Jugend, und Leidenschaft will ihr Recht haben. So schwieg
er und duldete, ein Menschenkenner und Märtyrer. Doch er
täuscht sich, der „Menschenkenner“. Wer aber kennt auch die
Frauen jemals ganz! Nicht die Leidenschaft der Liebe, nur die
spielerische Sucht und der prickeknde Reiz zu einer „Liebelei“!
trieb die Frau in die Arme des junges Mannes, von dem sie
wußte, daß er sich heimlich zu baldiger Heirath einer anderen anverlobt
hatte. Das nun erfährt der junge Wittwer und alte Mann.
Und die Wirkung solcher Kunde auf den, der nicht nur getäuscht ist,
sondern auch enttäuscht sein muß? Sie ist ihm noch „tödter“ als todt
Er schließt ihr Zimmer von allen Seiten ab und verreist. Nach
seiner Rückkehr wird er sicherlich nur noch seiner Arbeit leben.
Die war und wird ihm sein, was seine Frau nie ge¬
wesen; ist, eine „Giefährtin" Oder wird er eine solche
doch noch leibhaftig finden in der ganz verschwommen ge¬
zeichneten Frau Olga, der Gattin irgend eines anderen, der
ihr ebelich angetrauter Mann, aber nicht ihr „Gefährte“ ist?
Der Dichter läßt das Verhältniß der Frau Olga Merholm zu
dem Professor Pilgram ganz im Unklaren, vielleicht mit Absicht:
es soll wohl so eine dunkle Ahnung hervorgerufen werden von
dem seltsamen Spiel des Lebens, das für einander geschaffene
„Gefährten“ auseinanderhält und an Geschöpfe kettet, die zu
manchem andren, aber nicht zu gemeinsamer „Fahrt“ durch ein
par ganzes langes Leben geschaffen sind. Gefährtin und Geliebte
zugleich, das wäre ein Ideal! Wo findet sich das Weib, ja#
10 das solche Gegensätze in sich zu vereinigen wüßte! Frau sto.
wohl über
200 Justina in dem Versspiel „Paracelsus“ könnte es
500 sein, wenn ihr stattlicher, biederer und wohlbabender Gemahf braus

" 1000 der Waffenschmied Cyrrian nicht im Laufe der Jahre ein bischen
zu sehr Gatte und ein bischen zu wenig Geliebter geworden st das
Abonne wäre. Kann man es da einem warmen, blühenden, reifen Frauen= les den
Abonne herzen verdenken, wenn es sich nach Liebe, nach kräftiger, wärmender L.
Mannesliebe sehnt, wenn es träumt: ach möchte doch, dieser oder
jener .. .. Dech der Traum wird von dem keuschen Herzen gar
nicht zu Ende geträumt, der Gedanke gar nicht zu Ende gedacht.
Er käme Frau Justina wohl kaum zum Bewußtsein, wenn
nicht der kluge „Zäuberer“ Paracelsus dieses Bewußtsein
der in Wahrheit ein glänzender Kenner der
weckte, er,
Menschenseeien und besonders der Frauenherzen ist. Durch
das Mittel der Hypnosé zwingt er Frau Justina, nachdem er vor¬
her noch einen boshaften Scherz mit dem allzu lau gewordenen
Gatten getrieben hatte, die Wahrheit über ihr innerstes Fühlen,
ihre geheimsten Herzensregungen preiszugeben. Und nun enthüllt“
sich in anmuthigen Versen — die Frl. Dumont ganz reizend
eine Frauenféeke mit ihrem Wunsche, treu zu
sprach
bleiben, aber auch geliebt zu werden. Treue um Liebe!
bo klar und hell führt Frau Justina ihr tiefgeheimstes
Fühlen aus Licht, daß selbst der Frauenkenner Parecelsus tiefern
Einblick in des Weibes Wesen gewinnt und seinen eigenen Zauber
vor dem dem Weibe angeborenen Zauber der Liebesmacht und
Liebesbedürftigkeit erliegen sieht. Dem durch Gewohnheit allzu
lau gewordenen Ehegemahl aber geht ein Lichtchen auf, das ihm
nicht nur die im Geheimen drohende Gefahr beleuchtet, sondern
ihn auch in neuer Liebe frisch erglühen läßt. So löst sich dieses
anmuthige und geistreiche Versspiel in Wohlgefallen auf. Zu
bintigem Schluß dagegen kommt der mit so sprühender Heiterkeit
einsetzende „Geüne Kukadn“. Es ist das der Name einer ganz
sonderbaren Kellerkneipe, in der Schmierenschauspieler niedrigster
Sorte vor hohen Adligen und reichen Lebemännern Komödie
spielen. Und zwar ist der Gegenstand der Komödien immer
ein Verbrechen, daß der eine oder der andere Darsteller
begangen zu haben vorgiebt und wovon er ausführlich
erzählt. Es hat gar keinen Zweck, den Inhalt dieses
ganz außerordentlich geistreichen Werkchens näher anzugeben.
Denn der Reiz liegt nicht in dem Geschehniß, sondern in dem
er Giegenfäte Dekadente Lebe¬