efaehrti
9.2. Diema
box 14/7
chone, laue Welle über einen hin. Die grauen Wahrheiten
des Alltags bedrängen das Herz, so zart, so'fein, mit so er¬
schütterndem Skeptizismus vorgetragen, daß aus Schluchzen
Lächeln wird. Eine abgeklärte Kultur spricht. Einmal sehr
laut... geschändetes Menschentum schreit; aber der Schrei
verklingt, und übrig bleibt das Achselzucken. Das Ganze die
Geschichte einer Ehe, mit wenigen Strichen hell und klar um¬
rissen, und doch von leisen, herbstlichen Nebeln überschleiert.
Eine Frau stirbt. Sie hat den Mann betrogen. Er weiß
es. Met einem Freunde. Er meint, daß der mehr leiden
müßte als er selbst leidet... er meint's. Aber dieses Spiel
dürfte nicht von Schnitzler sein, wenn er sich darin nicht
täuschte. Eine Freundin des Hauses will ihn vor dieser
grausamen Enttäuschung bewahren, sie erbittet die Briefe
der Toten, die das Geheimnis bergen. Aber der Freund
selbst, aus weiter Ferne herbeigeeilt, stottert es in erster Ver¬
legenheit heraus. So wie die Tote ihren Mann betrogen,
hat er sie betrogen. Sie war ihm nur Dirne, eine andere hat
er geliebt. Da jagt der Mann ihn zum Hause heraus. Ehe
der Vorhang langsam fällt, schaut uns ein leeres Zimmer,
in dem der Duft von Tuberosen schwingt, in dem das Mond¬
licht Schleier webt, aus großen Rätselaugen an.
Albert Bassermann der betrogene Mann der Toten.
Sehr groß, sehr schlank, sehr schwarz im dunklen Gehrock. Der
Kopf schon ganz ergraut. Ein Skeptiker, der um alles zu
wissen glaubt und doch genarrt wird. Der Mund, herb ver¬
zogen, formt schwer die Worte, die wie zerbrochen hervor¬
klingen. Sie sind Echo eines wunden Herzens. Groß ist
er, als er den Lumpen, der ihm den letzten Glauben ge¬
nommen, in den nebligen Herbstabend herausjagt; größer,
als er Abschied von dem leeren Zimmer nimmt ... so, als
ob er sagen wollte: Was geht mich dieses alles nun noch an?
Diese eine Handbewegung deutet Welten der Seele. — Blaß
neben ihm die übrigen: Grunwald als Freund, Emil a
Unda als Freundin des Hauses. Sie hat sich aus „Madame
Legros“ den Königinnenton gewahrt, und ist doch nur
ein Lärvchen. Ihr schüchternes Liebeswerben um den ein¬
samen Mann ist kalte Geste, die nichts besagt.
Hartleben schließt sich an. Mit der „Sittlichen
Forderung". Krampfge Lustigkeit setzt ein, man fühlt
sich in Humore verstrickt, die nicht aus dem Herzen dringen,
sondern sich klügelnder Vernunst entquälen. Der Einschuß
Burschikosität rettet auch nicht viel. Dazu macht die ganze
Geschichte einen reichlich veralteten Eindruck. Etwas längst
Gestorbenes hat sich neue Jugend angeschminkt und wirkt
gespensterhaft. Und wieder also Bassermann: diesmal der
Dümmling aus der kleinen Stadt, der blondschopfige
Philister in Bratenrock und Zwirnhandschuhen, der sittliche
Forderungen aufstellt und doch auf den ersten Anhieb den
weiblichen Reizen erliegt, die er aus Seide und Spitzen
eleganten Komödiantentums herausreißen und in den Flanell
bürgerlicher Wohlanständigkeit hüllen will... sehr komisch,
sehr grotesk und sehr natürlich. Die verlorene Seele, dieser
retten will und der er doch rettungslos erliegt, ist Else
Bassermann, des Künstlers Frau.: Solche Rollen liegen
ihr. Sie ist verführerisch und spart nicht. Sie lebt und läßt
leben, auch die Zuschquer. Sie ist das blonde Widerspiel
der Orska, ohne deren Feuer und Talent.
