II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 685

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9.4 Der gruene Kakadu—Zyklus
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Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 2
705
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Ausschnitt aus:
ERSATZ “
vom
Welt und Wissen.
4 Stadttheater in Köln.
Von Arthur Schnitzlers vielbesprochenem und übelberufenem
dreiteiligen Einakter=Cuklus ist auch unser Publikum, und dazu noch
an dem klassischen Montag, nicht verschont geblieben. Wir sagen
vielbesprochen, weil die Kritik in Wien und Berlin sich dafür ins
Zeng gelegt, und übelberufen, weil die Polizei den grünen
Kakadn erst beanstandete und er bei der Première nur eben noch so durch¬
schlüpfte. Diese Einakter, eigentlich Skizzen, Ausschnitte, mit denen die
moralische Bilanz dreier Jahrhunderte gezogen werden soll, wurden
an den verschiedenen Bühnen, je nachdem die Regie sich mehr oder
minder Effekt davon versprach, in verschiedener Reihenfolge gegeben.
Der Anfang müßte eigentlich mit dem Versspiel Paracelsus, das zu
Basel zu Beginn des 16. Jahrhunderts spielt, gemacht werden. Das
Stück beruht auf unmöglichen Voraussetzungen; nebenbei bemerkt kann
die Begebenheit nicht Ende des 16. Jahrhunderts vor sich gehen, da
Paracelsus schon am 23. September 1541 sein abenteuerliches Leben
beschloß. Ferner wußte man derzeit noch nichts von Hypnotis¬
mus und Suggerieren, Dinge, die Dr. med. Schnitzler doch sicher
nicht unbekannt sein konnten. Durch allerlei Manipulationen —
Suggerieren und Hypnotisieren — lätt Paracelsus in dem Stückchen
Justine, die Gattin seines ehemaligen Freundes Cyprian, allerlei
Geständnisse ausplandern, die diesem bis dahin so vertranensseligen
Waffenschmied den Kopf heiß machen. Nachdenklich spricht er dann
am Schluß: „Es war ein Spiel, doch fand ich seinen Sinn.“
rer 30 Auf Paracelsus hätte dann die Groteske Der grüne Kakadu folgen
100 müssen, welche während des Sturmes auf die, Bastille 14. Juli 1789,
in einer Spekulationsspelunke, einem imitierten Verbrecherkeller, spielt.
200 Der Wirt (Neumann=Hoditz) ist ein ehemaliger Theaterdirektor, und
500
die angeblichen Verbrecher, die in seiner Kucipe verkehren und ein¬
„ 1000
studierte oder Stegreif=Spitzbubenkomödien zum Gaudium vornehmer
as
In Besucher dort zum besten geben, sind verbummelte Schauspieler und
Abennen Schauspiclerinnen, die sich mit Kosenamen wie „Ihr Schweine!“ be¬ ien
Abonnen grüßen. Indes eines schönen Abends wird aus dem Spaß Ernst, indem
der renommistische Komödiant Henri (Tom Far#### den Herzog von
Ladignan (W. Rossath), den Galan seiner Gattin #rtha Kleen), er= K
sticht. Ats Schluß hätte das zu Anfang gespielte Schauspel Die Ge¬
fährtin kommen müssen, das in einer Sommerfrische unweit Wien
an einem Herbstabende des letzten Jahres spielt. Am Schluß geht
der hintergangene Gatte aus dem Zimmer; an der Thüre bleibt er
stehen, betrachtet das Zimmer noch einmal, atmet tief auf, lächelt dann
wie befreit, geht ab; man hört ihn zusperren. Das dunkele Zimmer
bleibt eine Weile leer, dann fällt der Vorhung.
Man hätte wünschen mögen, nicht nur dieses Zimmer, sondern die
Bühne wäre den ganzen Abend über leer geblieben. Der Zuschauer
geht — wie der Professor — aus diesem Dreiakterabend wie von
einem Alp befreit fort; aber er schweigt nicht zu diesem groben Unfug,
sondern legt energisch Protest ein dagegen, daß die Bühne, die doch
eine Bildungsstätte sein soll, zu solchen Experimenten mißbraucht wird.
[Wir können uns diesem scharfen Urteile nur anschließen. Hr.
Direktor Hofmann scheint es auf den Beweis abgesehen zu haben,
daß er dem p. t. Publikum auch Wüsteneien bieten darf. Bei den
Stadtratsberatungen über die Errichtung eines neuen Opernhauses,
in dem namentlich auch die Operette gepflegt werden soll, hat man
zu Gunsten eines weiteren Stadttheaters u. a. angeführt, es solle dem
Publikum den Besuch der zweifelhaften Specialitätentheater ab¬
gewöhnen. Als ob der Kunsttempel an der Glockengasse nicht schon
recht oft ein ganz unzweifelhaftes Specialitätentheater gewesen wäre!
Und was sagt dazu der Verwaltungsrat des Kölner Theateraktien¬
vereins? Ist denn kein einziger unter den Herren, der Hru. Hof¬
mann auf gut Deutsch den Standpunkt klar macht? Oder ist es
ohne Erfolg versucht worden?