II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 26

Paracelsus
box 14/6
9. 1. L
ssoe seneseansaden #

W
enöeives bnuvsentä TFITUNGI-AUSSENNITY-AUaO
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Verioz
Die große nationale Tageszeitung
Ausschnitt aus der Nummer vom
„3. MAI B24
BA MAl22
„Moissi=Gastspiel im
Deutschen Theater.
Gestern Albert Bassermann in den „Kammer¬
spielen“ heute dicht nebenan im „Deutschen Thea¬
ter“ Alexander Moissi. Heute nur noch Zug= und
Wandervögel; Gäste, die ein= und ausgehen — die
ein Heim perloren haben —, und die sich etwas
fremd umsehin an den Stätten, die festes Wohn¬
haus, fasts Gstertshaus einstmals für sie waren,
eine Famklienzurg mit allen Zaubern der Erinne¬
rung. Am Donnerstag und Freitag trat der schroffe
Wechsel der Zeiten, der Umsturz auch in unseren
Künsten, besonders scharf und deutlich ins Be¬
wußtsein. Gerade dort in der Schumannstraße.
Die Geister d'Arronges, Brahms, Reinhardt tau¬
chen auf. Sie sind zu Gespenstern geworden. Sie
klagen über Trümmerhaufen. Völlig zerschlagen,
wie ganz hoffnungslos, liegt das Werk, das sie
aufgebaut hatten. Ihr Werk der großen Kenst
organisch=symbiotischer Gemeinschaft, innigsten,
lebendigsten Zusammenspiels, gegenseitiger Hilfen
und Förderungen. Einer für alle, alle für einen.
Niemand Herr und niemand Knecht. Auch die
Könige, wie Albert Bassermann, Alexander Moissi.
Doch immer Könige unter ihres gleichen. Selbst
wer nur einen Diener spielte, spielte eine Rolle.
Alle Träger eines großen Ganzen.
Vorbei, vorbei! Nur kein Zusammenspiel gibt
es mehr. Nur von einem Organismus lassen die
Aufführungen nichts mehr wissen und ahnen. Kein
Heim mehr haben unsere Schauspieler. Bald sieht
man sie hier, bald dort. Ein wüstes Durcheinander
zwischen den Kulissen. Alle Klüfte sind aufge¬
rissen zwischen dem Spiel eines Moissi, eines
Bassermann, und dem, was um sie herum vorgeht.
Sie nur spielen eine Rolle, sie spielen sie ganz
allein für sich. Hoch, hoch, einsam für sich allein
wandeln sie ihren Weg, wie alte chinesische Kaiser,
geschieden, getrennt vom Volk, von dem Gemeinen,
Apons sesauezeeadun

saSaarss esurschet #etrunos-aunsenumr-adae
BERLIN SO 16.RUNGESTRASSE 22-24
Bearbritet die deutsche und ausländische Presse auch auf Inserats.
Liafert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
Germania
Abendausgabe — Berlin C. 2
„ Ausschnitt aus der Pummer vom:#
„Aseia
48. MAl W2.
Deutsches Theater. Moissi produziert sich in Schnitzlers
einaktigem Vorspiel „Paracelsus“ und in Tolstois kurzer
Komödie „Er ist an allem schuld“. Mit Melodie und
Grazie gikt er den beiden unbedeutenden Stücken Klang und
Eleganz. Im ganzen war es aber recht und schlecht Sommer¬
spiel. Mbissi stand im Vordergrund, das Gros der anderen fiel
ab. Bes Schsitzlek ist er der Arzt Paracelsus, der vagabundie¬
end#ne Ort zu Ort zieht, den selbstgefälligen Cyprian aus
träger Sattiglent aufrüttelt, indem er seine Gattin ein Stündchen
lang die wirkliche Wahrheit sprechen läßt. Moissi war nicht ganz
schwebend, nicht genug der weltweise Philosoph, er war zu ver¬
schlagen, zu wissend, zu augenzwinkernd. — Bei Tolstoi gibt er
den betrunkenen Wanderburschen, der seinen Gastwirt bestiehlt.
um nachher in Tränen der Neue auszubrechen. Auch hier mit
viel Gefühl, mit warmem Mitleid. Aber etwas Virtuosentum
bricht=doch überall durch.
Sp.
das sich tief zu ihren Füßen umhertreibt. Am
Donnerstag, am Freitag wurden dem Zuschauer
nur weit, weit die Augen aufgerissen über die
Unterschiede, die da herrschen zwischen der Kunst
der einzelnen, wenigen großen Könner und dem,
was um sie herumnebelt. Wie einstmals der
Friedrich Haase, so standen jetzt auch Bassermann,
Moissi auf der Bühne, — große Virtuosen, und
ringsum Oede, Leere, Chaos.
Zwei Persönlichkeiten, so verschieden wie nur
möglich. Bassermann ganz und gar ein germani¬
scher Typ, und Moissi, slavischen Blutes und Tem¬
peramentes, von edelster Rasse, von weicher, weib¬
licher Träumerseele, zartesten passiven Hingabe,
inbrünstiger Seele und liebenden Empfindungen.
Eine Leo Tolstoi=Natur von Haus aus. Aber
beide große Sprach= und Redekünstler, Wort¬
gestalter, Wortbildner, wunderbare Rhythmiker,
und die Malerei, Plastik der Laute leuchtet in
sinnlichster Fülle und Anschaulichkeit auf. Moisss
Sprache ist eine Geigenkunst, „Blüte jede Sisße,
jedes Wort Musik“. Reif, fast überreif, breiteté sie
sich am Freitag aus. Die Zauber und Reize eines
Moissschen Lächelns, des Lächelns einer Kinder¬
seele, naiver Tiefen, voller Gnaden, Güten und
Milden, der Schalkhaftigkeiten und goldener Iro¬
nien, heiteren Spoltes lag über seinen beiden Ge¬
stalten am Freitag, über seinem Titelhelden in
Artur Schnitzlers Einakter „Paracel¬
sus“, wo allerdings ein großer Name auf einen
Dutzend= und Alltagsmenschen überflüssigerweise
übertragen wird . . . und über dem seelisch spitz¬
bübischen Wanderburschen in Leo Tolstois
„Er ist anallem schuld“. Aus der reicheren,
bunteren und menschlich tieferen Tolstoi¬
Gestalt konnte der Darsteller natürlich sehr
viel mehr herausholen als aus der
all¬
zu einförmig= eintönigen Schnitzler=Figur.
Und mit Tolstoischer Seelenkunst und =kunde ist
Moissi aufs innigste verflochten und verwoben,
verwachsen und verschwistert. Alle Samen Tolstoi¬
scher Menschenliebe, russisch=slawischer Heiterkeiten,
jungen Frohsinns lagen über dem Gebilde des
Paganten, des Spitzbuben und Trunkenboldes, mit
der Kinderseele, die vom Himmel stammt.
Einsam, allein stand Moissi auf der Bühne, aber
Johanna Terwin, die Lebens= und Kunst¬
genossin, Renée Stobrawa wußten auch neben
ähm sich zu behaupten, es waren Eigenstünstle¬
rinnen, lebendige Mitspielerinnen und fielen noch
auf mit dem ersten Wort, das sie sprachen.
Julius Hart.