II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 705

9.4. Der gruene Kakadu Zukrus
dertsten Dienstabend, und er erwies sich durchaus nicht als alters¬
schwach. Die feinen Pointen der Couplets, die Verve des Muloskop¬
marsches, die bunte Märchenpracht der Costüme und Decorationen und
last not least die einschmeichelnden Weisen Gustav Wandas wirkten
in lebendiger Frische, und mit lachendem Munde nahm das Publikum
die Darbietungen des Vierblatts, der besten Komiker Berlins, Thomas,
Thielscher, Helmerding und Junkermann, entgegen. Als unter den
Klängen des Kußwalzers der Vorhang sich über dem zweiten Akte senkte,
zwang der andauernde Beifall das Directorium und Dichterpaar vor
die Rampe. Während sie sich dankend verneigten, wandelte sich die
Scene zu einem Blumengarten; Kränze und Körbe thürmten sich hoch
auf. Mit der Direktion Schönfeld=Kren ist in die Räume des Theaters,
über das seit den Tagen Adolf Ernsts ein Unstern zu walten schien,
endlich der Erfolg eingezogen. Möge er der Direction auch „Im
Himmelhof“ der nächsten Première, treu bleiben.
Ueber die erfolgreiche Aufführung, welche Sudermanns „Die
drei Reiherfedern“ am Stadt=Theater in Göttingen hatte, berichtet
die Göttinger Zeitung": „Die drei Reiherfedern“, die uns der
Montag brachte, zeigen uns Sudermann von einer neuen Seite.
Schon sein vorletztes Stück, „Johannes“, überraschte. Nach modern¬
realistischen Schauspielen bot er mit diesem ein historisches Drama Und
darauf ist nun ein Märchendrama gefolgt. Es ist natürlich, daß ein
phantasievoller Dichter schließlich die heute beliebte Darstellung des All¬
taglebens, das ihn umgiebt, satt bekommt, daß er allen Anforderungen
des heute noch — wer weiß wie lange? — herrschenden Naturalismus
zum Trotz, der dem Dichter nichts als selbstgeschautes Leben in „wahr¬
heitsgetreuer" Darstellung verstatten will, sich aufschwingt zu Kunst¬
gättungen, die seinem Bedürfniß nach freiem Schaffen in höherem Maße
genügen, die dem Gefühl für Großes und Schönes, das in der Brust
jedes echten Künstlers lebt, mehr Gelegenheit zur Bethätigung im Kunst¬
werk geben. So wird auch Sudermann empfunden haben. Die drei
Gestalten Prinz Witte, der Königin und Hans Lorbaß sind gleich¬
sam die Träger dreier Welt= und Lebensanschauungen, die sich heute
gegenüberstehen, der idealistisch=, der realistisch=philosophischen und der
christlichen. Solche tiefere Beziehung bekunden diese Gestalten deutlich
genug durch ihre Worte. Das Stück stellt ein durchaus selbständiges,
in Handlung und Charakterzeichnung interessantes Kunstwerk dar, das
eine tiefe menschliche Wahrheit in schoner Form veranschaulicht. Es be¬
zeichnet entschieden einen Fortschritt des Dichters. Besonders zu beglück¬
wünschen ist er wegen der wundervollen Gestalt der Königin. Ihre
rein menschliche Glaubhaftigkeit leuchtet jedem unmittelbar ein, der er¬
fahren hat, was die Liebe einer edlen Frau vermag. Verwandte Ge¬
stalten fanden sich bei Sudermann schon früher, so hoch wie sie steht
aber keine der früheren. Für die sorgsam vorbereitete Aufführung sind¬
wir der Direction zu Danke verpflichtet: In Mzng auf Inseriirung
und Zusammenspiel ließ sie, unter Berücksichtigung der gegebenen Ver¬
hältnisse, Nichts zu wünschen übrig. Auch den einzelnen Darstellern
gebührt Dank für die Sorgfalt, die sie alle auf ihre Rollen verwendet
hatten.
Der New=Yorker Figaro schreibt: Louis Mann und Clara
Lipmann waren diese Woche die „Stars“ in dem Horlem Opera House.
Sie brachten die lustige Posse „The Girl in the Barracks“ („Mam¬
sell Tourbillon“) zur Aufführung und zwar stets vor ausverkauftem
Hause.
Aus St. Louis wird dem New=Yorker Figaro geschrieben: Herr
Georg Heinemann, der alte und tüchtige Bühnen=Veteran, erfreute
gestern ein recht zahlreich erschienenes Publikum im „Olympic“ mit der
Darreichung des neuen, kreuzsidelen und puppenlustigen Schwanks
„Ein Rabenvater“, in welchem Stücke er als Bauunternehmer
Wilhelm Neuendorf die Titelrolle übernommen hatte, welche er mit ver¬
ständnißvollem Gusto flott durchführte, so daß er erschütternd auf das
Zwerchfell sämmtlicher Besucher einwirkte und nebst allen Mitwirkenden
reichlichen und wohlverdienten Beifall einheimste.
