II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 579

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9.4. DerErnene Kakadu— ZukIns
diesen Komoolanten ist der Hauptheld ein gewisser von Herrn
Ka#n mit der ihm eigenen genialen Phantastik dargestellter Heuri.
Er hat eine äußerse kokette, fast schon verlotterte Kollegin geheiratet,
will sich mit ihr auf das Land zurückziehen und exkemporiert in Ab¬
wesenheit der schwärmerisch Angebeteten vor den aristokratischen Zech¬
Gästen der Bontique einen ganz aparten Verbrecher=Coup: er habe
sein untreues Weib in flagranti überrascht und den Verführer, einen
jungen Herzog, der soeben noch im Lokal anwesend war, getötet.
* Deutsches Theater. Dem vorgestrigen Schnitzler¬
In der Steigerung des tumultuarischen Getöses von der Straße
[bend leuchtete der günstigste Stern. Drei einaktige, neue
und
aus,
Unter dem zustimmenden Lärmen der Keller¬
Bühnenwerke des Wiener Autors, der unter den jüngeren Drama¬
Gesellschaft wird aus dem dramatischen Wahngebilbe plötz¬
tikern zu den berufensten zählt, gingen in Seene und brachten dem
lich eine grauenhafte Wahrheit; denn der angeblich Ermordete
anwesenden Verfasser sämtlich sehr ehrenvolle Auszeichnungen ein.
betritt wieder die Kneipe, und in der phantastischen Ekstase, gleichsam
Die Stimmungsverschiedenheit der drei Bühnenwerke bedingte auch
durchdrungen von der Rache der Eifersucht, stürzt Henri auf den
eine bestimmte Aufeinanderfolge nach der Farbenordnung. Ueber
Rivalen und ersticht ihn, während das Volk hereinströmt und unter
dem ersten Schauspiel, „Die Gefährtin“, schwebte der Genins
wildem Siegesjubel den Fall der Bastille verkündet, Ein zweifellos
des Todes, wie im ersten Akt des „Vermächtnisses“. Die Bühne ist
packender theatralischer Abschluß für das nur skizzenhaft erscheinende
ein Trauerhaus. Ein Professor hat nach zehnjähriger Ehe, die nur im
revolutionäre Stimmungsbild, in welchem sich Schein und Wirklich¬
ersten Jahre ungetrübt glücklich verlief, sein Weib durch den Tod verloren
keit, Komödie und Wahrheit ununterbrochen durcheinanderschieben.
und muß unmittelbar nach dem Begräbnis die traurige Entdeckung
Das Ganze ist vom Verfasser absichtlich in eine so stürmisch flackernde
machen, daß die Gattin der vornehmen Gesinnung, die er ihr ent¬
Beleuchtung gestellt, daß man nur eine einzige Gesindel=Gesellschaft
gegengebracht und bis zum Tode bewahrt, garnicht wert war, und
zu erblicken wähnt, in welcher der Anständige sich nicht mehr
sein eigener Assistent ein ehrloser Lump ist.
Der Stoff dieses Dra¬
vom Unanständigen, der feine Wilhelm sich nicht vom groben Gott¬
molets, welches nur zwischen drei Personen sich abspielt, dustet nicht
lieb, der Plebejer sich nicht vom Edelmann, der Gerechte sich nicht
besonders angenehm, aber die feine und intime Kunst Arthur
vom Ungerechten, der Lump sich nicht mihr vom Schurken unter¬
Schnitzler's in der Entfaltung menschlicher Gemütszustände sichert
scheiden läßt. Die schwierige Inseenierung der originellen dramatischen
der Arbeit, die mehr als Skizze erscheinen will, ein starkes Interesse.
Groteske war vortrefflich gelungen. Unter den Darstellern traten
Zudein trat die bedeutsame darstellerische Kraft des Herrn Nissen in
neben Herin Kainz am markantensten noch Herr Fischer als
der Rolle des Witwers für den Erfolg der Sache ein.
Einer
„Wirt und Direktor“, Frl. Dumont als „Marquise“ Herr Winter¬
sehr
stürmischen Glanz=Aufnahme begegnete das zweite
stein als „junger Herzog“ hervor. Nach kem stürmischen Charakter
Stück „Der grüne Kakadn“
dem der Autor die Be¬
des „Grünen Kakadu“ wirkte die rhythmische Schlußgabe „Para¬
zeichnung „Groteske“ gegeben hat.
Es liegt ein originell
celsus“, ein Versspiel auf altdeutschem Boden, um so freundlicher
fesselnder, wilder, aber auch ins Tragische verlaufender Humor in
und behaglicher. Aus der stickigen Luft der Pariser Revolutions¬
diesem Schauspiel, welches in einer Pariser Kellerwirtschaft spielt
Kaschemme sah sich
der Zuschauer
das lichte Heim
und den Bastillensturm vom ersten Dröhnen der Kanonen an bis
eines süddeutschen wackeren Waffenschmieds versetzt, der seinen
zum völligen Revolutions=Siege zum Hintergrund hat. Der sonder¬
und seiner Gattin Jugendfreuns, den mittlerweise berühmt gewordenen,
bare Keller führt das Schild „Zum grünen Kakadu“ und wird in
von den Zopf=Akademikern als Schwindler und Marktschreier ver¬
verdächtig=grotesker Weise von einem heruntergekommenen ehemaligen
schrienen Bombastus Paracelsus zu Gast geladen hat. Ungläubig¬
Provinz=Theaterdirektor bewirtschaftet, der zum Gaudium vornehmer
keit der Umgebung treibt den klugen Medikus und scharfen Menschen¬
auistokratischer Herren und sogar Frauen, zum Amnsement
kenner, die Hypnose magisch an der Frau des Waffenschmied's zu
von blasierten Edelleuten und Marquis von seinen Leuten,
erproben und bezüglich gewisser Herzensaffairen eine dramatische Ent¬
Komödianten, untermischt mit Galgenvögeln und Spitzbuben
hüllung und zugleich Verwirrung zu erzielen, die sich schließlich
sehr lustige Verbrecher=Scenen extemporieren läßt. UnterI allgemein zur wechtelleitigen Zufriedenheit ordnet. Eine ebenso geist¬
gvoll anziehende fein humoristische wie liebenswürdige kleine
dramatische Arbeit, die, in der Hauptrolle von den. Herren Kainz,
[Nissen, Fischer und Frl. Dumont entzückend gespielt, den Er¬
folg des Abends krönte.