So gleitet der Abend sacht ins Possenhafte und endet
nun in grober Karikatur. „Eine Partie Piquet",
der uralte Schwank von Fournier und Meyer, an
dem schon die Großeltern ihre recht bescheidene Freude hatten,
macht den Beschluß. Man spielt ihn in der unbeholfenen
Aufmachung der fünfziger Jahre. Vorhang und Kulissen
sind bewußter Kitsch, die Darstellung auch. Aber es hilft
nicht viel, wir langweilen uns doch. Auch unsere Freude ist
recht bescheiden. Wem zuliebe man das fade Zeug aus¬
gegraben hat? Bassermann zulicbe natürlich. Ihn lockte
die Bombenrolle des alten Chevalier von Rocheferrier. Und
er spielt sie glänzend, spielt sie virtuos. Solche abgewirt¬
schafteten Elegants, die weder Geist noch Körper mehr recht
in ihrer Gewalt haben, reizen ihn von jeher. Er wind dann
ganz Maske, so sehr, daß sein großes Künstlertum dabei¬
fast unsichtbar wird und der unvergeßliche Egmont zum
Possenreißer wird. Wem das Spaß macht, soll sich daran
erfreuen. Ich für mein Teil danke. Mir ist er unvertrottelt
lieber. Im ubrigen beteiligen sich an dieser Partie Piquet
noch Bruno Ziener, der als der soviale, reichgewordene
Seidenhändler sehr munter und fidel Leben auf die Bühne
bringt, ein Herr Schroeder, der als Sohn des alten
Chevalier das Gegentell davon tut, und die blonde Char¬
lotte Schultz, die im Stil verklungener Zeiten, himmel¬
blau gewandet, das „liebreizende Bräutchen“ ist und so
immerhin sehr nett zu lachen und zu weinen weiß.
Regie führt in allen drei Sachen Emil Lind. Er sorgt
bei Schnitzler und Hartleben für hübsche Bühnenbilder, bei
jenem in ernster, bei diesem in heiterer Stimmung, und die
„Partie Piquet“ umstellt er mit bemalten Pappen von anno
dazumal, deren Dasein man kaum mehr für möglich gehalten
hätte. Auch das straffe Spiel ist wohl auf sein Konto zu
Ludwig Sternaux.
buchen.
9.2. Diema
box 14/7
chone, laue Welle über einen hin. Die grauen Wahrheiten
des Alltags bedrängen das Herz, so zart, so'fein, mit so er¬
schütterndem Skeptizismus vorgetragen, daß aus Schluchzen
Lächeln wird. Eine abgeklärte Kultur spricht. Einmal sehr
laut... geschändetes Menschentum schreit; aber der Schrei
verklingt, und übrig bleibt das Achselzucken. Das Ganze die
Geschichte einer Ehe, mit wenigen Strichen hell und klar um¬
rissen, und doch von leisen, herbstlichen Nebeln überschleiert.
Eine Frau stirbt. Sie hat den Mann betrogen. Er weiß
es. Met einem Freunde. Er meint, daß der mehr leiden
müßte als er selbst leidet... er meint's. Aber dieses Spiel
dürfte nicht von Schnitzler sein, wenn er sich darin nicht
täuschte. Eine Freundin des Hauses will ihn vor dieser
grausamen Enttäuschung bewahren, sie erbittet die Briefe
der Toten, die das Geheimnis bergen. Aber der Freund
selbst, aus weiter Ferne herbeigeeilt, stottert es in erster Ver¬
legenheit heraus. So wie die Tote ihren Mann betrogen,
hat er sie betrogen. Sie war ihm nur Dirne, eine andere hat
er geliebt. Da jagt der Mann ihn zum Hause heraus. Ehe
der Vorhang langsam fällt, schaut uns ein leeres Zimmer,
in dem der Duft von Tuberosen schwingt, in dem das Mond¬
licht Schleier webt, aus großen Rätselaugen an.
Albert Bassermann der betrogene Mann der Toten.
Sehr groß, sehr schlank, sehr schwarz im dunklen Gehrock. Der
Kopf schon ganz ergraut. Ein Skeptiker, der um alles zu
wissen glaubt und doch genarrt wird. Der Mund, herb ver¬
zogen, formt schwer die Worte, die wie zerbrochen hervor¬
klingen. Sie sind Echo eines wunden Herzens. Groß ist
er, als er den Lumpen, der ihm den letzten Glauben ge¬
nommen, in den nebligen Herbstabend herausjagt; größer,
als er Abschied von dem leeren Zimmer nimmt ... so, als
ob er sagen wollte: Was geht mich dieses alles nun noch an?
