einmal mehr zu einem Na! Er durchmißt schweigend
ein paar Mal das Zimmer und der Vorhang senkt sich
langsam, Alles verhüllend, wie das sonst der bekannte
Mantel der Liebe macht. Für einen Einakter kann
man an ausgesonnener Erfindung und erkünstelter Ver¬
wicklung nicht gut mehr verlangen. Aber auch sonst
ist das kleine Stück ein Mustererzeugniß theatra¬
lischer Halbkunst. Das, was im Grunde das
Wesentliche ist, die Charaktergestaltung eines Mannes
von der Art des Professors, eines Weibes,
wie es diese Vielgeliebte ist, daß wir sie Beide in ihrem
innersten Wesen verstehen lernen,
das ist für
SSchnitzler ganz Nebensache.
Statt eines lebendigen
Gesammtbildes giebt er nur die Momentaufnahme eines
Einzelzugs, der allein durch seine Pikanterie zu wirken
hat, nur die Würze zum Gericht, das Gericht selbst
mögen wir uns, wenns uns behagt, hinzudenken.
Lotti Sarrow Winterstein und vor Allem
Nissen sprachen, was sie zu sagen hatten, mit
so viel Empfindungsausdruck wie möglich; darzustellen
hatten sie nichts. Auf eine Pikanterie läuft auch das
zweite Stück „Der grüne Kakadu“ hinaus,
trotz allen Wuthgeschreis und trotz der Blutthat, mit
der die Handlung schließt. Aber es pulst doch mehr
Leben, und in all der Schauspielerei, die uns vorgeführt
wird, mehr ernst zu nehmende Empfindung, als in der
„Gefährtin“. Im Hintergrunde des Genrebildes, das
Schnitzler zeichnet, wetterleuchtet die Revolution, und
das bringt einen Zug von Größe in das bewegte,
farbige Werk. Prospère, ein ehemaliger Theater¬
direktor, hat in Paris eine Kipe aufgethan.
Damit diese Spelunke „zum grünen Kakadu“
sondern vornehme Gäste anlockt, kommt der Wirth auf
den spitzbübischen Gedanken, die Schauspielerbande, die
er bisher leitete, auch weiterhin für seine Zwecke aus¬
zunutzen. Er verpflichtet sie als Stammpublikum für
die Kneipe, sie müssen sich als Verbrecher aufspielen,
die den sonstigen Gästen grauliche Geschichten von
Mordthaten, Einbrüchen, Brandstiftungen zum Besten
geben. Er selbst würzt diese Unterhaltung durch die
Frechheit, mit der er die Gäste, zumeist blasirte Aristo¬
kraten, behandelt. Am Abend des 14. Juli 1789
kommt der Hauptdarsteller der Kneipe, Citoyen Henri,
mit einem ganz neuen eigenartigen Tric. Er hat
soeben eine seiner Kolleginnen geheirathet, eine leicht¬
fertige Person, die er jedoch leidenschaftlich liebt. Mit
allem Aufwand schauspielerischer Mache erzählt er nun
den Gästen, er habe vor wenigen Minuten einen Mord
begangen, er habe seine Frau im zärtlichen Beisammen¬
sein mit dem Herzog von Cadignan überrascht und den
Verführer niedergestoßen. Die Zuhörer wissen nicht
recht, ob der Komödiant spaßt oder in der That sich
hat hinreißen lassen. In diesem Augenblick betritt der
Herzog selbst die Kneipe. Mit ihm strömt allerlei
Volk herein; es kommt von der blutigen Arbeit, die es
beim Bastillensturm verrichtet hat. Aus allerlei An¬
deutungen entnimmt Henri, daß der Herzog in Wirklichkeit
ein Verhältniß mit seiner Frau hat. Und nun wird
aus der Komödie wilder Ernst. Von der allgemeinen
Erregung mitgerissen, ersticht der Schauspieler den Herzog.
