Gegenstand einer amusanten Planderei im „Verl Tagehl.“.
dessen Wiener Correspondent einen Besuch bei der Heroine
des Burgtheaters in folgender Weise erzählt: „Eben, als
ich ankam, entfernte sich ein bekannter Wiener Theater¬
agent — die Krisis war auf ihrem Höhepunkt.
„Mein Fräulein“, erlaubte ich mir nach der Er¬
örterung der unmittelbaren Aergernisse zu bemerken, „die
Direction behauptet, daß Sie genügend beschäftigt seien.“
„Genügend beschäftigt? Seit Februar des ver¬
gangenen Jahres habe ich keine neue Rolle gespielt oder
zugetheilt erhalten. Ist das genügende Beschäftigung für
eine moderne Schauspielerin, wie ich bin, die mit der
Dichtung der Zeit in Fühlung bleiben will, für die erste
Heroine des Wiener Burgtheaters.? Ich spiele eigentlich
nur zwei Rollen — die Messalina und die Kleopatra,
dann wieder die Kleopatra und die Messalina. Alle meine
Bitten, mich Anderes, Neueres spielen zu lassen, blieben
vergebens. Die Stücke, in welchen ich in der Aera Burck¬
hard mit Mitterwurzer auftrat, stehen nicht mehr auf dem
Spielplan. Ich bat, mich „Hedda Gabler“ oder „Die
Frau vom Meere“ spielen zu lassen. Man sagte mir,
die Stücke seien abgeleiert. Ich flehle, endlich mit der
„Maria Magdalena“, die ich seit vier Jahren studire,
heraustreten zu können. Man hat es bis heute nicht er¬
nclusive
Für 50 möglicht. Ich komme wochenlang nicht dazu, auf der
Porto.
100 Bühne des Burgtheaters zu erscheinen. Wissen Sie, was
Zahlbar
200
im Vora#s
500
ich im letzten Winter gethan habe, um mich mit irgend
1000 etwas zu beschäftigen, um nicht im Nichtsthun zu ver¬ ste ist das
kommen? Ich habe sechsundzwanzig Paar Strümpfe ge= feht es den
Abonne
strickt — so viel Muße ließ man der Heroine des Burg=Idern.
Aboeine
theaters!“
„In der That, mein Fräulein, diese sechsundzwanzig
Paar Strümpse sind sechsundzwanzig vernichtende Anklagen.
Wenn die dem Herrn Director im Traume erscheinen —“
„Und wissen Sie, was ich heuer begonnen habe?
Ich habe alle meine Möbel frisch angestrichen. Blicken
Sie um sich! Da sehen Sie in neuen Farben prangen,
grün, gelb, blau, wie Sie wollen. Dort sind noch die
Pinsel und Farbentöpfchen. Hier meine Hände, sehen
Sie nur, tragen noch die Spuren der Beschäftigung —“
„Ja, ich begreise aber nicht, weshalb man Ihnen
eine hohe Gage bezahlt, wenn man Sie nicht beschäftigen
will?“
„Man bezahlt sie eben nicht. Der größere Theil
meiner Gage besteht leider im Spielhonorar, und das
fällt einsach weg, wenn man mich nicht auftreten läßt.
Ich müßte wenigstens dreimal wöchentlich spielen, um
für die Bedürfnisse meines Haushaltes und meiner Toi¬
lette aufkommen zu können. — Sie begreisen, welches
Deficit bei dei derzeitigen Uebung entsteht. Aber alles
das wiegt gering gegenüber dem künstlerischen Verfall,
dem ich preisgegeben bin, wenn sich die Verhältnisse
nicht ändern. Seit anderthalb Jahren bin ich einfach
kalt gestellt. Man gibt mir keine Rollen, weder alte noch
neue. Nun wird die „Jungfrau von Orleans“ wieder¬
gegeben, man weist die Titelrolle Fräulein Medelsky zu.
Die Rolle würde mir gebühren, doch ich sage nichts.
In Schnitzler's „Vermächtniß“ wird die Hauptrolle wieder
einer Anderen zugewiesen, trotzdem ich seinerzeit der
„Liebelei“ zu einem großen Erfolge verholsen habe. Auch
darin muß ich mich ergeben. Mich aber nach anderthalb
Jahren in einer unbedentenden Mutterrolle hinausstellen
zu lassen, während ich für jugendliche Heroinnen ver¬
pflichtet wurde — nein, dem muß ich mich nicht jügen!“
„Und was wollen Sie thun, wenn man Ihnen die
Entlassung nicht bewillig!?“
„Ich werde es auf das Aeußerste ankommen lassen.
Man wird mich doch nicht mit Gewalt auf die Bühne
schleppen! Ich will weg von diesem Theater, wo man
mich zu Tode quält.“
Als ich von der Künstlerin schied, bat sie mich,
mich ihrer anzunehmen. „Ich habe Niemanden, Herr
Doctor, der mich vertheidigt, und Alle sind gegen mich.“
Im Antichambre stieß ich mit einem neuen Be¬
sucher zusammen — es war ein zweiter sehr bekannter
Wiener Theateragent.
