box 14/7
rtin
D
9. 2 —16 Geunen nten
4-MA10D
Erbeiter-Eeituing, Wder
Volksbühne. Auf eine wenig erfreuliche Art eröffnete
gestern Albert Bassermann sein Gastspiel. Er zeigte sich
in drei Rollen, aber in keiner gab er, was zu geben war.
Zuerst spielte er in Schuitzlers Einakter „Die Gefährtin“
den Professor, der die Frau, mit der er zehn Jahre gelebt hat,
erst an dem Tage kennen lernt, an dem er sie begraben hat;
spielte ihn ganz kalt, ohne alle Innerlichkeit. Famos wäre er
als Friedrich Stierwald in Hartlebens Komödie „Die
sittliche Forderung“ gewesen, wenn er nicht seine Leistung durch
Possenscherze verunstaltet hätte. In diesem Stück war Else
Bassermann seine Partnerin. Zuletzt wurde „Eine Partie
Piquet“ gegeben, ein Lustspielchen, das in alten Zeiten im
Burgtheater oft aufgeführt worden ist. Bassermann war in der
Rolle des streitlustigen alten Chevalier fast nur Hanswurst.
Einem Teil der Zuschauer gefiel aber gerade das am besten.
1
4-MAL 1013
Illusiriertes Wiener Extrablatt, Wier
Volksbühne. Albert Bassermann hat
ein Gastspiel mit einem bunten Einakter=Abend
ingemein glücklich eröffnet. Das Publikum jauchzte
hm zu, als ob es noch immer Moissi gewesen wäre !
Die drei Stückchen, in denen er gestern auftrat, sind
wohl schon in Wien wiederholt gegeben worden,
virkten aber mit ihm und durch ihn als
sie
völlig neu und unverbraucht. Zuerst: „
hrtin“ von Artur SchenAasser¬
Ge
Schnitzlers empfindungsvöller anmut
mann
unbedingt congenial. An Josef Schildkraut
shatte der berühmte Gast einen geschmackvollen
Partner. Herr Wol,gang und Frau Christine
Fournter sekundierten gar nicht übel. — In der
„Sittlichen Forderung" von Otto Erich
Hartleben trifft Bassermann prachtvoll den Ton
burschikosen jovialen Humors, der überlegenen Phikster¬
satire. Sein Friedrich Stierwald, Inhaber der Firma
in Rudolstadt, der den
C W. Stierwald Söhne
holden Spuren internationaler Konzertängerinnen
verliebten Sinnes folgt, ist ungemein drollig. Else
ssermann bringt ihrem Gatten mehr als bloße
Stichworte; sie hat viel hinzugelernt, seitdem wir sie nicht
gesehen haben. — Im dritten und letzten Stückchen,
der allbewährten „Partie Piquet“ bietet Basser¬
mann als angejahrter, steifbeiniger Marquis von
Rocheferrier, dem der Adelshochmut in alle Glieder
gefahren ist, eine gar feine Charakierstudie, die von
den köstlichsten humoristischen Lichtern erhellt ist.
Vor langen Jahren reiste Friedrich Haase mit seinem
Marquis des ancien régime. Ihm zu Ehren spielt wohl
Bassermann die Rolle. Ist er doch heute der Besitzer
des Iffland=Ringes, den er aus Haases Hand
empfing. Getrost mag es gesagt sein, daß hier Basser¬
mann auch der Erbe der Haaseschen Fein= und Klein¬
kunst, des Haaseschen miniaturistischen Stils ist. Josef
Schildkraut und das zierliche Fräulein
9
er als
1, sowie Direktor Z i
gemütlicher alter Kaufmann bestrebten sich, in ihren
weit bescheideneren Aufgaben des Gastes und seiner
virtuosen Meisterleistung würdig zu sein, was ihnen
denn auch gelang. Unnötig zu sagen, daß für
Bassermann Beifall in Fülle gab nach jedem der
exquisiten drei Gänge, den lautesten und pürmischesten
nach dem dritten.
AHAl, 131
#ugemeine Zeitung
Wien.
Theater, Kunst und Literatur.
Wien, 4. Mai.
(Volksbühne). Gastspiel Bassermann. Den
Beginn machte Artur Schnitzlers „Die Gefährtin“.