Es ist ein packendes Virtuosenstückchen, das Schnitzler
sich hier leistet, blendend, aber ohne tiefere Empfindung
zu erregen. Um ein Kunstwerk im ernsten höchstem
Sinne zu sein, dazu fehlt es den Vorgängen an inner¬
licher Begründung, an echtem Wesensgehalt. Wie in
der „Gefährtin“ haben wir es auch hier mit einem
Momentbild zu thun, das für den Augenblick besticht,
ohne seelisch nachzuwirken. Alles für den Effekt, nichts
für Geist und Empfindung. Und auch in diesem Stückchen
bedeutet die Erfindung mehr, als die Ausführung.
Die Szenen in der Kneipe könnten doch noch weit
tolleren Humor athmen, sie sind mehr stizzirt, als aus¬
gemalt; von den Gestalten sind besonders die Aristo¬
kraten zu matt und nichtssagend gehalten. Ueber
manche Schwächen aber half die Darstellung hinweg.
Kainz, Rittner, Fischer, Biensfeldt,
Alle
Luise Dumont, Maria Reisenhofer,
thaten an ihrer Stelle das Beste, sie sprühten von
Leben... Der sinnvollste, theatralisch aber unwirksamste
unter den drei Einaktern ist das Versspiel
„Paracelsus“ Für den Tiefsinn freilich, den der Held
des Schwankes zum Schlusse vorbringt, ist die Hand¬
tung denn doch nicht bedemend genug. Sie führt aus,
wie der alte Theophrastus Bombastus Paracelsus einen##
Philister, der sein Genie nicht zu schätzen weiß, an der
empfindlichsten Stelle seines Hochmuths straft.
Der
820
Schwank würde kräftiger einschlagen, wenn er nicht so
schwerfällig einhertrottete. Däs gilt auch von der
Form. Es ist schwer einzusehen, warum Schnitzler den
viel zu muchtigen fünflüßigen Jambus statt eines
leichten Reinwerses, am besten des Knittelverses, gewählt
hat.
Auch in Diesem Stück war die Darstellung ohn
Fehl und Tadel. Es ist mir leider nicht mehr möglich,
näher auf das, was Kainz, Nissen und Fischer, was
die Damen Dumont und Heims leisteten, näher ein¬
zugehen.
Heinrich Hart
ein paar Mal das Zimmer und der Vorhang senkt sich
langsam, Alles verhüllend, wie das sonst der bekannte
Mantel der Liebe macht. Für einen Einakter kann
man an ausgesonnener Erfindung und erkünstelter Ver¬
wicklung nicht gut mehr verlangen. Aber auch sonst
ist das kleine Stück ein Mustererzeugniß theatra¬
lischer Halbkunst. Das, was im Grunde das
Wesentliche ist, die Charaktergestaltung eines Mannes
von der Art des Professors, eines Weibes,
wie es diese Vielgeliebte ist, daß wir sie Beide in ihrem
innersten Wesen verstehen lernen,
das ist für
SSchnitzler ganz Nebensache.
Statt eines lebendigen
Gesammtbildes giebt er nur die Momentaufnahme eines
Einzelzugs, der allein durch seine Pikanterie zu wirken
hat, nur die Würze zum Gericht, das Gericht selbst
mögen wir uns, wenns uns behagt, hinzudenken.
Lotti Sarrow Winterstein und vor Allem
Nissen sprachen, was sie zu sagen hatten, mit
so viel Empfindungsausdruck wie möglich; darzustellen
hatten sie nichts. Auf eine Pikanterie läuft auch das
zweite Stück „Der grüne Kakadu“ hinaus,
trotz allen Wuthgeschreis und trotz der Blutthat, mit
der die Handlung schließt. Aber es pulst doch mehr
Leben, und in all der Schauspielerei, die uns vorgeführt
wird, mehr ernst zu nehmende Empfindung, als in der
„Gefährtin“. Im Hintergrunde des Genrebildes, das
Schnitzler zeichnet, wetterleuchtet die Revolution, und
das bringt einen Zug von Größe in das bewegte,
farbige Werk. Prospère, ein ehemaliger Theater¬
direktor, hat in Paris eine Kipe aufgethan.
