Gefaehrtin
9.2. Die A. a2
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machen, sie fordere diese Briefe in ihrem eigenen Interesse.
Der Mann aber sagt der Erstaunten, daß er wohl wisse wie
seine Frau ihn schon seit Jahren mit seinem Assistenten be¬
trogen habe. Er habe nichts dazu gesagt und, als der um
zwanzig Jahre Aeltere, dem jungen Paare innerlich längst
verziehen. Da nun aber dieser Assistent von der Todes¬
nachricht erreicht, augenblicks zurückkehrt und gesprächsweise
erwähnt, daß er sich inzwischen an der See verlobt habe,
kommt es auf, daß nicht eine unwiderstehliche große Leiden¬
schaft die beiden Sünder zusammengeführt hat, sondern daß
die verstorbene Frau sogar von der projektierten Verlobung
ihres Geliebten mit einer reichen Partie gewußt hat. Dar¬
auf hin nun wendet sich der betrogene Gatte erst recht mite
Ekel und Abscheu von seinem Freunde und Assistenten ab,
weist ihn aus dem Hause und geht auf Reisen. Er ist inner¬
lich mit der Geschichte fertig und jede Spur von Trauer
wie von Achtung für die Verstorbene ist für immer dahin.
Dies alles weiß uns Schnitzler in einem sehr fein poin¬
tierten Dialog zwischen den drei Hauptpersonen des Stückes
zu erzählen, aber geradeso wie der betrogene Gatte jedes
Gefühl für die eben Verstorbene begreiflicherweise verloren
hat, ebenso verlieren wir das Interesse an der ganzen pein¬
lichen Eheaffäre. Ein betrogener Gatte findet selten unser
volles Mitleid, die betrogene Frau immer. Aber ganz be¬
sonders läßt uns die Sache kühl, wenn wir die schöne Sün¬
derin überhaupt garnicht zu sehen kriegen und die Sache
schon abgeschlossen ist, bevor der Vorhang aufgegangen ist.
Die Darsteller der drei Hauptrollen, des Professors, des Assi¬
stenten und der Freundin waren Herr Lützenkirchen, Herr
v. Jacobi und Frau Swoboda. Damals hießen sie Schnei¬
der, Lützenkirchen und Klara Heese. Wir brauchen die
Namen nur zu nennen um Glauben zu finden dafür, daß
die Darstellung von heute das Stück gewiß nicht eher retten
konnte als die von damals. Der Regisseur des Abends war
der neue Dramaturg Dr. Wollf. Für dieses Stück hatte er
ein sehr unglaubhaftes Milieu gewählt. Angeblich befand
man sich im Zimmer der verstorbenen Frau, in Wirklichkeit
war es ein großer Saal mit drei Türen, der in seiner Nüch¬
ternheit von vornherein keine Stimmung aufkommen ließ.
Mehr Glück hatte das zweite Stück: „Die offenen
Türen“ eine zweiaktige Komödie von Robert Faesi, mit
dem ein hier ganz neuer Name auftritt. Dr. Faesi ist Schwei¬
zer und wie man hört Privatdozent in Zürich; mir ist nicht be¬
kannt, daß er vorher schon etwas geschrieben hätte. Das
Sujet seines Stückes ist garnicht so übel und liegt nicht ge¬
rade an der Straße. Das ganze Stück spielt im Rauch= und
Lesezimmer „des elegantesten Hotels einer größeren Stadt“.
Das ist bekanntlich der für jeden Autor bequemste Schau¬
platz: so eine Hotelhalle hat mindestens drei Eingänge, durch
welche die Personen des Stückes zwanglos auf= und ab¬
treten können, so oft der verehrliche Verfasser es für gut
findet. Auf diesem neutralen Boden findet sich nun eine Ge¬
sellschaft von Groß=Kaufleuten und Spekulanten ein. Der
unternehmendste von ihnen heißt Merck. Er hat und sucht
die vorteilhaftesten Verbindungen und Geschäfte und ist im
Begriffe sich so teuer als möglich zu verkaufen, sei es an
einen der beiden Hauptunternehmer oder an die Tochter
eines dritten. Er kann sich aber nicht entschließen, weil er
eben die beste Chance von den dreien erst erproben muß;
das sind die offenen Türen. Man ahnt schon, daß dieser
skrupellose Kaufmann sich zuletzt doch verrechnet. In der
Tat schließen die beiden Unternehmer hinter seinem Rücken
einen Pakt gegen ihn und lassen ihn fallen, und die Tochter
des dritten reicht, abgestoßen von so viel Egoismus, ihr
Händchen einem Jugendfreund, der wegen seines unpnak¬
tischen Idealismus von Merck die ganze Zeit über ausge¬
lacht und geschulmeistert worden. Das wäre nun alles so
weit ganz nett, wenn der Verfasser damit ordentlich vom
Fleck käme, aber die Exposition des ersten Aktes ist von einer
solchen Schwerfälligkeit und Langatmigkeit, daß man bei¬
nahe die Hoffnung aufgibt an dem Abend noch etwas zu
erleben. Der frischere zweite Akt macht dies nun wenig¬
stens zum Teil wieder gut. Die kleine Komödie wurde in
den Hauptrollen von Herrn Graumann (Merck), und den
Herren Waldau, Schwanneke, Stettner und Höfer, sowie
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machen, sie fordere diese Briefe in ihrem eigenen Interesse.
