II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 686

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9.4. Der gruene Kakadu zukrus
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vom %
ERSATZ“

„Groteske“ hat Schnitzter für seine Behandlung des alten Bajazzo=]
Kunst, Wissenschaft und Leben.
stoffes gewähit, die zu den interessamesten literarischen Erscheinungen
der letzten Jahie gehört. Wir werden in eine ganz tolle Welt geführt,
& [Kölner Stadttheater.] Gestern gab es in unserm Stadt¬
in die von einem herabgekommenen Schauspieldirector geführte Keller¬
theater einen ebenso erfolgreichen wie sesselneen Abend. Die an zahl¬
schenke, wo er mit seinen frühern Mimen und einigen dienenhaften
reichen audern Bühnen schon in der vorigen Spielzeit bekannt ge¬
Schauspielerinnen „Verbrecher“ spielt. Die Komödianten erzählen die
„wordenen drei Eingeter von Arthur Schnitzler den man hier nur
haarsträubendsten Schandthaten, die sie nicht begangen haben, einem
ans seinem vor mehrern Jahren gegebenen Schauspiel „Liebelei“ kennt,
Publicum der höchsten Aristokratie, das sich, am Beginne der frau¬
erwiesen=sich als Schöpfungen von hoher künstlerisher Bedeutung, ganz
zösischen Revolution, könlich über den ihre blasirte Phantasie reizenden
besonders der dritte „Der grüne Kakadn“. Nicht ihr geringster Wert
lufug unterhält. Der beste Mime, ein gewisser Heuri, hat in toller
besteht darin, daß sie keinen Stempel irgend weicher „Richtung“ tragen,
Leidenschaft die gänzeich verworfene Schauspielerin Leocadie zu seinem
sondern sich als freie Schöpfungen einer persönlichen Gestaltungskraft
Eheweibe gemacht, und ehe er sich mit ihr in ein stilles Landleben zu¬
geben. Das ist hemtigen Tages besonders hoch zu schätzen. Der erste
rückzteht, will er noch ein Meisterstück machen. Er erzählt, er habe bei
Einacter, das Schausptel „Die Gefährtin“ ist ein zierlich sein ge¬
der ungetreuen Gattin den Herzog von Cadignan getroffen und ei¬
baute Meisierstückchen der Bühnemechnik, das auf eigentlich novellisu¬
dolcht. So geschickt erzählt er, daß sein Principal selber an die Wohr¬
scher Grundlage ruht, aber durch den überaus geschickten Aufbau eine
heit glaubt, um so mehr, als ihm Anzeichen dafür bekannt sind, daß
dramatische Spannung erhält. Die Leistragenden kehren eben von der
zwischen dem Herzog und Leocadie wirklich solche Beziehungen be¬
Beerdigung der plötzlich einem Schlaganfall erlegenen Frau des Professors
stehen. Henri erfjährt aber jetzt erst davon durch die Aeußerungen
Pilgram zurück. Eine Dame aus der Na#hoarvilla erbittet sich von
des Principals. Da tritt der Herzog in die Scheule, Heurt stürzt
dem Projessor Briefe, die sie an die Vernorvene gerichtet, zurück.
sich auf den Herzog und erdolcht ihn. Die Aristokraten, die
Aus dieser Bitte entwickelt sich nun das Gespräch, aus dem hervorgeht,
diesem vermeintlichen Unng lustig zugesehen haben, sehen nun
daß der Professor nicht glücklich mit seiner Frau lebte und wohl ahme,
mit Entsetzen die Wahrheit. Sie fliehen durch das Gedränge
daß zwischen dieser und einem Collegen eine gegenseitige Neigung vor¬
der in den Keller eindringenden Volksmenge, die jubelnd den Fall
hansen war, von der in den Briesen die Rede sein dürfte. Da tritt
der Bastille verkündet. Es ist von seitsam packender, schauerlicher
jener verspütet zur Beerdigung gekommene College hinzu und erwähnt,
Wirkung, dieses Drama der Decadenee, über dessen toilen Fastnachtsspuk !
daß er schon zwei Jahre verlobt sei. Der Professor muß erfahren, daß
und wilde Proletarier=Romantik das Publicum oft laut auflacht, wie
die Tote, der er ne gegrollt hatte, weil sie, viel jünger als er, seine
die Aristokraten, bis es die tragischen Mächte herannahen sieht und mit
Geistesgefährtin nicht hatte sein können, auf emer viel medrigern füttlichen
sihnen das fretheitrafende Volk, in dessen trunkene Wutschreie die Komö¬
Für 50 Stuse stand, als er je hatte ahnen können. Ein discreter Schleier!
