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Gefaehr
Die
9.2 Me En
grechtter Wetcen carf. —n gunge Helt
ernsten, der Bedeutung des Tages würdigen Charakter ohne äußeres
sie weiter lieben und weiter leiden zu dürfen — und jetzt wollen
Sigsich noch weiter quälen, um eines Schicksals willen, das Sie
lch nur einbilden, das diese Frau überhaupt nicht erleiden
konnte, weil das Leben so leicht für sie war, wie Menscher
Ihrer Art gar nicht begreifen können.“ Daraufhin jagt Pro¬
fessor Pilgram den Assistenten aus seinem Haus und geht, Ver¬
achtung im Herzen aber getröstet auf Reisen.
So etwas kann vorkommen. Aber es hat sich auch diesmal
4, A. Residenztheater ### #n.
wieder gezeigt, daß der Zuhörer nicht das erforderliche In¬
teresse für diesen ehelichen Schmutz aufbringen kann. Es ist
„Die Gefährtin“ von ArthurSchnitzser.
eine alte Geschichte: der betrogenen Frau zollt man überall
„Dieoffenen Türen“ vos R##
aufrichtiges Mitleid, der betrogene Mann dagegen wird fast
Nach längerer Pause gab es im Residenztheate wieder
ausnahmslos lächerlich. Es ist dies tief im Wesen der Ehe
einmal einen Premieren=Abend, wenigstens einen halben. Es
und in der Stellung der beiden Geschlechter zueinander be¬
wurde ein altes Schnitzlersches Stück hervorgesucht, das schon
gründet. Im besten Falle läßt man mit einem bedauernden
am 13. Mai 1898 an derselben Stelle seine erste Aufführung
Achselzucken und einem Seufzer der Erleichterung die unnütze
erlebt hatte, zusammen mit zwei weiteren Stücken desselben
Quälerei an sich vorübergehen und geht zum nächsten über,
Verfassers, dem Versspiel „Paracelsus“ und der Groteske „Der
selbst dann, wenn das Stuck noch so gut gegeben oder eigentlich
grüne Kakadu“. Aber gerade das einaktige Schauspiel „Die
gesprochen wird. Denn es handelt sich natürlich in der Haupt¬
Gefährtin“ hatte damals bei uns den geringsten Erfolg von
sache nur um einen kurzen Dialog zwischen dem Professor Pil¬
den dreien, „Der grüne Kakadu“ den größten. Umgekehrt
gram, den diesmal Herr Lützenkirchen darstellte, und der ge¬
stand es merkwürdigerweise bei der zwei Monate vorherge¬
heimnisvollen Freundin des Hauses, Olga Merholm, von Frau
gangenen Uraufführung im Wiener Burgtheater. Da war es
Swoboda gesprochen. Bei der damaligen Aufführung gab
„Die Gefährtin“, die verhältnismäßig den größten Erfolg hatte.
Schneider den Professor und Lützenkirchen den Assistenten, den
Es ist ein etwas verzwicktes psychologisches Problem, das sich
diesmal Herr v. Jacobi übernommen hatte. Damals verstand
Schnitzler herausgetüftelt hat. Wenn die Aufnahme des wieder¬
man von dem peinlichen Dialog freilich mehr als heute, nicht
aufgenommenen Stückes am Samstag abermals eine ziemlich
weil wir inzwischen älter und schwerhöriger geworden sind,
flaue gewesen ist, so mag daran nicht die ganz feinsinnige Aus¬
sondern weil es damals noch nicht modern war, daß die Schau¬
arbeitung des Wiener Arztes und Liebespsychologen Schuld
spieler nur für sich und nicht auch für das Publikum sprechen.
tragen, sondern eben das Problem selbst. Dem Professor Pil¬
Je unhörbarer heute geflüstert wird, je weniger an die „vierte
gram ist seine Frau gestorben. Er kann für dies Ereignis nicht
Wand“ das Publikum, gedacht wird, um so höher steht ja der
den nötigen Schmerz aufbringen, denn er glaubt zu wissen,
„Menschendarsteller“.