Aus Frankfurt a. O. wird berichtet: Frankfurter Oder¬
Zeitung: Endlich ist Arthur Schnitzler in unser Stadttheater ein¬
gezogen. In der letzten Spielzeit brachte das Sommertheater sein
Schauspiel „Liebelei“. Sonst ist hier nichts von ihm bekannt geworden.
Nun wurden uns gestern die an zahlreichen Bühnen schon im vorigen
Winter gegebenen drei Einakter „Paracelsus“, „Die Gefährtin“,

„Der grüne Kakadu“ vorgeführt. Es war ein kühnes Wagniß, dem
Sonntagspublikum diese Schöpfungen von hoher künstlerischer Bedeu¬
stü
tung zu bieten. An dem Urtheile über die Schnitzler'schen Werke ist
heute nicht mehr zu rütteln. Sie tragen nicht den Stempel irgend einer
sch
ab
Richtung, sondern sind, wie sich ein fein nachempfindender Beurtheiler
Di
ausgedrückt hat, als „freie Schöpfungen einer persönlichen Gestaltungs¬
1
kraft“, besonders hoch zu schätzen. Dem Referenten ist es eine gewisse
e
Genugthuung, daß diesen Eindruck, den auch er bereits vor geraumer
Zeit durch die Lektüre gewonnen hatte, die theatralische Darbietung nur
noch vertiefte. Das gemeinsame Thema der drei Einakter, das Thema
ni
von der weiblichen Falschheit, wird im „Paracelfus“ in leicht ge¬
S
schüetzter Form abgewandelt. Ins Hochtragische wendet sich das Thema
von der Falschheit des Weibes im dritten Stück. Es wäre angesichts! hi
der gewaltigen Schwierigkeiten pedantisch, wollte man über die kleinen
D
Stockungen und Störungen mäkeln, die sich im Zusammenspiel hie und
da bemerkbar machten; sie werden bei den hoffentlich recht zahlreichen
Wiederholungen von selbst schwinden. Wer sich aber das Meisterwerk! Ad
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nicht ansehen will, weil ihm vielleicht der oder jener zugeflüstert hat, es
ginge gar zu gräusig darin zu, der meide auch das Theater, wenn man
Leoncavallos „Bajazzi“ giebt; denn der Stoff ist in beiden Stücken der¬
selbe: nur daß Schnitzler ihn nicht mit so äußerlich roher Routine be¬
handelt, sondern in wahrhaft genialer Umkleidung. — „Frankfurter
Local=Anzeiger“: Der gestrige Schnitzler=Abend im Stadttheater war
endlich wieder einmal von der Art, daß man seiner Gaben sich auch
anderen Tags erinnert und überhaupt gewiß lange nicht vergißt. Schon
die Reihenfolge der drei werthvollen Einakter, die Zusammenstellung des
Programms bewies Geschmack. An solchen Einakterabenden empfängt
man, ebenso wie in Konzerten, das Beste nicht zuletzt, sondern zuerst,
wo der Geist noch am frischesten ist und alle Tiefen und Schönheiten
des Werks aufzunehmen vermag. So stand gestern auf dem Spielplan
und so steht für uns heute noch, in der Erinnerung „Paracelsus“
obena#t ein feines Stück eines feinen Kopfes und edlen Geistes, der
in der Beschäftigung mit geistreichen modernen Problemen schwelgte
und sie uns Nachempfindenden in formvollendetster Sprache und in der
leicht eingehenden Gestalt eines kurzen Dramas bietet. Fast zuviel In¬
halt für diese knappe Form, — wenigstens beim einmaligen Sehen;
hätte uns das Stück in Buchform vorgelegen, ich hätte es auf der
Stelle noch einmal lesen mögen. — Dann kam, nachdem unsere Ge¬
danken hierdurch schon ernsteren Dingen zugewandt „Die Gefährtin“.
ein weit ernsteres Stück, — wir dürfen wohl behaupten, — das
Ernsteste, das unser Theater bisher überhaupt gesehen; wenig Handlung
ist in dem Stück, es ist fast nur scenisch belebte Novelle; es wird immer¬
nur gesprochen, nur ziemlich leise und gedämpft und unter wenigen
Personen, — und ausschließlich — von einer Todten. Und doch, gegen
den Schluß, — welche Vorbereitung, welche Steigerung und welche
Wirkung. Und dann kam zu guterletzt eine unermeßlich lustige „Gro¬
teske“ „Der grüne Kakadu“ wie dieses unser Genre heißt: ein
Meisterwerk von Spitzfindigkeiten und Klügelei, ein unbeschreibliches
Mixtum compositum raffinirter szenischer Effekte und dabei gegens Ende
so hoch dramatisch und theatralisch, daß man kaum zu athmen wagt. —
Das muß jeder Kunstliebhaber, jeder, der an unserer Moderne Interesse
hat, selber sehen.
une Rsmeenhente“ die erfolgreiche Komödie von Otto
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