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Ab
V
Die Gefährtin. Paracelsus. Der grüne Kakadu.
Die unergründliche Seele der Frau gibt dem forschenden
Auge wandelvolle Erscheinungen. Wer stand niemals vor
dem Weibe, das er am besten zu kennen meinte, mit zwei¬
felnder Empfindung: Ist ihr Thun, ihr Sprechen jetzt aus
ihrem innersten Wesen oder ist's nur gemacht? Und wo
beginnt die Wahrheit, wenn die schwere Frage nach der
Treue der Frau gestellt ist. Wie ist hier alles unsicher?
Wie täuscht der Schein der Dinge? Der eine glaubt die
Wahrheit zu wissen, wie der moderne Arzt Professor
Pilgram in der „Gefährtin", und viel Schlimmeres als
seine Wahrheit ist wahr. Der tiefsinnige Paracelsus, sein;
berühmter College, ist nicht so bündig; er zweifelt auch da,
wo er selbst kraft seiner seelenzwingenden Kunst den Wahn
der Untreue erweckte, ob nicht doch Wirklichkeit ist, was
seine Suggestion scheinbar hervorgespielt hat. Er muss, um
sich selbst Gewissheit zu schaffen, dem Weibe den Zwang¬
suggerieren, ihr Innerstes unverhüllt zu offenbaren, und
der grobkörnige Zunftbürger Cyprian, der seinem stumpfen
Auge und seinem Selbstbewusstsein allzusehr vertraute, muss
erfahren, dass sein Weib, das ihm die ehrliche Treue #ire
wahrt, in Gedanken und Wünschen schon weit auf dem so.
Wege zur Untreue wandelte. Wenn es im „Paracelsus“ par
die räthselvolle Kunst der Hynose war, die Schein #
und Sein durcheinander warf und voneinander löste, #####
so enthüllt im „Grünen Kakadu“ die Kunst des Schau= es
spielers, dass das Spiel der täuschend nachgeahmten
Wirklichkeit die grelle Wahrheit war. Henri spielt
den getäuschten Ehegatten, der den Geliebten seiner Frau
niedergestochen hat, so lebenswahr, dass sein Director selbst
den Schein für Wahrheit nimmt und die wirkliche Wahrheit,
die mit dem Spiele aufs genaueste übereinstimmt, verräth.
Henri spielt, dass er den Herzog von Cardignan, den
Liebhaber seiner Frau, getötet habe, und die Frau Henri's ist
wirklich die Geliebte des Herzogs, den der rasende Schau¬
spieler, aus dem Spiele zur Wirklichkeit erwacht, niedersticht.
Die Wahrheit war also so grausam, wie die Phantasie des
Künstlers sie spielend ersonnen. Die geistreiche Wirrnis von
erlebter und ersonnener Wahrheit, von Gedanken und Rea¬
lität, Spiel und Ernst im hellen Bühnenlichte zu gestalten,
rief die feinste Kunst des Dichters auf. „Paracelsus“ und
„Der grüne Kakadu“ sind in der That das vollendetste,
was Schnitzler geschaffen, ja, sie stellen vielleicht das Beste
vor, was die moderne Dichtung als Kunst hervorgebracht
hat. Die Wirkung ruht vornehmlich auf einzelnen schau¬
spielerischen Leistungen. Am wenigsten in der „Gefährtin“.
die sich in klaren Linien entwickelt und von einheitlicher
Stimmung durchsättigt ist. Frau Förster zeigte in der
kargen Rolle eine so wuchtige Kraft der Innerlichkeit, dass
man bedauern muss, diese wertvolle Seite ihres künstlerischen
Wesens nicht an einer größeren Aufgabe zu sehen. Wir
erinnern hier wieder einmal daran, dass Ibsen seit zwei
Jahren nicht auf der Bühne war. Herr Machold und
Herr Recke spielten ihrer Situation gemäß. Den „Para¬
celsus“ trug Herr Malcher auf die Höhe des gebürenden
Erfolges, er spielte den genialen Gaukler, dessen histo¬
risches Vorbild dasselbe Gemisch von Mysticismus und
halb gewollter, halb wesenhafter Charlatanerie ist, mit
sicherem Verständnis für die heiklen Nuancen und den
Humor der Rolle. Herr Machold war ein kräftiger
Typus eines satten biederen Philisters im altbaseler Zu¬
schnitt. Fr Förster und Frl. Ulmann spielten die
in hypnotisch=ärztliche Behandlung genommenen Frauen mit
der leichten Laune, die das Spiel erfordert. Herr Teller
und Herr Recke vervollständigten stilgerecht das alter¬
thümliche Ensemble. „Der grüne Kakadu“ war nicht grell
genug. Es fehlte der Schauer der Grotesquen. Herr Frank
war zu gemüthlich und die männlichen Mitglieder seiner
Truppe zu wenig scharf. Frl. Ulmann und Frl.
Glocker führten ihren Part viel stilgemäßer durch. Auch
in der aristokratischen Gruppe war Fr. Förster glück¬
licher als ihre männlichen Mitspieler. Herr Machold
entbehrte ein wenig des leichtsinnigen Gehabens des jungen
Löwen. Herr Charlé war ein erquickender Typus eines
Gauners, der zu schüchtern ist, um sich zu spielen. Herr
Malcher traf die athemraubende Gewalt des dämonischen
Dr. S. R.
Schauspielers mit congenialer Kraft.
