II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 13

Paracelsus
9.1
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malnt in Strchigent, 1
Stammbäume, die Thaten des wunderbaren Mannes. Ein
Schneider setzt den Vortrag noch eine halbe Stunde for¬
Endlich, als die Ungeduld der Zuschauer aufs Höchste g
stiegen ist, erscheint der Menschheitserlöser in weißem Gewand
seinen Kranz von Rosen im goldenen Haar. Nun, meint mar
wird er ins Königsschloß eilen und die Prinzessin retten
Weit gefehlt! Die neue Bühnentechnik, die mit dem red
seligen Märchendrama aufgekommen, hat es nicht so eilig
Hans läßt sich zunächst mit einer Deputation von Raths
herren in ein langes Gespräch über Tod und Leben, über
Menschenloos und Erdenschicksal ein. Und drinnen im Königs¬
schloß stirbt die Prinzessin ruhig weiter. Dann wird Hans
vom ältesten Rathsherrn auf den unanständigen Gedanken ge¬
bracht, die jungen Mädchen, die ihm mit Blumen entgegen¬
gekommen, Eine nach der Anderen abzulüssen. Auch das geht
nicht ohne bedeutende Reden von Statten. Und drinnen stirbt
noch immer die Prinzessin=Elsa. Endlich wird es dem alten
König zu viel, er kommt in Krone und Purpur aus dem
Schloß heraus und wendet sich mit einer energischen Be¬
wegung an den gesprächigen Doktor: Aber ich bitte Sie, um
Himmelswillen-
Und doch, man sollte, wie hier schon von anderer Seite
hervorgehoben, diesen Dichter nicht entmuthigen, denn er
meint es gut. Er will ernstlich Großes schaffen, und weim
man ihn mit der Plejade der Stückeschmiede vergleicht,
welche die moderne Bühne gepachtet haben, so empfindet man
eine Schwäche für ihn. Die Presse sprach von König als von
einem ganz unbekannten Dichter. Aber die Leser dieses Blattes
werden sich an ihn erinnern. Jüngst erst habe ich an dieser
Stelle eine Dichtung von ihm angeführt: es war der Text
zum „Heldenleben“ von Richard Strauß. Ich hätte auf
Grund dieses Prologes König Besseres, vor Allem
Klareres zugetraut. Und
wird es
vielleicht
sich erst mit
schaffen, wenn er
den Bedingungen
der Buhnendichtung näher vertraut gemacht. Vorläufig
unterliegt er wahllos den Anregungen, die ihm von der
Philosophie, vom Drama, von der Musik und von der Malerei
her kommen; er weiß sie nicht für die Zwecke des Dramas
passend zu ordnen. Denn daß auch „Gevatter Tod“ in
der Phantasie des Dichters durch einen mittelalterlichen
Stich gezeugt wurde, ist ersichtlich. Und der Kupferstich,
wie wir ihn in dem schönen Buche von Peters auf jeder
zweiten Seite wiederkommen sehen, „Der Tod und der Jünge
ling", „Der Tod als Rächer", „Der Tod als Erlöser, er#
überwiegt bei König oft über das Drama.
Ich muß gestehen, daß dieser malerisah Zug für mich bei¬
der Bühnenaufführung die erquickendste Seite der Königschen
Dichtung war, und ich weiß der Regie des Schauspielhauses
besonderen Dank dafür, daß sie uns im Krankenzimmer der
Prinzessin Elsa und dann im nordischen Königsschloß
prächtige Bilder geboten. Das Ohr litt, aber das Auge
schwelgte.
Und dasselbe könnte man von einer anderen Novität sagen,
die wir jüngst im Opernhause zu hören oder vielmehr zu sehen
bekamen, von dem vieraktigen Ballet „Die rothen Schuhe“.
Auf die Gefahr hin, frivol zu erscheinen, bekenne ich, daß ich
im Allgemeinen ein modernes Ballet einer modernen Oper##
vorziehe. Warum? Sehr einsach: das Libretto und die
Musik pflegt in beiden schlecht zu sein, das Ballet aber bringt
wenigstens etwas, was schön ist: den Tanz. Ja, die russische¬
Tanzlegende von Regel und die Musik von Maeder
sind nichts als der nichtige Vorwand, welchen der Ballet¬
meister der Wiener Hofoper benutzt, um seine Viriuosität im
Bilderstellen und Tanzarrangement zu bethätigen. Und die
Berliner Aufführung ließ Haßreiters Virtuosität im vollsten
Maße zur Geltung kommen. Die gefährliche Konkurrenz der
Berliner Zirkusballete ist nicht nur durch die Tanzkunst einer
dell'Era, sondern auch durch die vornehme Schönheit
der Massenbewegungen und den Glanz der dekorg¬
tiven Wirkungen siegreich aus dem Felde geschlagen.
Ein so reizendes Bildchen wie den Troikatanz im ersten Akt,
ein so
hlendendes Tanzgemälde wie die Rokoko=Gavotte im
zweiten,
so großartige Farbeneffekte wie heim Sternen=Reigen
im Schlußakte hat man lange nicht gesehen.
Freilich sind diese Genüsse durch schwere Opfer des
Intellektes erkauft, und zum Schluß seufzt der mißhandelte
Verstand: Ach, wenn nur etwas mehr Sinn in all Dem
wäre! Aber man begehre nicht zu viel. Wie lautet doch der
schönste Vers in Königs „Gevatter Tod“?
„Denn wer begehrt, wird der Begierde Narr.“