II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 780

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Nr. 25.
„OBSERVER
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Ausschnitt aus:
„Deutsches Vokkeblatt“
vom 11.77
Theater, Kunst und Literatur.
Hofburgtheater. Arthur Schnitzler's. dreiaetiges
Schauspiel „Das Vormiächtnis“ ist del der kürzlich erfolgten
Erstansführung in Berlin abgelehnt worden, und nach wenigen
Wiederholungen ist es aus dem Spielplan vollständig ver¬
schwunden. Auch in Wien wäre der Nopität wohl kein freund¬
#icheres Schicksal beschieden gewesen, wenn gestern nicht die
bekanntlich sehr zahlreichen Freunde Schnitzler's sich vollzählig
in den verschiedenen Räumen des Burgtheaters eingefunden
und durch die Beifallsstürme, die sie inscenirten, dem
Uneingeweihten suggerirt hätten, daß es sich thatsächlich um
einen Erfolg handle, was ganz und gar nicht der Fall
war, und die späteren Vorstellungen sicherlich beweisen
werden. Was Herr Schnitzler in seinem jüngsten Werke
uns sagen will — es ist uns und auch ihm nicht
recht klar geworden. Immer und ewig
8 ein
und dasselbe Thema, das unsere „Modernen“ in ihren Dramen
behandeln, immer wieder plaidiren sie für das Recht der
Geschlechter, freie Wahl untereinander zu treffen und einander
anzugehören, ohne Rücksicht auf die Tradition und auf all'
das, was in die Liele eine Art von Gesetz gebracht hat. Die
Vertheilung der K##e erfolgt natürlich stets so, daß der
Autor mit seinen pathetischen Declamationen Recht behält,
wenigstens so lange, so lange das Publi#m nicht darüber
nachdenkt, daß es wieder einmal zum Besten gehalten worden
ist. Sehen wir uns einmal rasch die Handlung der gestrig
Novität an. Ein junger Mann eus guter Familie, de¬
Sciasive
5### Hochschulprofessor und Abgeordneter, wird eines #e
Porto.
10 einem Spazierritt in den Prater sterbend nach He¬cht. Zahlbar
20 Er ist vom Pferde gestürzt und hat eine sche#ere Gehirn= o
50cerschütterung erlitten. Während die ganze Familie sich dem
100(Glauben hingibt, daß es sich nur um einen leichten Unfall
e9
jhandie, erkennt er seinen Zustand nur zu gut. Er fühlt sein
Abonn Ende nahen und berichtet seiner Mutter, daß er eine Geliebte,##n.
Abonmdaß er ein Kind habe, die in unmittelbarer Nähe wohnen. Er
will Beide noch vor seinem Tode sehen und er nimmt den
Eltern das Versprechen ab, für sein „Vermächtnis“ treu zu
sorgen. Das geschieht auch. Der Paker, ein Mann von wenig
Charakterfestigkeit und ewig schwankender Meinung, dabei ein
der Pete und der Phrase, fügt sich nach seiner
Art in das Unverine##tiche. Die Mutter ist mehr mit
dem Herzen bei der Sache und die übrigen Frauen
der Fawilie üherbieten sich förmlich, dem „Vermächtnis“ des
Todten die neue Heimat so angenehm als möglich zu machen,
mit einer Serupellosigkeit, wie sie nur dem echten „modernen“
Weibe eigen ist, sätzten sie sich darüber hinweg, daß es sich um
keine Ehe, sonder um ein illegitimes Verhältnis handelte. Da
Lirbt das Kind. Was soll nun geschehen? Das Haupt der
Familie und ein junger Arzt, der um die Hand der Tochter
des Hauses wirht, fordern, daß die Mutter nun das Haus
verlasse, da das dem Sterbenden gegebene Versprechen erfüllt
sei. Auch die schwache und unselbständige Mutter läßt sich für
diese Auffassung gewinnen. Auf der anderen Seite stehen
die
anderen Frauen, die in der nun Verstohenen
gewissermaßen sich selbst vertheidigen. Der Kampf ist ei
gleicher, der Autor hat auf einer Seite soviel synwathische,
auf der anderen aber alle unsympathischen Gestalten seines
Werkes nereinigt, so daß er scheinhar im Rechte bleibt. Schein¬
bar sagen wir, denn in Wirklichkeit sind die Situationen, wie
sie Schnitzler künstlich herbeiführt, um dann zur Verkündigung
seiner, übrigens uns Allen längst geläusigen Tendenz zu ge¬
langen, gar nicht möglich, sie sind unwahr oder doch wenigstens
sim hohen Grade unwahrscheinlich. Das Stück schließt selbst¬