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Die Gefährtin. Paracelsus. Der grüne Kakadu.
Die unergründliche Seele der Frau gibt dem forschenden
Auge wandelvolle Erscheinungen. Wer stand niemals vor
dem Weibe, das er am besten zu kennen meinte, mit zwei¬
felnder Empfindung: Ist ihr Thun, ihr Sprechen jetzt aus
ihrem innersten Wesen oder ist's nur gemacht? Und wo
beginnt die Wahrheit, wenn die schwere Frage nach der
Treue der Frau gestellt ist. Wie ist hier alles unsicher?
Wie täuscht der Schein der Dinge? Der eine glaubt die
Wahrheit zu wissen, wie der moderne Arzt Professor
Pilgram in der „Gefährtin", und viel Schlimmeres als
seine Wahrheit ist wahr. Der tiefsinnige Paracelsus, sein;
berühmter College, ist nicht so bündig; er zweifelt auch da,
wo er selbst kraft seiner seelenzwingenden Kunst den Wahn
der Untreue erweckte, ob nicht doch Wirklichkeit ist, was
seine Suggestion scheinbar hervorgespielt hat. Er muss, um
sich selbst Gewissheit zu schaffen, dem Weibe den Zwang¬
suggerieren, ihr Innerstes unverhüllt zu offenbaren, und
der grobkörnige Zunftbürger Cyprian, der seinem stumpfen
Auge und seinem Selbstbewusstsein allzusehr vertraute, muss
erfahren, dass sein Weib, das ihm die ehrliche Treue #ire
wahrt, in Gedanken und Wünschen schon weit auf dem so.
Wege zur Untreue wandelte. Wenn es im „Paracelsus“ par
die räthselvolle Kunst der Hynose war, die Schein #
und Sein durcheinander warf und voneinander löste, #####
so enthüllt im „Grünen Kakadu“ die Kunst des Schau= es
spielers, dass das Spiel der täuschend nachgeahmten
Wirklichkeit die grelle Wahrheit war. Henri spielt
den getäuschten Ehegatten, der den Geliebten seiner Frau
niedergestochen hat, so lebenswahr, dass sein Director selbst
den Schein für Wahrheit nimmt und die wirkliche Wahrheit,
die mit dem Spiele aufs genaueste übereinstimmt, verräth.
Henri spielt, dass er den Herzog von Cardignan, den
Liebhaber seiner Frau, getötet habe, und die Frau Henri's ist
wirklich die Geliebte des Herzogs, den der rasende Schau¬
spieler, aus dem Spiele zur Wirklichkeit erwacht, niedersticht.
Die Wahrheit war also so grausam, wie die Phantasie des
Künstlers sie spielend ersonnen. Die geistreiche Wirrnis von
erlebter und ersonnener Wahrheit, von Gedanken und Rea¬
lität, Spiel und Ernst im hellen Bühnenlichte zu gestalten,
rief die feinste Kunst des Dichters auf. „Paracelsus“ und
„Der grüne Kakadu“ sind in der That das vollendetste,
was Schnitzler geschaffen, ja, sie stellen vielleicht das Beste
vor, was die moderne Dichtung als Kunst hervorgebracht
hat. Die Wirkung ruht vornehmlich auf einzelnen schau¬
spielerischen Leistungen. Am wenigsten in der „Gefährtin“.
die sich in klaren Linien entwickelt und von einheitlicher
Stimmung durchsättigt ist. Frau Förster zeigte in der
kargen Rolle eine so wuchtige Kraft der Innerlichkeit, dass
man bedauern muss, diese wertvolle Seite ihres künstlerischen
Wesens nicht an einer größeren Aufgabe zu sehen. Wir
erinnern hier wieder einmal daran, dass Ibsen seit zwei
Jahren nicht auf der Bühne war. Herr Machold und
Herr Recke spielten ihrer Situation gemäß. Den „Para¬
celsus“ trug Herr Malcher auf die Höhe des gebürenden
Erfolges, er spielte den genialen Gaukler, dessen histo¬
risches Vorbild dasselbe Gemisch von Mysticismus und
halb gewollter, halb wesenhafter Charlatanerie ist, mit
sicherem Verständnis für die heiklen Nuancen und den
Humor der Rolle. Herr Machold war ein kräftiger
Typus eines satten biederen Philisters im altbaseler Zu¬
schnitt. Fr Förster und Frl. Ulmann spielten die
in hypnotisch=ärztliche Behandlung genommenen Frauen mit
der leichten Laune, die das Spiel erfordert. Herr Teller
und Herr Recke vervollständigten stilgerecht das alter¬
thümliche Ensemble. „Der grüne Kakadu“ war nicht grell
genug. Es fehlte der Schauer der Grotesquen. Herr Frank
war zu gemüthlich und die männlichen Mitglieder seiner
Truppe zu wenig scharf. Frl. Ulmann und Frl.
Glocker führten ihren Part viel stilgemäßer durch. Auch
in der aristokratischen Gruppe war Fr. Förster glück¬
licher als ihre männlichen Mitspieler. Herr Machold
entbehrte ein wenig des leichtsinnigen Gehabens des jungen
Löwen. Herr Charlé war ein erquickender Typus eines
Gauners, der zu schüchtern ist, um sich zu spielen. Herr
Malcher traf die athemraubende Gewalt des dämonischen
Dr. S. R.
Schauspielers mit congenialer Kraft.