Die Theateragenten scheinen doch für Fräulein
-Sundrock zu sein.“
dessen Wiener Correspondent einen Besuch bei der Heroine
des Burgtheaters in folgender Weise erzählt: „Eben, als
ich ankam, entfernte sich ein bekannter Wiener Theater¬
agent — die Krisis war auf ihrem Höhepunkt.
„Mein Fräulein“, erlaubte ich mir nach der Er¬
örterung der unmittelbaren Aergernisse zu bemerken, „die
Direction behauptet, daß Sie genügend beschäftigt seien.“
„Genügend beschäftigt? Seit Februar des ver¬
gangenen Jahres habe ich keine neue Rolle gespielt oder
zugetheilt erhalten. Ist das genügende Beschäftigung für
eine moderne Schauspielerin, wie ich bin, die mit der
Dichtung der Zeit in Fühlung bleiben will, für die erste
Heroine des Wiener Burgtheaters.? Ich spiele eigentlich
nur zwei Rollen — die Messalina und die Kleopatra,
dann wieder die Kleopatra und die Messalina. Alle meine
Bitten, mich Anderes, Neueres spielen zu lassen, blieben
vergebens. Die Stücke, in welchen ich in der Aera Burck¬
hard mit Mitterwurzer auftrat, stehen nicht mehr auf dem
Spielplan. Ich bat, mich „Hedda Gabler“ oder „Die
Frau vom Meere“ spielen zu lassen. Man sagte mir,
die Stücke seien abgeleiert. Ich flehle, endlich mit der
„Maria Magdalena“, die ich seit vier Jahren studire,
heraustreten zu können. Man hat es bis heute nicht er¬
nclusive
Für 50 möglicht. Ich komme wochenlang nicht dazu, auf der
Porto.
100 Bühne des Burgtheaters zu erscheinen. Wissen Sie, was
Zahlbar
200
im Vora#s
500
ich im letzten Winter gethan habe, um mich mit irgend
1000 etwas zu beschäftigen, um nicht im Nichtsthun zu ver¬ ste ist das
kommen? Ich habe sechsundzwanzig Paar Strümpfe ge= feht es den
Abonne
strickt — so viel Muße ließ man der Heroine des Burg=Idern.
Aboeine
theaters!“
„In der That, mein Fräulein, diese sechsundzwanzig
Paar Strümpse sind sechsundzwanzig vernichtende Anklagen.
Wenn die dem Herrn Director im Traume erscheinen —“
„Und wissen Sie, was ich heuer begonnen habe?
Ich habe alle meine Möbel frisch angestrichen. Blicken
Sie um sich! Da sehen Sie in neuen Farben prangen,
grün, gelb, blau, wie Sie wollen. Dort sind noch die
Pinsel und Farbentöpfchen. Hier meine Hände, sehen
Sie nur, tragen noch die Spuren der Beschäftigung —“
„Ja, ich begreise aber nicht, weshalb man Ihnen
eine hohe Gage bezahlt, wenn man Sie nicht beschäftigen
will?“
„Man bezahlt sie eben nicht. Der größere Theil
meiner Gage besteht leider im Spielhonorar, und das
fällt einsach weg, wenn man mich nicht auftreten läßt.
Ich müßte wenigstens dreimal wöchentlich spielen, um
für die Bedürfnisse meines Haushaltes und meiner Toi¬
lette aufkommen zu können. — Sie begreisen, welches
Deficit bei dei derzeitigen Uebung entsteht. Aber alles
das wiegt gering gegenüber dem künstlerischen Verfall,
dem ich preisgegeben bin, wenn sich die Verhältnisse
nicht ändern. Seit anderthalb Jahren bin ich einfach
kalt gestellt. Man gibt mir keine Rollen, weder alte noch
neue. Nun wird die „Jungfrau von Orleans“ wieder¬
gegeben, man weist die Titelrolle Fräulein Medelsky zu.
Die Rolle würde mir gebühren, doch ich sage nichts.
In Schnitzler's „Vermächtniß“ wird die Hauptrolle wieder
einer Anderen zugewiesen, trotzdem ich seinerzeit der
„Liebelei“ zu einem großen Erfolge verholsen habe. Auch
darin muß ich mich ergeben. Mich aber nach anderthalb
Jahren in einer unbedentenden Mutterrolle hinausstellen
zu lassen, während ich für jugendliche Heroinnen ver¬
pflichtet wurde — nein, dem muß ich mich nicht jügen!“
„Und was wollen Sie thun, wenn man Ihnen die
Entlassung nicht bewillig!?“
„Ich werde es auf das Aeußerste ankommen lassen.
Man wird mich doch nicht mit Gewalt auf die Bühne
schleppen! Ich will weg von diesem Theater, wo man
mich zu Tode quält.“
Als ich von der Künstlerin schied, bat sie mich,
mich ihrer anzunehmen. „Ich habe Niemanden, Herr
Doctor, der mich vertheidigt, und Alle sind gegen mich.“
Im Antichambre stieß ich mit einem neuen Be¬
sucher zusammen — es war ein zweiter sehr bekannter
Wiener Theateragent.
Die Theateragenten scheinen doch für Fräulein
-Sundrock zu sein.“