#inten einstimmen, während der glänzende Herzog als Leiche vor ihnen
100 breitet sich über etwas an sich sehr Häßliches durch den seinen Tact des
gt. Der Erfolg grade dieses Einacters war besonders stürmisch.
200 eine Vergangenheit erörteinsen Dialogs, und nur blitzurng werden die
Hier ist in erster Linie das große Verdienst des Oberregisseurs Dal¬
500 Dinge in dem Zusammenstoße mit dem falschen Freunde beleuchtet,
monico hervorzuheben, der die überaus wichtige scenische Bewegung sehr
" 1000 gerade geuig, um dem Professor unser Mitgefühl zu sichern und uns,
geschickt, mit tempergmentvollem Mute eingerichtet hatte. Die phantastische
r von Kerchhofsstimmung gesämptt, eine billere Lebenswayrheit zu offen¬
Tollheit der Verbrecher spielenden Komöslanten war in kecken Farben
Abonne baren — die Falschheit des Weides und freventlichen Betrug eines
gegeben und das Schlußbild der eindringenden Volksmasse von mäch¬
Abonne edein Männes. Herr Zimmermann gab den Professor ganz vorzüglich füger Wirkung. Herr Farecht stand als „Heuri“ auf einer besonders
als kühl bezennenen Philesophen, der mit sich selber wahrhaftig in und hohen Siufe seiner ausgezeichneten Künstlerschaft. Eine komische Cha¬
mit dospelter Wucht dann den Schmerz empfmdet über den tücktschen
raktersigur von echter künnlerischer Bedeutung schuf Herr Portz in dem
Betrug, den man mit ihm getrieben. Fräulein Kieen spielte die die Ent¬
„echten“ Strolch, der in den Kreis gerät. Von den zahlreichen andern
wichtung einteitende Nachbarin, Frau Merhoim, sehr zufriedenstellend,
Gestalten seien hervorgehoben Herr Neumann=Hoditz als „Wirt und
und Herr Rossath gab der undankbaren Rolle des Dr. Hausmann gute
Director“, die Herren Zimmermann und Beck als Schauspieler", Dr.
Erscheinung. — Das zweite Stückchen ist eine harmlosere, volkstümlich
Kaiser als „Revo mionsphilosoph Grasset“, Fräulein K eenals „Leocadie“.
gehaltene Wendung desselben Themas: „Traue nicht dem Weide!“
„Paracelsus“ ein Versspiel“, ist es venannt. Der berühmte Theo¬
phrastus Parncelseis kommt nach Basel, wo er ehedem studirt hat, seine
kühne Geleorsamkeit in Marktschreterei hüllend, und betritt das Haus
des Wassenschmieds Cyprinn, der ihn vom Markt mitnimmt, damit er
der Hausfran und der jungen Schwägerin „Kunststückchen“ vormache.
Dieser Wassenschmied ist der Typus des dünkelhaft selbstbewußten Pyi¬
listers. Parace sus macht Kunnstückchen mit Hypnose und zwingt zuletzt
die Haussrau, immer die Wahrheit zu sagen. Da plaudert diese denn
Tinge aus, die zwar auf keine böse Handlung denten, aber doch auf
Schwächen und Bereitwilligkenen, die beweisen, daß die Selbstsicherheit
des Philisters nicht so ganz am Pletze war und nur der Zufall
Schlimmes verhütele. Besonders zeichnete sich hier Herr Leyrer als der
spießbürgerliche Waffenschmied durch charakteristischen Humor aus.
Herr Farecht gab dem „Paracelsus“ ein halb dämonisches halb
zum Lachen reitendes Gepräge, Fräulein Eichyolz, Fräutein Hanne¬
mann, Herr Rogall und Herr Rossath wirkten in dem ziemlich
gefälligen, etwas zu gedehnten Versspiel angenehm mit. — Im
drinen Einacter wendet sich das Thema von der weiblichen Falsch¬
heit unter höchst eigenartiger Umkleidung ins Hochtragische. Den Namen