II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 745

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9.4. Der gruehe Kakadu Zykius
ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SO 16, RUNGESTR. 22-24.

Zeitung: Frankfurter Nachrichten
surchtbaren Erleben des Krieges in einer Art wohligen Erschlaffens
auch im übrigen Deutschland mannigsach sich zeigte.
Adresse:
Frankfurt.#=M.
Wir fühlen wohl, daß die Zeit für solche Sinnesrichtung vor¬
über ist. Auch die Zeit Schnitzlers ist. vorbei. Zu tief wühlten die
Datum:
Leidenschaften, zu laut drangen die Klagen zerrissener Herzen zu
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verfinsterten Himmeln, ausgelöscht ist jene müde, entsagende Welt,
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in der die Herzen sich mit ihrem Leid in die Behausungen des Schwei¬
gens flüchteten, und die Geister den Schleier der Skepsis über ihre
Neues Theater. Die drei Einakter „Paracelsus, „Die Gefährtin“.
Enttäuschungen wie über ihre Hoffnungen breiteten. Und alledem
and „Der grüne Kakadu“, die das Neue Theater zur Feier von
zum Trotz leben Schnitzlers Dichtungen. Aus der Seele eines feinen,
ArthurSchuitzlers 60. Geburtstage in neuer Einstudierung zu Gehör
leisen, zarten Menschen geboren, sind sie nicht Ausdruck, wohl aber
brochte, sind gewissermaßen typisch für ihres Schöpfers Art, das Leben
Ergänzung unserer wildgewordenen, unharmonischen, in tausend un¬
z#sshen und es im Spiegel des Theaters festzuhalten.
gelösten Zweifeln und unerfüllten Sehnsüchten sich erschöpfenden Zeit.
Sie leben erst recht auf dem Theater als einer Welt des Scheins, wo
Es war ein Spiel! Was sollt' es anders sein?
das Leben von selbst zum Spiele wird und Illusion und Wirklichkeit
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben.
ineinander übergehen. Sie leben dort mit der unerschöpflichen Kraft
nb schien es noch so groß und tief zu sein!
des einmal Seienden, des Gegenständlichen, des naturhaft Gewachse¬
nen. Es fehlt ihnen am Kampf, dem Urquell alles Dramatischen und
fließen ineinander Traum und Wechen,
dennoch sind sie und dauern sie, wie die Pflanze, die ihren Kelch der
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist rgends.
Sonne öffnet, wie der Baum, der seinen Wipfel dem Wehen des
*Wir wissen nichts von Anderm, nichts von uns.
Sturmes leidend, duldend entgegenträgt. Solche Kunst wollen wir
Wir spielen immer, wer es weiß ist klug.
nicht missen; sie ist mehr als ein Narkotikum, das unsere Sinne be¬
So heißt es im „Paracelsus“. Nur ein Spielball ist der über¬
täubt, sie ist ein milder, scheinbar verwehender und dennoch dauernder
lebende Gatte der „Gefährtin“ in der Hand seiner Frau und ihres
Abglanz des Lebens. Alles Irdische ist ihr ein Gleichnis des Scheins.
Geliebten gewesen. Im „grünen Kakadu“ täuscht man im Spiel die
aber eines wärmenden und strahlenden.
Wirklichkeit des Verbrechens vor, und eh es die Akteure selber ge¬
wahr werden, gehen Spiel und Ernst, Wahrheit und Lüge, Traum
Die unter der trefflichen Spielleitung Robin Roberts stehende
und Erwachen ineinander über, zerfließen sie in ein untrennbares
Aufführung des Neuen Theaters brachte all diese Schwächen, all diese
Ganzes. Nichts als ein Spiel ist das Leben; wer dies weiß ist klug.
Vorzüge Schnitzlerschen Schaffens auf's deutlichste zum Ausdruck. Die
Schnitzler hat diese Klugheit und aus ihr erklärt sich die eigentüm¬
müde Stimmung der „Gefährtin“, der tolle Wirbel spielerischer Wirk¬
liche Richtung seines schöpferischen Dranges. Seine Menschen ziehen
lichkeit und in Wirklichkeit gewandelten Spiels im „grünen Kakadu“.
nicht aus zu großen Taten, sie tragen nicht die Erdenschwere des
gelangte ebenso zu lebensvollem Ausdruck wie der Wechsel von Schein
Grüblers an ihren Sohlen, sie ringen nicht titanenhaft um das
und Wahrheit im „Paracelsus“. Kurt Gerdes, in allen drei
Höcht sie fühlen nicht den unendlichen Schmerz des Erliegens, sie
Stücken mitwirkend, war am besten als Professor Pilgram, den Henri
kän en nicht, sie sind. Sie leben, sie stehen mitten im Schwall des
in der Revolutionsgroteske erfüllte er mit leidenschäftlichem Leben,
### hehens, das sie umbraust, ungeheuer wahr, einfach, unkompliziert, während sein Paracelsus einen Rest an überzeugender Dämonie
##it einer Klarheit des menschlichen und dichterischen Instinkts er¬
schuldig blieb. August Weber schuf in den verschiedenartigen
schaut und erschaffen, die ihres gleichen sucht auf der Bühne, aber so
Rollen des Cyprian und des Grasset zwei plastisch erschaute, lebens¬
lebensvoll sie sind, sie haben kein Ziel, keinen Drang, am wenigsten
volle Gestalten. Sehr fein zeichnete Fred Hennings den jungen
den, das Aben zu meistern. Wozu? Gilt es doch nur ein Spiel, in
Arzt in der „Gefährtin“ und den Herzog von Cadignan im „Kakadu“
dem die schönen Augenblicke die Gewinne sind und das schreckensvolle
Peter Stanchina gelang besonders der Junker Anselm im „Para¬
mit Grauen geahnte unvermeidliche Ende im Tode beruht. Müde
celsus“. Alois Großmann machte aus dem Wirt Prospère eine
Resignation voll bitter=süßesten Verzichtes liegt über den Schnitzler¬
Type von schärfst erfaßter Prägnanz. Wir nennen noch José
schen Menschen: aus allen seinen Werken schlägt uns wie aus duften¬
Almas, der mit dem Strolche Grain den vielen trefflich erfaßten!
den Blumen, die vor dem Verwelken stehen, ein leiser Hauch von
Gestalten, die wir von ihm sahen, eine weitere charakteristisch ge¬
Verwesung entgegen. Dekadence — mit diesem Worte umfassen wir
schaute Rolle hinzufügte, die anmutige Justina Alice Nohdes, die
den einen hervorstechenden Zug seiner Wesenheit, einer Dekadence.
rassige Léocadie Leontine Sagans, den jungenhaft sympathischen
wie sie dem Wien der Vorkriegszeit mit all ihren verführend be¬
Tremonille Karl Lindts, Robert Grüning als Arzt Copus und
rückenden Begleiterscheinungen eigentümlich war, wie sie vor dem
Marauis von Lansac, Anny Reiter als Marquise und in der weib¬
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lichen Rolle der „Gefährtin“. Es war ein anregender Abend.
Regisseur und Darsteller wurden mit verdientem Beifall ausge¬
zeichnet.
L.=M.