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hussens zamazor - Wen
ERSATZZ-
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Leipziger Theaterbericht.
Leipzig, den 17. October 1899.
Drei Einacter bot uns der Schnitzler=Abend, und zwar „Paracelsus“,
„Die Gefährtin", „Der grüne Kakadu“. Die Aufnahme der Novitäten war
eine sehr verschiedene. „Paracelsus“ zog etwas an, die „Gefährtin“ ließ kalt,
der „Kakadu“ brachte starken Beifall und starkes Zischen, doch im Aufbruchs¬
lärm verstummte Beides, ohne Entscheidung zu bringen.
„Paracelsus“ versetzte die Zuschauer in's Reformationszeitalter.
Paracelsus, dessen Geisteskräfte entschieden die des größten Theiles seiner
Zeitgenossen überragien, wird in dem Theaterstücke weniger als der berühmte
Gelehrte oder tüchtige Arzt hingestellt, vielmehr posirt er den Zauberkünstler,
den Wunderdocior, der mit Hilfe der Hypnose Menschen nach seinem
Willen empfinden, sprechen und handeln läßt, und den aus diesem Grunde,
nicht ganz mit Unrecht, der hausbackene, geschwätzige, protzige Philister zu
der Masse des fahrenden Volkes zählt. So dreht sich die ganze Handlung
eigentlich nur um die Hypnose der Frau Justina. Herr Körner spielte
den Paracelsus entsprechend, vielleicht hätte er noch etwas mehr den wahren
Paracelsus berücksichtigen können, um ganz zu wirken. Die Justina des
Frl. Rocco im wirklichen und im Traumleben war recht gut.
In der „Gefährtin“ soll im Gegensatz zu dem mehr irrlichternden
„Paracelsus“ ein tiefes Problem berührt — nicht gelöst — werden. Es werden
die Gedanken und Erwägungen wiedergegehen, die einen ernsten, älteren
Gelehrten geleitet haben, seine, allerdings zwanzig Jahre jüngere Frau
mit seinem Assistenten im Ehebruch leben zu lassen — er hat nämlich seine
Frau gerade begraben und erwartet eben diesen Assistenten. Da erfährt er
aus dessen eigenem Mund, daß dieser schon längere Zeit im Stillen verlobt
ist, und nun sieht er alle seine Beruhigungsvorwände weggerissen, jetzt eist
erkennt er, was seine Frau diesem Menschen gewesen ist, und er weist ihn
hinaus. Aber bald ist er wieder anderer Meinung, eine Freundin seiner
Frau macht ihn darauf aufmerksam, daß diese von der Verlobung gewußt
habe; er beruhigt sich und denkt an seine Arbeit. Diese undankbare Rolle
war Herrn Taeger zugefallen; er gab sich die denkbarste Mühe, möglichst
viel aus ihr zu machen, sie möglichst annehmbar auszugestalten — die
schwächliche Problematik des Herrn Professor konnte nicht erwärmen.
Das dritte Stück, „Der grüne Kakadu“, erregie erst die Gemüther.
Auch dieses Stück arbeitei mit viel Zweifelhaftem, zumal der nicht ent¬
sprechenden Zeitcharakteristik. Dem Tage des Bastillesturmes waren schon
zwei Tage vorangegangen, an denen in Paris Blut floß, zwei Nächte,
während denen circa 50.000 Proletarier plünderten und diesen standen die
Burger, die eigentlichen Träger der Revolution, sogar feindlich gegennver¬
In solchen Tagen flieht auch dem Leichtsinnigsten der Leichtsinn, und so
sind weder die Aristokraten noch Proletarier wirklich den damaligen Tagen
entnommen, sie sind Phantasiegebilde Herrn Schnitzler's. Sonst ist „Der
grüne Kakadu“ packend und fesselnd, und außerdem von den drei das
Bedeutendste. Die Charaktere im Stücke sind gut gezeichnet, alles Leute von
vorzüglicher Prägung, der hinterhältige, rachgierige Wirt (Hr. Hänseler),
der eifersüchtige, einzige Schauspieler Henri (Hr. Grelle), die frische,
freche, fesche, liebesselige Léocadie (Frl. Dalldors), der jämmerliche, feige
Grain (Hr. C. Müller), der vorzügliche frivol=blasirte Vicomte von
Nogeant (Hr. Körner), der liebenswürdige, kluge Herzog von Cadignan
(Hr. Otto), der naive, hübsche Chevalier de la Tremouille (Frl. Laue),
die Marquise fin de siecle von Lansac (Fr. Franck). Sie alle spielten
ihre Rollen auf das Beste, wirksam im Ensemble, allen Anforderungen in
jeder Hinsicht entsprechend.
Lustiger und die Kritik kaum herausfordernd war das Volksstück
„Die Herren Söhne“ von Oscar Walther und Leo Stein, aus dem einfachen
Grunde, weil so ein Volksstück nach berühmten oder bekannten Mustern
keine Kritik verlangt. Viele Thränen und viel Rührung, viel Humor und
gute Witze, viele Grobheiten und starke Derbheiten und zuletzt eine Anzahl
glücklicher Leute — natürlich auf der Bühne, was will man mehr?
Schlächtermeister Rommel's Sohn will nicht Schlächter werden und
seine Consine heirathen, des Rittergutsbesitzers Gimpern Sohn besteht
niemals das Referendarexamen und liebt die Nichte Rommel's trotz entgegen¬
gesetzter Wünsche seines Vaters. Reibereien, Kämpfe auf der Bühne und
hinter den Coulissen, bis endlich Rommel jun. endgiltig studiren darf,
während Gimpern jun. Großschlächter und glücklicher Bräutigam geworden
ist und sich die Herren Papas mit der veränderten Sachlage abgefunden
haben. Ende gut, Alles gut.
Die Rollen des alten Rommel und seiner Gemahlin lagen in den
bewährten Händen von Hr. Müller und Fr. Grunow=Körnig:
Gimpern jun. (Hr. Otto) war gleichermaßen gut in der Liebesscene mit
Gusti (Frl. Rocco) als auch in der Grobheitsscene, Hr. Feistel
S. Feldern.
(Rommel jun.) spielte flott und sympathisch.