Der Mann aber sagt der Erstaunten, daß er wohl wisse wie
seine Frau ihn schon seit Jahren mit seinem Assistenten be¬
trogen habe. Er habe nichts dazu gesagt und, als der um
zwanzig Jahre Aeltere, dem jungen Paare innerlich längst
verziehen. Da nun aber dieser Assistent von der Todes¬
nachricht erreicht, augenblicks zurückkehrt und gesprächsweise
erwähnt, daß er sich inzwischen an der See verlobt habe,
kommt es auf, daß nicht eine unwiderstehliche große Leiden¬
schaft die beiden Sünder zusammengeführt hat, sondern daß
die verstorbene Frau sogar von der projektierten Verlobung
ihres Geliebten mit einer reichen Partie gewußt hat. Dar¬
auf hin nun wendet sich der betrogene Gatte erst recht mite
Ekel und Abscheu von seinem Freunde und Assistenten ab,
weist ihn aus dem Hause und geht auf Reisen. Er ist inner¬
lich mit der Geschichte fertig und jede Spur von Trauer
wie von Achtung für die Verstorbene ist für immer dahin.
Dies alles weiß uns Schnitzler in einem sehr fein poin¬
tierten Dialog zwischen den drei Hauptpersonen des Stückes
zu erzählen, aber geradeso wie der betrogene Gatte jedes
Gefühl für die eben Verstorbene begreiflicherweise verloren
hat, ebenso verlieren wir das Interesse an der ganzen pein¬
lichen Eheaffäre. Ein betrogener Gatte findet selten unser
volles Mitleid, die betrogene Frau immer. Aber ganz be¬
sonders läßt uns die Sache kühl, wenn wir die schöne Sün¬
derin überhaupt garnicht zu sehen kriegen und die Sache
schon abgeschlossen ist, bevor der Vorhang aufgegangen ist.
Die Darsteller der drei Hauptrollen, des Professors, des Assi¬
stenten und der Freundin waren Herr Lützenkirchen, Herr
v. Jacobi und Frau Swoboda. Damals hießen sie Schnei¬
der, Lützenkirchen und Klara Heese. Wir brauchen die
Namen nur zu nennen um Glauben zu finden dafür, daß
die Darstellung von heute das Stück gewiß nicht eher retten
konnte als die von damals. Der Regisseur des Abends war
der neue Dramaturg Dr. Wollf. Für dieses Stück hatte er
ein sehr unglaubhaftes Milieu gewählt. Angeblich befand
man sich im Zimmer der verstorbenen Frau, in Wirklichkeit
war es ein großer Saal mit drei Türen, der in seiner Nüch¬
ternheit von vornherein keine Stimmung aufkommen ließ.
Mehr Glück hatte das zweite Stück: „Die offenen
Türen“ eine zweiaktige Komödie von Robert Faesi, mit
dem ein hier ganz neuer Name auftritt. Dr. Faesi ist Schwei¬
zer und wie man hört Privatdozent in Zürich; mir ist nicht be¬
kannt, daß er vorher schon etwas geschrieben hätte. Das
Sujet seines Stückes ist garnicht so übel und liegt nicht ge¬
rade an der Straße. Das ganze Stück spielt im Rauch= und
Lesezimmer „des elegantesten Hotels einer größeren Stadt“.
Das ist bekanntlich der für jeden Autor bequemste Schau¬
platz: so eine Hotelhalle hat mindestens drei Eingänge, durch
welche die Personen des Stückes zwanglos auf= und ab¬
treten können, so oft der verehrliche Verfasser es für gut
findet. Auf diesem neutralen Boden findet sich nun eine Ge¬
sellschaft von Groß=Kaufleuten und Spekulanten ein. Der
unternehmendste von ihnen heißt Merck. Er hat und sucht
die vorteilhaftesten Verbindungen und Geschäfte und ist im
Begriffe sich so teuer als möglich zu verkaufen, sei es an
einen der beiden Hauptunternehmer oder an die Tochter
eines dritten. Er kann sich aber nicht entschließen, weil er
eben die beste Chance von den dreien erst erproben muß;
das sind die offenen Türen. Man ahnt schon, daß dieser
skrupellose Kaufmann sich zuletzt doch verrechnet. In der
Tat schließen die beiden Unternehmer hinter seinem Rücken
einen Pakt gegen ihn und lassen ihn fallen, und die Tochter
des dritten reicht, abgestoßen von so viel Egoismus, ihr
Händchen einem Jugendfreund, der wegen seines unpnak¬
tischen Idealismus von Merck die ganze Zeit über ausge¬
lacht und geschulmeistert worden. Das wäre nun alles so
weit ganz nett, wenn der Verfasser damit ordentlich vom
Fleck käme, aber die Exposition des ersten Aktes ist von einer
solchen Schwerfälligkeit und Langatmigkeit, daß man bei¬
nahe die Hoffnung aufgibt an dem Abend noch etwas zu
erleben. Der frischere zweite Akt macht dies nun wenig¬
stens zum Teil wieder gut. Die kleine Komödie wurde in
den Hauptrollen von Herrn Graumann (Merck), und den
Herren Waldau, Schwanneke, Stettner und Höfer, sowie