II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 701

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9.4. Der gruene kakadu Zykius
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Tagesbote aus Mähren und Schieftre
Brünn, Donnerstag!
war die Marquise der Frau Förster — ihr Auftritt
Theater, Kunst und Literatur.
brachte neues Leben. Den Wirten Prosper spielte Herr
Frank mit der ihm eigenen Schärfe, während Herr Charlé
Dr. H. F. (Brünner Stadttheater.) „Wir spielen
den Strolch Grain mit Reminiscenzen an die „Journalisten“
immer; wer es weiß, ist klug.“ Mit dem überlegenen
bestritt. Sonst wirkten noch die Herren Machold, Müller
Lächeln dieses Klugen lässt Arthur Schnitzler drei ge¬
und Ott, die Damen Malten, Ulmann und Glocker
derngte Lebensbilder an uns vorübergleiten: „Die Ge¬
verdienstlich.
— Das Logenpublicum hatte sich von der
fährtin“, „Paracelsus“, „Der grüne Kakadu“.
Sie variieren im Lieblingsthema der Schnitzler'schen Première ferngehalten; die übrigen Räume waren ausverkauft.
Schöpfungen; wie Ernst und Spiel, bittere Wahrheit und
holder Trug in unserem Leben stets ineinanderfluten, un¬
merklich, leise, oft dem Klügsten kaum erkennbar. Wie viel
Beobachtung spricht aus diesen kleinen, von reifster Technik
getragenen Einactern! Zarte Intimitäten unserer Seele,
stammelnde Gefühle werden laut; aber ein zierliches, kunst¬
voll gearbeitetes Schleiergewebe scheint sich über diese, mit¬
unter vielleicht allzu farbensatten Bilder zu legen —
wird alles, auch das Kühnste und Gewagteste, unter Schnitz¬
lers Hand zum anmuthenden, ergötzlichen Spiele. Am wir¬
kungsvollsten hat sich in der gestrigen Aufführung „Para¬
celsus“ erwiesen; hier vor allem besticht die bestrickende Zart¬
heit der Form, der leichte Flufs dieser zierlichen Verse, der
geistvoll pointierte, immer auregende Dialog. Ein reizendes
Genre in üppiger Farbenpracht, angelehnt an die historische
Figur des Theophrastus Paracelsus, den der Dichter hier
auf heiteren Untergrund mit kecken Strichen hingeworfen.
Paracelsus als — Hypnoiiseur! Im Hause des auf sein
Eheglück pochenden, selbstgefälligen Waffenschmiedes Cyprian
seines Jugendgespielen — eingekehrt, bestraft er dessen
ungastliche Grobheit, indem er an Cyprians Gattin Justina
seine Kunst erprobt; er versenkt Justina in tiefen Schlaf
und suggeriert ihr einen begangenen Ehebruch. Aber durch
den naturwahren Schmerz Justinas an sich selbst irre ge¬
macht, löst er den Bann wieder, gebietet aber der Wieder¬
erwachenden, die volle Wahrheit zu sagen. Justina gesteht
nun, dass sie noch rein von Schuld, fürchtet aber, dem Liebes¬
werben des schmucken Junkers Anselm ebensowenig noch weiter¬
hin widerstehen zu können, als sie einstens Paracelsus von sich
gewiesen hätte, wäre er nur zur rechten Zeit in ihre Arme
geeilt. Cyprian macht sich die unangenehme Lehre zunutze
und verspricht, sein Weib künftiger sorgsamer zu hüten. —
Wandelt sich hier das scherzende Spiel in bittere, ernste
Lebenswahrheit, so hat „Die Gefährtin“ einen umgekehrten
Zug. Der treffliche, aber nicht mehr jugendliche Professor
Robert Pilgram hat sich Jahre hindurch hinter einer Hülle
von edler Resignatien verkrochen; schon in der ersten Zeit
seiner wenig glücklichen Ehe hat er erkannt, dass seine junge!
Lebensgefährtin nicht ihn, sondern seinen jüngeren Freund
Alfred liebt, dass diese Liebe nicht auf halbem Wege stehen
geblieben. Er will dem Glücke der Liebenden nicht hinder¬
lich sein, ja er selbst möchte sie miteinander vereinigen,
stände es in seiner Macht. Aber nun, da seine Frau plötz¬
lich gestorben, erfährt er mit einemmale, dass die von ihm
Angebetete auch Alfred nicht geliebt habe, dass sie bloß
Alfreds Dirne gewesen. Da fällt die schwere Hülle von ihm
herab, er athmet erleichtert auf — ein leeres Phantom hat!
ihn genarrt, er durchschaut die Lebenskomödie, deren Helden
er solange gespielt. — „Die Gefährtin“ ist eine überfeine
psychologische Studie; in kurzen, wenigen Rückblicken rollen
sich uns Stück für Stück lange Jahre eines verfehlten
Lebens auf. In seiner skizzenhaften Kürze stellt das Stück
allzugroße Auforderungen an Regie und Darsteller. — Von
kecker, frischer Conception ist die Grotesque „Der grüne
Kakadu“. In einer verrufenen Pariser Gastwirtschaft — dem
„grünen Kakadu“ — finden sich verkleidete und unverklei¬
dete Komödianten bunt zusammengewürfelt. Die einen er¬
zählen von haarsträubenden Verbrechen, die sie nie be¬
gangen, die anderen von Tugenden die sie nie besessen.
Wahrheit und Verstellung sind hier oft kaum zu unterscheiden.
Mit diabolischem Humor lässt Schnitzler den einzigen, echten
Strolch für einen „Stümper von Komödianten“ erklären,
wogegen die mit größtem Raffinement vorgetragene Mord¬