Die schwabblige Melanchölie dieses Aktes ist kaum mehr
erträglich und der Reiz seines erotischen Frage= und
Antwort=Spiels schon ein sehr weicher. Bassermann gab
den falsch verstehenden (aber immerhin verstehenden)
Professor mit großer Delikatesse. Seine Naturlaute sind
serlesene Kunstprodukte. Wie der Bauchredner glauben zu
machen weiß, daß seine Stimme aus dem Bauch,
Artist Bassermann, daß sie aus dem Herzen komme. Er ist
ein Herzredner, ein Cordiloquist, ersten Ranges.
In Hartlebens vermoderter „Sittlicher
[Forderung“ war er komisch. Aber das können andere
Komiker auch und besser. Ihm kommt zugute, daß man
seine Komik nicht absolut wertet, sondern relativ. Nicht
nach ihrem Abstand von der Normalebene, sondern von
jener tiefer gelegenen, dunkler gefärbten Sphäte
darstellerischer Kunst, in der wir ihn beheimatet wissen.
Er ist für unser Empfinden mit ernster Schauspielerei so
schwer bepackt, daß wir's ihm doppelt hoch anrechnen,
wenn er leichtbeschwingt daherkommt. Und an seiner
Possenlaune beklatschen wir nicht nur die Laune, sondern
auch die Leutseligkeit, die sich zu ihr herabläßt. Frau
E. Bassermann brachte ihrem Gemahl in Treuen die
Stichworte.
Das Beste: „Eine Partie Piquet“, der im
ehemaligen Burgtheater vielgespielte französische Schwank,
dessen altväterisch=weltfernen Humor man wie eine Lieh¬
kosung abgeschiedener Fröhlichkeits=Geister empfindet. Da
war Bassermann — von Fräulein Jacobsen umzirpt,
von Herrn Zieglers sastiger Possen=Manier und
Herrn Schildkrauts anmutiger Frische unterstützt
höchst erquicklich. Zahllose fein und listig hingesetzte
Strichelchen und Farbtüpfelchen weckten das grotesk¬
scharfe Profil der Figur aus Starrheit zu heiterstem
Leben. Es war sehr amüsant und bezaubernd langwierig
rtin
D
9. 2 —16 Geunen nten
4-MA10D
Erbeiter-Eeituing, Wder
Volksbühne. Auf eine wenig erfreuliche Art eröffnete
gestern Albert Bassermann sein Gastspiel. Er zeigte sich
in drei Rollen, aber in keiner gab er, was zu geben war.
Zuerst spielte er in Schuitzlers Einakter „Die Gefährtin“
den Professor, der die Frau, mit der er zehn Jahre gelebt hat,
erst an dem Tage kennen lernt, an dem er sie begraben hat;
spielte ihn ganz kalt, ohne alle Innerlichkeit. Famos wäre er
als Friedrich Stierwald in Hartlebens Komödie „Die
sittliche Forderung“ gewesen, wenn er nicht seine Leistung durch
Possenscherze verunstaltet hätte. In diesem Stück war Else
Bassermann seine Partnerin. Zuletzt wurde „Eine Partie
Piquet“ gegeben, ein Lustspielchen, das in alten Zeiten im
Burgtheater oft aufgeführt worden ist. Bassermann war in der
Rolle des streitlustigen alten Chevalier fast nur Hanswurst.
Einem Teil der Zuschauer gefiel aber gerade das am besten.
1
4-MAL 1013
Illusiriertes Wiener Extrablatt, Wier
Volksbühne. Albert Bassermann hat
ein Gastspiel mit einem bunten Einakter=Abend
ingemein glücklich eröffnet. Das Publikum jauchzte
hm zu, als ob es noch immer Moissi gewesen wäre !
