II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 62

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Gefaehrtin
9.2. Die n
lichen, es ist sein eigner Assistent und er hat sich mit der
Philosophie seines Alters über die Rolle des Betrogenen
einweggetäuscht. Nur ein gequältes Lächeln entringt ihm
die Bemühung einer freundlichen Nachbarin Olga Merholm,
ihn vor der Lektüre dieser Briefe zu bewahren, wird ihm
sogar beistehen, denn er ist es, der heute einen großen Verlust
beweint. Als aber Dr. Hausmann sich ihm als glücklicher
Bräutigam vorstellt, packt den alten Mann eine heillose Wut
„Nur gut, daß sie es nicht gewußt hat.“ — „Sie hat es ge¬
wußt und gewollt,“ sagt die freundliche Krankenschwester, um
ihn zu heilen. Und der alte Herr schließt mit einer ebärde
der Verachtung das Zimmer ab in dem er diese unangenehme
Kur durchgemacht hat. Aber vielleicht hat er ihr doch unrecht
getan. Sie muß ungefähr in derselben Stunde gestorben sein,
in der sich ihr Geliebter verlobt hat. Es leuchtet also ein
wenig, hinter den Wonten sind ganz kleine Lichter, Irrlichter
für unsere Gedanken angesteckt. Die poetische Kraft der
Schnitzlerschen Prosa ist dabei ins Dunkle, geraten. Ohne
das glänzende Spiel Oskar Sauers, der bisweilen den un¬
scheinbarsten alltäglichsten Worten einen intensiven seelischen
Antrieb zu geben weiß, hätte die Anspruchslosigkeit des
Autors an sein eigenes Talent leicht zu einem Durchfall wer¬
den können.
Die Traumdichtung Hauptmanns ist diesem Ein¬
akter eine schlechte Gefährtin, denn hier spricht in jedem Satz
das eigene Talent eines großen und feinsinnigen Sprach¬
künstlers zu uns, der uns mit der Geschichte des armen
Hannele so gewaltig in seinen Bann schlägt, daß sehr
Lessing=Theater. 4 10,%,
bald aus dem Parkett eine einzige große Kinder¬
stube wird, in der es noch artige und unartige Kinder gibt,
Zum erstenmal: „Die Gefährtin“,
solche, die bei dem gruselig schönen Märchen, das da erzählt
Schauspiel in einem Akt von Arthur Schnitzlét.
wird, laut aufchsluchzen, solche, die bei des Himmels¬
Neueinstudiert: „Hanneles Himmelfahrt“
schneiderlein oder des alten Pleschke Auftreten fürchterlich
von Gerhart Hauptmann.
ins Lachen kommen und solche, die zum Schluß nase¬
Wer Schnitzlers Novellen kennt, weiß, daß dieser ein klein
sagen: „Das war die ganze Geschichte?“
weiß
wenig tiefsinnige Dichter gute Pointen und wunderbare Dis¬
Herrn
Monnards Lehrer hätte herber
harmonien zu erfinden weiß, in denen sich ein verfehltes können und zugleich abgeklärter und ohne das
Menschenleben restlos offenbart. In diesem Schauspiel ist er herkömmliche Pathos. Der Men ist ja auch für uns bei¬
nicht sehr weit über seine französischen Lehrer des Dramati= nahe „das liebe Jesulein“, also braucht er sich nicht erst noch
schen, Sardou und Maeterlink hinausgekommen. Gewiß ist herauszuputzen. An Stelle Else Lehmanns gab Ida
das chemische Präparat, das Schnitzler aus diesen Beiden her=[Wüst die Hedwig und Hans Marr hatte mit seinem herr¬
stellt, eine geistreiche literarische Arbeit. Aber literarische lichen Organ, das etwas vom Posaunenton hat, den man mit
Arbeiten sind oft im Geschmack fade, noch ehe man sich dessen der Faust im Schallrohr dämpft, den Waldarbeiter Seidel.
versieht. Je nachdem der Flaschenabzug gut oder schlecht] Ilda Orloff brachte beinahe zu viel an Kunst mit für das
arme Hannele. Sie wartete nicht ab, bis die Engelein im
gerät.
Professor Robert Pilgram hat seine junge Frau zu Grabe Himmel „Musik um ihren schlanken Leib schlingen“, sondern
getragen. In ihrem Schreibtisch liegen Briefe, die Zeugen tat es schon von vornherein selbst mit dem Cimbalton ihrer
eines heimlichen Glücks. Robert Pielgram kennt den Glück= hellen Stimme.
W. M.
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