Diese eine Handbewegung deutet Welten der Seele. — Blaß
neben ihm die übrigen: Grunwald als Freund, Emil a
Unda als Freundin des Hauses. Sie hat sich aus „Madame
Legros“ den Königinnenton gewahrt, und ist doch nur
ein Lärvchen. Ihr schüchternes Liebeswerben um den ein¬
samen Mann ist kalte Geste, die nichts besagt.
Hartleben schließt sich an. Mit der „Sittlichen
Forderung". Krampfge Lustigkeit setzt ein, man fühlt
sich in Humore verstrickt, die nicht aus dem Herzen dringen,
sondern sich klügelnder Vernunst entquälen. Der Einschuß
Burschikosität rettet auch nicht viel. Dazu macht die ganze
Geschichte einen reichlich veralteten Eindruck. Etwas längst
Gestorbenes hat sich neue Jugend angeschminkt und wirkt
gespensterhaft. Und wieder also Bassermann: diesmal der
Dümmling aus der kleinen Stadt, der blondschopfige
Philister in Bratenrock und Zwirnhandschuhen, der sittliche
Forderungen aufstellt und doch auf den ersten Anhieb den
weiblichen Reizen erliegt, die er aus Seide und Spitzen
eleganten Komödiantentums herausreißen und in den Flanell
bürgerlicher Wohlanständigkeit hüllen will... sehr komisch,
sehr grotesk und sehr natürlich. Die verlorene Seele, dieser
retten will und der er doch rettungslos erliegt, ist Else
Bassermann, des Künstlers Frau.: Solche Rollen liegen
ihr. Sie ist verführerisch und spart nicht. Sie lebt und läßt
leben, auch die Zuschquer. Sie ist das blonde Widerspiel
der Orska, ohne deren Feuer und Talent.
So gleitet der Abend sacht ins Possenhafte und endet
nun in grober Karikatur. „Eine Partie Piquet",
der uralte Schwank von Fournier und Meyer, an
dem schon die Großeltern ihre recht bescheidene Freude hatten,
macht den Beschluß. Man spielt ihn in der unbeholfenen
Aufmachung der fünfziger Jahre. Vorhang und Kulissen
sind bewußter Kitsch, die Darstellung auch. Aber es hilft
nicht viel, wir langweilen uns doch. Auch unsere Freude ist
recht bescheiden. Wem zuliebe man das fade Zeug aus¬
gegraben hat? Bassermann zulicbe natürlich. Ihn lockte
die Bombenrolle des alten Chevalier von Rocheferrier. Und
er spielt sie glänzend, spielt sie virtuos. Solche abgewirt¬
schafteten Elegants, die weder Geist noch Körper mehr recht
in ihrer Gewalt haben, reizen ihn von jeher. Er wind dann
ganz Maske, so sehr, daß sein großes Künstlertum dabei¬
fast unsichtbar wird und der unvergeßliche Egmont zum
Possenreißer wird. Wem das Spaß macht, soll sich daran
erfreuen. Ich für mein Teil danke. Mir ist er unvertrottelt
lieber. Im ubrigen beteiligen sich an dieser Partie Piquet
noch Bruno Ziener, der als der soviale, reichgewordene
Seidenhändler sehr munter und fidel Leben auf die Bühne
bringt, ein Herr Schroeder, der als Sohn des alten
Chevalier das Gegentell davon tut, und die blonde Char¬
lotte Schultz, die im Stil verklungener Zeiten, himmel¬
blau gewandet, das „liebreizende Bräutchen“ ist und so
immerhin sehr nett zu lachen und zu weinen weiß.
Regie führt in allen drei Sachen Emil Lind. Er sorgt
bei Schnitzler und Hartleben für hübsche Bühnenbilder, bei
jenem in ernster, bei diesem in heiterer Stimmung, und die
„Partie Piquet“ umstellt er mit bemalten Pappen von anno
dazumal, deren Dasein man kaum mehr für möglich gehalten
hätte. Auch das straffe Spiel ist wohl auf sein Konto zu
Ludwig Sternaux.
buchen.