Die drei Stückchen, in denen er gestern auftrat, sind
wohl schon in Wien wiederholt gegeben worden,
virkten aber mit ihm und durch ihn als
sie
völlig neu und unverbraucht. Zuerst: „
hrtin“ von Artur SchenAasser¬
Ge
Schnitzlers empfindungsvöller anmut
mann
unbedingt congenial. An Josef Schildkraut
shatte der berühmte Gast einen geschmackvollen
Partner. Herr Wol,gang und Frau Christine
Fournter sekundierten gar nicht übel. — In der
„Sittlichen Forderung" von Otto Erich
Hartleben trifft Bassermann prachtvoll den Ton
burschikosen jovialen Humors, der überlegenen Phikster¬
satire. Sein Friedrich Stierwald, Inhaber der Firma
in Rudolstadt, der den
C W. Stierwald Söhne
holden Spuren internationaler Konzertängerinnen
verliebten Sinnes folgt, ist ungemein drollig. Else
ssermann bringt ihrem Gatten mehr als bloße
Stichworte; sie hat viel hinzugelernt, seitdem wir sie nicht
gesehen haben. — Im dritten und letzten Stückchen,
der allbewährten „Partie Piquet“ bietet Basser¬
mann als angejahrter, steifbeiniger Marquis von
Rocheferrier, dem der Adelshochmut in alle Glieder
gefahren ist, eine gar feine Charakierstudie, die von
den köstlichsten humoristischen Lichtern erhellt ist.
Vor langen Jahren reiste Friedrich Haase mit seinem
Marquis des ancien régime. Ihm zu Ehren spielt wohl
Bassermann die Rolle. Ist er doch heute der Besitzer
des Iffland=Ringes, den er aus Haases Hand
empfing. Getrost mag es gesagt sein, daß hier Basser¬
mann auch der Erbe der Haaseschen Fein= und Klein¬
kunst, des Haaseschen miniaturistischen Stils ist. Josef
Schildkraut und das zierliche Fräulein
9
er als
1, sowie Direktor Z i
gemütlicher alter Kaufmann bestrebten sich, in ihren
weit bescheideneren Aufgaben des Gastes und seiner
virtuosen Meisterleistung würdig zu sein, was ihnen
denn auch gelang. Unnötig zu sagen, daß für
Bassermann Beifall in Fülle gab nach jedem der
exquisiten drei Gänge, den lautesten und pürmischesten
nach dem dritten.
AHAl, 131
#ugemeine Zeitung
Wien.
Theater, Kunst und Literatur.
Wien, 4. Mai.
(Volksbühne). Gastspiel Bassermann. Den
Beginn machte Artur Schnitzlers „Die Gefährtin“.
Die schwabblige Melanchölie dieses Aktes ist kaum mehr
erträglich und der Reiz seines erotischen Frage= und
Antwort=Spiels schon ein sehr weicher. Bassermann gab
den falsch verstehenden (aber immerhin verstehenden)
Professor mit großer Delikatesse. Seine Naturlaute sind
serlesene Kunstprodukte. Wie der Bauchredner glauben zu
machen weiß, daß seine Stimme aus dem Bauch,
Artist Bassermann, daß sie aus dem Herzen komme. Er ist
ein Herzredner, ein Cordiloquist, ersten Ranges.
In Hartlebens vermoderter „Sittlicher
[Forderung“ war er komisch. Aber das können andere
Komiker auch und besser. Ihm kommt zugute, daß man
seine Komik nicht absolut wertet, sondern relativ. Nicht
nach ihrem Abstand von der Normalebene, sondern von
jener tiefer gelegenen, dunkler gefärbten Sphäte
darstellerischer Kunst, in der wir ihn beheimatet wissen.
Er ist für unser Empfinden mit ernster Schauspielerei so
schwer bepackt, daß wir's ihm doppelt hoch anrechnen,
wenn er leichtbeschwingt daherkommt. Und an seiner
Possenlaune beklatschen wir nicht nur die Laune, sondern
auch die Leutseligkeit, die sich zu ihr herabläßt. Frau
E. Bassermann brachte ihrem Gemahl in Treuen die
Stichworte.
Das Beste: „Eine Partie Piquet“, der im
ehemaligen Burgtheater vielgespielte französische Schwank,
dessen altväterisch=weltfernen Humor man wie eine Lieh¬
kosung abgeschiedener Fröhlichkeits=Geister empfindet. Da
war Bassermann — von Fräulein Jacobsen umzirpt,
von Herrn Zieglers sastiger Possen=Manier und
Herrn Schildkrauts anmutiger Frische unterstützt
höchst erquicklich. Zahllose fein und listig hingesetzte
Strichelchen und Farbtüpfelchen weckten das grotesk¬
scharfe Profil der Figur aus Starrheit zu heiterstem
Leben. Es war sehr amüsant und bezaubernd langwierig