II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 751

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9.4. Der gruene Kakadu Zykius


das erst wenige Stunden her ist? Und können Sielrothes Haupt und das Spiel hat ein Ende genom¬
sich vorstellen, daß da über diesem dunklen Wegimen.
Die Scenen dieser Groteske sind mit großer
die Sonne gelegen ist? — Wenn ich die Augen
Lebendigkeit gearbeitet, ein tolles Wirrwarr vor
schließe — ist plötzlich die Sonne wieder da. Son¬
dem nahen Ende. Bald derb und laut, bald fein
—.—
derbar. Ich hörte sogar, wie die Wagen rollen. —
und zart, wie es sich in dem Auftritt Henri's und
Und dann dieser Endklang, halb ist es Weh¬
Léokadies gibt, aber überall mit jenem leichten
muth, halb Befreiung. Die Zeit deckt so vieles
Humor durchsetzt, der an den „Anatol“ gemahnt,
mit ihrem Vergessen zu, auch Lüge und Gemeinheit,
Herr Kobler stellte einen vortrefflichen
nach Jahren, wer denkt noch daran! Die Erinne¬
Paracelsus auf die Bühne und wir hätten nur ges
rung ist alles, was den Todten auf Erden noch
wünscht, daß ihm auch die Rolle Roberts in der
bleibt. Wo die aber auf häßliche Dinge trifft,
„Gefährtin“ übertragen worden wäre. Sehr wa¬
stirbt auch sie bald.
cker hielt sich Frl. Stastny, die in allen dreit
Stücken vortheilhaft hervortrat. Von den übri¬
Das Leitmotiv: „Wir spielen immer; wer es
gen sind Frl. Prandstetter, Herr Metzlz
weiß, ist klug“ kommt am deutlichsten und sinn¬
Nasch, Kamauf und Suppanzu erwähnen
fälligsten im „Grünen Kakadu“ zum Aus¬
Für Schnitzler bedeuten diese drei Einacter ei¬
druck. Es ist die Zeit der französischen Revolution,
nen gewaltigen Fortschritt seiner künstlerischenEnt¬
vor der Erstürmung der Bastille, in einer Schenke,
wicklung. Da er ein neues Milieu mit großem
die ein seltsames Leben von Gaunern und Schau¬
Geschick festhält, können wir von ihm vielleicht ein
spielern gibt und in der die vornehmen Kreise
von Paris mit Vorliebe zu verkehren pflegen. großes historisches Drama erwarten, vielleicht auch
Man wirft ihnen zwar nicht die schmeichelhaftesten nicht. Seinem Wesen wird er aber immer der¬
Ausdrücke an den Kopf, aber es ist ja alles nur selbe bleiben, so wie ihn Alfred Kerr einmal ge¬
Spiel und man glaubt die Tatze des Lwen noch kennzeichnet hat: Alles fluthet durcheinander:
sicher geborgen. Ein wirklicher Mi#, der Innigkeit und Eleganz, Weichheit und Ironie,
„schreiende Bimsstein“, der seine Ten am Ge= Weltstädtisches und Abseitiges, Lyrik und Feuil¬
leto inus, Lebensraffinement und volksmäßige,
wissen hat, vermag durch seinen Vortrag nur mit¬
Schlichtheit, Oesterreicherthum und Halbfranzösi¬
leidiges Achselzucken zu erregen, er ist gegenüber
sches, Schmerz und Spiel, Lächeln und Sterben.
den anderen, die Mord und Hölle zetern, nur ein
blutiger Dilletant. Und dann ein Schlag: Das Ein junger Meister, ein glücklicher Götterfreund,
Volk von Paris steht vor der Thür, die Bastille ist jordnet mit weicher, leiser, spielend vollbringender
erstürmt und der Herzog von Cadignan fällt Hand die Bestandtheile.
durch die Hand Henri's, die Freiheit hebt ihr blut¬