Damit diese Spelunke „zum grünen Kakadu“
sondern vornehme Gäste anlockt, kommt der Wirth auf
den spitzbübischen Gedanken, die Schauspielerbande, die
er bisher leitete, auch weiterhin für seine Zwecke aus¬
zunutzen. Er verpflichtet sie als Stammpublikum für
die Kneipe, sie müssen sich als Verbrecher aufspielen,
die den sonstigen Gästen grauliche Geschichten von
Mordthaten, Einbrüchen, Brandstiftungen zum Besten
geben. Er selbst würzt diese Unterhaltung durch die
Frechheit, mit der er die Gäste, zumeist blasirte Aristo¬
kraten, behandelt. Am Abend des 14. Juli 1789
kommt der Hauptdarsteller der Kneipe, Citoyen Henri,
mit einem ganz neuen eigenartigen Tric. Er hat
soeben eine seiner Kolleginnen geheirathet, eine leicht¬
fertige Person, die er jedoch leidenschaftlich liebt. Mit
allem Aufwand schauspielerischer Mache erzählt er nun
den Gästen, er habe vor wenigen Minuten einen Mord
begangen, er habe seine Frau im zärtlichen Beisammen¬
sein mit dem Herzog von Cadignan überrascht und den
Verführer niedergestoßen. Die Zuhörer wissen nicht
recht, ob der Komödiant spaßt oder in der That sich
hat hinreißen lassen. In diesem Augenblick betritt der
Herzog selbst die Kneipe. Mit ihm strömt allerlei
Volk herein; es kommt von der blutigen Arbeit, die es
beim Bastillensturm verrichtet hat. Aus allerlei An¬
deutungen entnimmt Henri, daß der Herzog in Wirklichkeit
ein Verhältniß mit seiner Frau hat. Und nun wird
aus der Komödie wilder Ernst. Von der allgemeinen
Erregung mitgerissen, ersticht der Schauspieler den Herzog.
Es ist ein packendes Virtuosenstückchen, das Schnitzler
sich hier leistet, blendend, aber ohne tiefere Empfindung
zu erregen. Um ein Kunstwerk im ernsten höchstem
Sinne zu sein, dazu fehlt es den Vorgängen an inner¬
licher Begründung, an echtem Wesensgehalt. Wie in
der „Gefährtin“ haben wir es auch hier mit einem
Momentbild zu thun, das für den Augenblick besticht,
ohne seelisch nachzuwirken. Alles für den Effekt, nichts
für Geist und Empfindung. Und auch in diesem Stückchen
bedeutet die Erfindung mehr, als die Ausführung.
Die Szenen in der Kneipe könnten doch noch weit
tolleren Humor athmen, sie sind mehr stizzirt, als aus¬
gemalt; von den Gestalten sind besonders die Aristo¬
kraten zu matt und nichtssagend gehalten. Ueber
manche Schwächen aber half die Darstellung hinweg.
Kainz, Rittner, Fischer, Biensfeldt,
Alle
Luise Dumont, Maria Reisenhofer,
thaten an ihrer Stelle das Beste, sie sprühten von
Leben... Der sinnvollste, theatralisch aber unwirksamste
unter den drei Einaktern ist das Versspiel
„Paracelsus“ Für den Tiefsinn freilich, den der Held
des Schwankes zum Schlusse vorbringt, ist die Hand¬
tung denn doch nicht bedemend genug. Sie führt aus,
wie der alte Theophrastus Bombastus Paracelsus einen##
Philister, der sein Genie nicht zu schätzen weiß, an der
empfindlichsten Stelle seines Hochmuths straft.
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Schwank würde kräftiger einschlagen, wenn er nicht so
schwerfällig einhertrottete. Däs gilt auch von der
Form. Es ist schwer einzusehen, warum Schnitzler den
viel zu muchtigen fünflüßigen Jambus statt eines
leichten Reinwerses, am besten des Knittelverses, gewählt
hat.
Auch in Diesem Stück war die Darstellung ohn
Fehl und Tadel. Es ist mir leider nicht mehr möglich,
näher auf das, was Kainz, Nissen und Fischer, was
die Damen Dumont und Heims leisteten, näher ein¬
zugehen.
Heinrich Hart