daß seine um 20 Jahre jüngere Frau ihn fast während seiner
Auf die düstere „Gefährtin“, die eben keine Gefährtin ihres
ganzen Ehe mit seinem Assistenten betrogen hat. Aber er ist
Mannes gewesen ist, folgte eine zweiaktige Komödie, die einen
tolerant gewesen, teils weil er seine Frau nicht mehr liebte,
Schweizer, Robert Faesi, zum Verfasser hat. Sie heißt „Die
teils weil er glaubte, eine große unwiderstehliche Leidenschaft
offenen Türen“. Es handelt sich darin nicht um offene Türen,
für einen Anderen vor sich zu haben und tolerieren zu müssen.
die man einstößt, sondern um kaufmännische Möglichkeiten, die
Durch eine Freundin des Hauses, die gekommen ist, bedenkliche
ausgenützt werden können. Das Thema ist nicht schlecht er¬
Briefe zu retten, erfährt er jedoch zu seiner maßlosen Ueber¬
funden und für eine heitere Ausgestaltung recht geeignet; es
raschung und Entrüstung, daß das sündige Paar, dem er so
liegt auch nicht gerade am Wege. Ein gerissener und auf seine
großmütig verziehen, dieser Verzeihung in keiner Weise wert
Gerissenheit eingebildeter junger Kaufmann Merck hält sich,
gewesen ist. Mit Wissen der schuldigen Frau hat der Assistent
wie er meint, drei bis vier Turen offen, um durch jene ein¬
seine Verlobung mit einer reichen Partie vorbereitet, und die
zugehen hinter der ihm der größte Vorteil erwartet: der Ab¬
Freundin, welcher der Dichter sein Räsonnement in den
schluß eines Engagements zu glänzenden Bedingungen mit
Mund legt, faßt die Pointe des Stückes in die Worte zu¬
zwei anderen Großkaufleuten oder die Verheiratung mit der
sammen: „Jahrelang haben Sie u diese Frau gelitten —
haben sich von einem Selbstbetrugern den anderen gestürzt, um ] Tochter des dritten sind die offenen Türen. Er hat also, wie
ecd
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grechtter Wetcen carf. —n gunge Helt
ernsten, der Bedeutung des Tages würdigen Charakter ohne äußeres
sie weiter lieben und weiter leiden zu dürfen — und jetzt wollen
Sigsich noch weiter quälen, um eines Schicksals willen, das Sie
lch nur einbilden, das diese Frau überhaupt nicht erleiden
konnte, weil das Leben so leicht für sie war, wie Menscher
Ihrer Art gar nicht begreifen können.“ Daraufhin jagt Pro¬
fessor Pilgram den Assistenten aus seinem Haus und geht, Ver¬
achtung im Herzen aber getröstet auf Reisen.
So etwas kann vorkommen. Aber es hat sich auch diesmal
4, A. Residenztheater ### #n.
wieder gezeigt, daß der Zuhörer nicht das erforderliche In¬
teresse für diesen ehelichen Schmutz aufbringen kann. Es ist
„Die Gefährtin“ von ArthurSchnitzser.
eine alte Geschichte: der betrogenen Frau zollt man überall
„Dieoffenen Türen“ vos R##
aufrichtiges Mitleid, der betrogene Mann dagegen wird fast
Nach längerer Pause gab es im Residenztheate wieder
ausnahmslos lächerlich. Es ist dies tief im Wesen der Ehe
einmal einen Premieren=Abend, wenigstens einen halben. Es
und in der Stellung der beiden Geschlechter zueinander be¬
wurde ein altes Schnitzlersches Stück hervorgesucht, das schon
gründet. Im besten Falle läßt man mit einem bedauernden
am 13. Mai 1898 an derselben Stelle seine erste Aufführung
Achselzucken und einem Seufzer der Erleichterung die unnütze
erlebt hatte, zusammen mit zwei weiteren Stücken desselben
Quälerei an sich vorübergehen und geht zum nächsten über,
Verfassers, dem Versspiel „Paracelsus“ und der Groteske „Der
selbst dann, wenn das Stuck noch so gut gegeben oder eigentlich
grüne Kakadu“. Aber gerade das einaktige Schauspiel „Die
gesprochen wird. Denn es handelt sich natürlich in der Haupt¬
Gefährtin“ hatte damals bei uns den geringsten Erfolg von
sache nur um einen kurzen Dialog zwischen dem Professor Pil¬
den dreien, „Der grüne Kakadu“ den größten. Umgekehrt
gram, den diesmal Herr Lützenkirchen darstellte, und der ge¬
stand es merkwürdigerweise bei der zwei Monate vorherge¬
heimnisvollen Freundin des Hauses, Olga Merholm, von Frau
gangenen Uraufführung im Wiener Burgtheater. Da war es
Swoboda gesprochen. Bei der damaligen Aufführung gab
„Die Gefährtin“, die verhältnismäßig den größten Erfolg hatte.
