II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 12

racelsus
9. 1 P.ie
box 14/6
gischen Systems war allerdings nicht sehr slach
g. Wie kann man — fragte er — Krankheiten, die in
Deutschland auftreten, mit Arzeneimitteln heilen, die Gott am
Nil wachsen läßt? Noch bedenklicher aber, als die nationale
Apotheke an sich, war die Methode, nach welcher der
„hochgelart und tiefsinnig naturkundige beider Artzeneien
Doctor“, seine Heilmittel
wählte.
Seiner Ansicht
nach hatte Gott den
ganzen Kosmos nur
für
die Zwecke des Menschen geschaffen, und daher auch die
Pflanzen mit gewissen Zeichen versehen, nach denen man ihre
eigenthümliche Heilkraft errathen kann. So hat die Wallnuß
die Signatur des Hauptes, denn ihre Schale gleicht der Hirn¬
schale, ihr behäuteter Kern der Hirnhaut und dem Hirn. Folgs
lich muß sie gegen topfkrankheiten wirksam sein. Bei den
Stengeln des Storchschnabels und bei dem Gnadenkraute
fand Paracelsus eine Aehnlichkeit mit dem Schienbein, daher
verwendete er das Pulver dieser Kräuter als Heilmittel bei
Beinbrüchen.
Wie stolz Paracelsus auf dieses naive Heilsystem war, be¬
zeugt sein Sinngedicht:
„Auf diese gegenwertige Zeit.“
Nach meinem Dot bej 20 Jarn
Werden beid alt und jungk erfarn
Was gewesen sei all meine Kunst,
Die jetzuntz leidet aus ungunst.
Die Warheit geben wirts an tag
Was sie in ihr allzeit vermag.
Zerreißen wird falsch artzenei
Darzu all andre stümplerei
Dieweil man mein wahrhafte schrifften
Befindt von Erd und Himmels Krefften.“
Wenn Paracelsus die Meningitis mit Wallnüssen zu heilen
vermochte und andere Wunderkuren dieser Art vollbrachte, so
ist es klar, daß seine Erfolge nicht auf die physiologische Wir¬
kung seiner Heilmittel, sondern auf die Suggestion zurückzu¬
führen waren, die seine Persönlichkeit und sein Ruf ausübten. B
Diesen Wink verdankt der Dichter Schnitzler dem Arzt Schnitzler##

und er benutzte ihn, um uns Theophrast, der sich in Wir
keit dem Trunke ergeben und als fahrender Arzt ein was
beneidenswerthes Dasein führte, in magischem Lichte
zeigen.
„Odi et arceo vulgus profanum“. Den Spruch ha#
auch Eberhard König in seinem „Gevatter Tod“ dem Arzt#
Balthasar in den Mund gelegt, einer der wenigen gelungenen
Figuren seiner nebelhaften Dichtung. In seinem Aerger über
die Wunderkuren, die der Holzhauersohn Hans vollzieht, will¬
der Doktor beweisen, daß eine von ihm aufgegebene und vor
Hans gerettete Frau nach den Regeln der Kunst nicht mehr
leben darf:
„S'ist wissenschaftlich falsch, daß sie am Leben blieb,
Genau genommen, ist sie todt“.
Das ist das Fünkchen bewußten Humors in dem Stücks
Wenn man trotzdem öfters gelächelt, ja sogar laut
aufgelecht hat,
so ist das auf die reiche Dosis unbe¬
wußter Komik zurückzuführen, die im „Gevatter Tod“#
steckt. Der zweite Akt insbesondere gehört zu dems
Köstlichsten, was man an Primaner=Dichtung auf der Bühne
sehen kann. Prinzessin Elsa liegt im Sterben. Man erwartet
den neuen Wunderdoktor. Bevor er kommt, besingt ein Spiel¬
mann in Strophen, die sich fortschleppen wie die biblischen
Stammbäume, die Thaten des wunderbaren Mannes. Ein¬
Schneider sei
en Vortrag noch eine halbe Stunde for
Endlich, als
Ungeduld der Zuschauer aufs Höchste #
stiegen ist, er
it
der Menschheitserlöser in weißem Gewandi
einen Kranz
Rosen im goldenen Haar. Nun, meint mar
wird er i
önigsschloß eilen und die Prinzessin retten
Weit gese
Die neue Bühnentechnik, die mit dem red
seligen M
rama aufgekommen, hat es nicht so eilig
Hans lä
zunächst mit einer Deputation von Raths
herren
langes Gespräch über Tod und Leben, über
Menscher
id Erdenschicksal ein. Und drinnen im Königs¬
schloß sti¬
Prinzessin ruhig weiter. Dann wird Hans
vom älte
lathsherrn auf den unanständigen Gedanken ges
bracht, d
ungen Mädchen, die ihm mit Blumen entgegen¬
gekommer Eine nach der Anderen abzuküssen. Auch das geht
nicht ohn bedeutende Reden von Statten. Und drinnen stirbt
noch immer die Prinzessin=Elsa. Endlich wird es dem alten
König zu viel, er kommt in Krone und Purpur aus dem
Schloß heraus und wendet sich mit einer energischen Be¬
wegung an den gesprächigen Doktor: Aber ich bitte Sie, um
Himmelswillen —
Und doch, man sollte, wie hier schon von anderer Seite
hervorgehoben, diesen Dichter nicht entmuthigen, denn er
meint es gut. Er will ernstlich Großes schaffen, und wenn
man ihn mit der Plejade der Stückeschmiede vergleicht,
welche die moderne Bühne gepachtet haben, so empfindet man