Schneider den Professor und Lützenkirchen den Assistenten, den
Es ist ein etwas verzwicktes psychologisches Problem, das sich
diesmal Herr v. Jacobi übernommen hatte. Damals verstand
Schnitzler herausgetüftelt hat. Wenn die Aufnahme des wieder¬
man von dem peinlichen Dialog freilich mehr als heute, nicht
aufgenommenen Stückes am Samstag abermals eine ziemlich
weil wir inzwischen älter und schwerhöriger geworden sind,
flaue gewesen ist, so mag daran nicht die ganz feinsinnige Aus¬
sondern weil es damals noch nicht modern war, daß die Schau¬
arbeitung des Wiener Arztes und Liebespsychologen Schuld
spieler nur für sich und nicht auch für das Publikum sprechen.
tragen, sondern eben das Problem selbst. Dem Professor Pil¬
Je unhörbarer heute geflüstert wird, je weniger an die „vierte
gram ist seine Frau gestorben. Er kann für dies Ereignis nicht
Wand“ das Publikum, gedacht wird, um so höher steht ja der
den nötigen Schmerz aufbringen, denn er glaubt zu wissen,
„Menschendarsteller“.
daß seine um 20 Jahre jüngere Frau ihn fast während seiner
Auf die düstere „Gefährtin“, die eben keine Gefährtin ihres
ganzen Ehe mit seinem Assistenten betrogen hat. Aber er ist
Mannes gewesen ist, folgte eine zweiaktige Komödie, die einen
tolerant gewesen, teils weil er seine Frau nicht mehr liebte,
Schweizer, Robert Faesi, zum Verfasser hat. Sie heißt „Die
teils weil er glaubte, eine große unwiderstehliche Leidenschaft
offenen Türen“. Es handelt sich darin nicht um offene Türen,
für einen Anderen vor sich zu haben und tolerieren zu müssen.
die man einstößt, sondern um kaufmännische Möglichkeiten, die
Durch eine Freundin des Hauses, die gekommen ist, bedenkliche
ausgenützt werden können. Das Thema ist nicht schlecht er¬
Briefe zu retten, erfährt er jedoch zu seiner maßlosen Ueber¬
funden und für eine heitere Ausgestaltung recht geeignet; es
raschung und Entrüstung, daß das sündige Paar, dem er so
liegt auch nicht gerade am Wege. Ein gerissener und auf seine
großmütig verziehen, dieser Verzeihung in keiner Weise wert
Gerissenheit eingebildeter junger Kaufmann Merck hält sich,
gewesen ist. Mit Wissen der schuldigen Frau hat der Assistent
wie er meint, drei bis vier Turen offen, um durch jene ein¬
seine Verlobung mit einer reichen Partie vorbereitet, und die
zugehen hinter der ihm der größte Vorteil erwartet: der Ab¬
Freundin, welcher der Dichter sein Räsonnement in den
schluß eines Engagements zu glänzenden Bedingungen mit
Mund legt, faßt die Pointe des Stückes in die Worte zu¬
zwei anderen Großkaufleuten oder die Verheiratung mit der
sammen: „Jahrelang haben Sie u diese Frau gelitten —
haben sich von einem Selbstbetrugern den anderen gestürzt, um ] Tochter des dritten sind die offenen Türen. Er hat also, wie
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